Eingängiger Western aus der Siedlerzeit und Ideenklau vom Feinsten. Hier schmückt sich jemand mit fremden Federn – schade!
Buchinhalt:
South Carolina, Mitte des 19. Jahrhunderts: Die von Schicksalsschlägen gebeutelten Steinmann-Geschwister machen sich unter der Führung ihres ältesten Bruders mit einem Siedlertreck auf nach Oregon. Die Idee kam von Joanna, der 18-jährigen Schwester, die so gar nicht in das Profil einer jungen Südstaaten-Dame zu passen scheint. Der Weg ist beschwerlich und voller Strapazen, doch die Geschwister halten zusammen und lassen sich auch von dem ungehobelten Treckführer, wilden Indianern und den Naturgewalten nicht unterkriegen. Dass eine Intrige in der alten Heimat und der gefährliche Schwager Neill währenddessen Joanna nach dem Leben trachtet, bleibt lange Zeit unentdeckt....
Persönlicher Eindruck:
Mit „Wohin der Wind uns trägt“ breitet Autorin Büchle einen bildgewaltigen und vielschichtigen Westernroman aus der amerikanischen Siedlerzeit vor ihrer Leserschaft aus, der den Leser mitnimmt in eine Welt zwischen mondänen Plantagen der Südstaaten auf der einen als auch auf die beschwerliche Reise der Siedler auf dem berühmten Oregon-Trail auf der anderen Seite. Zusammen mit Joanna und ihren Geschwistern wird man Zeuge der harten Entbehrungen, der Mühsal und den Gewaltsmärschen von Planwagen, Menschen und Vieh.
Schon auf den ersten Seiten taucht man ein in vergangene Zeiten – im Grunde ist das ein Garant für spannende Western-Unterhaltung. Ist es ja auch, doch leider schmückt Frau Büchle sich auf ihren fast 600 Seiten mit vielen fremden Federn. Das ist bedauerlich, denn ich erwarte bei einem Roman eigene Ideen, nicht Ideenklau bei anderen.
Es sind drei große Bücher bzw. Filme, in denen sich die Autorin hier bedient: „Vom Winde verweht“ von Margaret Mitchell, „Die Erben Kains“ von John Jakes (Romanvorlage zur TV-Serie „Fackeln im Sturm“) und dem Westernfilm „Der Weg nach Westen“ (The Way West) mit Kirk Douglas, Richard Widmark und Robert Mitchum.
Es lässt sich nicht leugnen: Joanna ist ein Scarlett O'Hara-Verschnitt erster Güte. Der Mann, denn sie gerne hätte, verlobt sich mit ihrer Freundin – wie weiland Ashley Wilkes mit seiner Melanie (Vom Winde verweht). Joannas Schwester Denise bleibt unterdessen in South Carolina zurück und heiratet einen wesentlich älteren Plantagenbesitzer, der sie misshandelt, zuhause einsperrt und auch sonst demütigt – wie Justin LaMotte in Die Erben Kains (Fackeln im Sturm).
Die meisten Parallelen allerdings sind bezüglich des Films Der Weg nach Westen zu finden. Die ganze Reise des Siedlertrecks ist diesem Film nachempfunden – inklusive despotischem, herrischen Treckführer, an den Felsen abgeseilten Wagen und Zugtieren und dem ein oder anderen Todesfall. Dass die Wagen dann Ballast zurücklassen müssen und die Siedler sich unterwegs zwangsweise von ihrer Habe trennen sollen, ist dann nur noch ein weiteres Tröpfchen, das das Fass schließlich zum überlaufen bringt.
Insgesamt kann einem der Roman durchaus gefallen, keine Frage – aber für Ideenklau bei anderen kann ich nicht mehr als 3 Sterne vergeben, so leid es mir tut. Das Buch ist schön und eingängig geschrieben und würde ich die Originale nicht kennen, würde es mir wohl nichts ausmachen – ich weiß aber um den Ideenklau und der verleidet mir den Lesegenuss. Zudem fehlt mir bei einem Teil der Figuren einfach die Tiefe, ich musste immer wieder das Glossar bemühen – selbst nach mehreren hundert Seiten. Auch nicht gut.
Generell entwickelt sich Büchles Hauptfigur Joanna auf den fast 600 Seiten überhaupt nicht weiter. Für mich war schlicht unglaubhaft, dass eine unbedarfte Südstaatentochter ohne Ahnung vom Siedlerleben von jetzt auf gleich Vieh treibt und auch sonst die Männer auf dem Treck herumkommandiert und alles besser weiß. Da fallen auch ihre ständigen Streitereien mit Alec nicht mehr ins Gewicht, einer Art Running Gag dieser Geschichte.
Fazit: Alles in allem ein traditioneller Siedler-Western, doch leider zu 90 % erkennbar nicht auf dem Mist der Autorin gewachsen.