Mitreißendes Drama um eine junge Missionarswitwe aus China und ihren Neuanfang als Pastorengattin in Preußen. Hat mir gut gefallen!
Buchinhalt:
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kehrt die junge Missionarswitwe Rebekka aus China in die alte Heimat nach Deutschland zurück, zusammen mit ihren beiden Kindern. Der Plan ist, den protestantischen Pfarrer einer Berliner Gemeinde zu heiraten, der ihr über die Missionsgesellschaft einen Brief zukommen ließ, da er selbst eine Mutter für seine Kinder aus erster Ehe sucht. Hin und Her gerissen zwischen Heimweh nach China, der Verzweiflung, keinen Ernährer für ihre Kinder zu haben und der Furcht vor einer ungewissen Zukunft, willigt Rebekka in die arrangierte Ehe mit dem Fremden ein. Das alles wäre mehr als vernünftig, wären da nicht die starken Gefühle für Kapitän Salmas, dem sie auf der Überfahrt mehr als nahe gekommen ist...
Persönlicher Eindruck:
In ihrem Debütroman nimmt die Autorin ihre Leser mit in eine Geschichte voller Glaubensfragen, Liebeswirren und einem Gefühlskarussell, das seinesgleichen sucht. Zentrales Thema in ihrem Roman ist die China-Mission der Berliner Missionsgesellschaft, der auch die weibliche Hauptfigur Rebekka angehört. Als ihr Mann, ein Arzt, in China der Cholera erliegt, bleibt ihr keine Wahl: sie kehrt zurück in die alte Heimat. Verantwortlich für zwei kleine Kinder nimmt sie das Eheversprechen des ihr bis dato fremden Pastors Friedrich Hoffmann an, um versorgt zu sein.
Gertaud Schöpflin vermag es gekonnt, historisches Sittengemälde des preußischen Protestantismus, den Schauplatz der Mission in China und ein packendes Liebes- und Beziehungsdrama in einem Roman zu vereinen. Rebekka ist dabei eine Art „Braut auf Bestellung“. Mir war bislang gänzlich unbekannt, dass diese Praxis im ausgehenden 19. Jahrhundert auch in Missionskreisen in Deutschland üblich war und kannte dieses Phänomen bisher nur von den Goldgräberstädten im Wilden Westen – der Roman hier schafft es jedenfalls von Anfang bis Ende seinen Spannungsbogen hochzuhalten und den Leser förmlich an den Seiten kleben zu lassen.
Hin und her gerissen war ich beim Lesen bezüglich der beiden Protagonisten. Während Rebekka durchaus Identifikationspotential innewohnte und ich sie als liebevolle, wenn auch teilweise etwas naive und manchmal romantisch verklärte Frau empfand, hatte ich bis zuletzt Schwierigkeiten mit dem Pfarrer. Friedrich ist ein Paradebeispiel des strengen protestantischen Preußen, sein Erziehungsstil basiert auf Prügelstrafen und war im ausgehenden 19. Jahrhundert gang und gebe. Friedrich ist jähzornig und egoistisch, entlädt seine Wut mehr als einmal an Rebekkas Sohn Jakob und war mir bis zuletzt unsympathisch. Auch sein Wandel kurz vor der Geburt von Baby Josef bzw. gegen Ende, als er glaubt, alles verloren zu haben, nehme ich ihm nicht wirklich ab. Er wirkt auf mich wie ein Choleriker, der jedes Mal verspricht, nie wieder gewalttätig zu sein, dann aber immer wieder erneut in alte Muster zurückfällt.
Wen ich lange Zeit überhaupt nicht einschätzen konnte, war der Kapitän, der zweite Mann im Liebesdreieck rund um die schöne Rebekka.
Der christliche Aspekt des Romans ist sehr stark ausgeprägt, was sicherlich zu einem Großteil auch dem Lebensbereich der Protagonisten geschuldet ist. Es geht dabei um tiefe Frömmigkeit, Gottvertrauen und Vergebung einerseits, aber auch um Zweifel, Verfehlung und Schuld auf der anderen Seite. Letztendlich siegt die Liebe und die Versöhnung – und gibt dem Ganzen ein versöhnliches Ende.
Alles in allem ein spannender und komplexer Historienroman mit starken Figuren – ich hoffe, man liest bald wieder von dieser sehr talentierten Autorin. Eine Leseempfehlung für alle, die niveauvolle Romane abseits des Mainstreams zu schätzen wissen!