Jugendroman um die Swing-Jugend im Hamburg der 1930er Jahre – Durchschnitt, kein Must-read.
Buchinhalt:
Hamburg, 1939: entgegen der Propaganda des herrschenden Regimes zählen für den 16jährigen Henri und seine Freunde nur eines: die neusten Jazzplatten, Musiker wie Louis Armstrong und Artie Shaw, das Lebensgefühl Londoner Jazzkeller und amerikanischer Swingmusik. Die Jugendlichen provozieren – mit ihrer Einstellung, ihrem Äußeren und ihrer Musik. Dann lernt Henri schließlich Inge kennen und verliebt sich – und findet sich eines schönen Tages im Gestapogefängnis wieder...
Persönlicher Eindruck:
Mit „Swing High“ erzählt Autorin Cornelia Fritz eine Geschichte aus dem Umfeld der Hamburger Swing-Jugend, die mit ihrer ablehnende Haltung und vor allem ihrem Faible für Jazz und Swing in der Zeit des Zweiten Weltkriegs für Furore sorgte. Auch rein äußerlich unangepasst und gegen den Strom schwimmend waren die Swings den Behörden, Lehrern und Politikern ein Dorn im Auge und drückten dadurch ihre Rebellion gegen das System aus.
Insgesamt bin ich zwiegespalten, was diesen Roman angeht. Einerseits beschreibt der Plot recht anschaulich den Alltag und das Leben der Jugendlichen rund um Hauptfigur Henri. Schule, Freizeit und Pflichtteilnahme in der Hitlerjugend, aber auch ausgelassenes Feiern, Tanzen und die gemeinsame Liebe zur Swingmusik sind Grundthematik der Handlung, die hier sehr bildhaft und eingängig rüberkommt.
Andererseits passen einige Dinge in meinen Augen nicht. Henris Vater ist Arzt mit eigener Praxis, in seinem Beruf ist er notgedrungen angewiesen auf eine gewisse Angepasstheit beziehungsweise Vorsicht, doch den Eltern scheinen Henris Bestrebungen, seine andauernde öffentlich zur Schau gestellte Rebellion völlig egal. Ein zweiter Punkt ist das ständige Schwänzen der HJ-Gruppenstunden. Auch hier scheint es keinem aufzufallen, dass Henri dort andauernd den Kranken markiert, ansonsten aber gesund genug ist, im Anschluss irgendwo feiern zu gehen. Auch das fällt weder den Eltern auf, noch gibt es irgendeine Nachfrage oder anderweitigen Kontakt der Vorgesetzten auf das häufige Fehlen von Henri. Alles wenig glaubhaft – so lax lief das damals einfach nicht.
Henri als Hauptfigur war mir nicht sonderlich sympathisch. Sein ganzes Verhalten war über die Maßen rebellisch und unangepasst, egoistisch und selbstsüchtig. Ich nehme es den Jugendlichen keinesfalls übel, dass sie für ihre Musik, ihren Swing brennen und auch entgegen des damaligen Mainstreams nicht von ihren Jazzplatten lassen. Was ich ihnen übel nehme, ist, dass ihnen jedwedes Verantwortungsgefühl fehlt und sie (vor allem Henri) eine so vollkommen kaltschnäuzige, gleichgültige Haltung an den Tag legen. Dass ihr Tun Auswirkungen auch auf ihre Familien und ihr Umfeld hat, scheint ihnen entweder nicht bewusst oder vollkommen egal. Auch verschwendet Henri keinen weiteren Gedanken an Hanna und Edu nach deren verschwinden – aus den Augen, aus dem Sinn.
Schon aufgrund der geschichtlichen Thematik ist eine Schwarz-Weiß-Malerei in der Handlung normal und nicht zu ändern. Natürlich sind die Bösen eindeutig böse – daran gibt es nichts zu rütteln. Möglicherweise ist das (und die Tatsache, dass es sich um einen Jugendroman handelt) auch der Grund, warum die Figuren ziemlich überzeichnet scheinen. So sind Henri & Co. in ihrer Swing-Manie in meinen Augen selbst sehr fanatisch. Sie sind von sich überzeugt, die Guten zu sein – aber ist das wirklich immer so? Schön wäre es, wenn die jugendliche Zielgruppe auch ihre Handlungen beim Lesen hinterfragt. Ob der Plot dahingehend anregt – ich weiß es nicht.
Der interessanteste Charakter der Geschichte war für mich Robert, der relativ gesichtslose Fremde, mit dem Henri im Knast einsitzt. Man kennt ihn als Leser nur aus kurzen Dialogen, doch diese Figur hatte in meinen Augen das meiste Potential der Handlung. Schade, dass seine Auftritte relativ kurz sind. Vieles, was ich kritisiere, spricht dieser Robert konkret an und versucht zumindest, Henri zu kleinen Denkanstößen zu bewegen.
Insgesamt fand ich die etwas mehr als 200 Seiten schlichtweg zu kurz, um der Geschichte den nötigen Tiefgang und den Figuren das nötige Profil zu verleihen. Für meinen Geschmack fehlt einfach die Kritik an der Handlungsweise der Swing-Jugendlichen, die mir hier zu positiv rüber kamen. Es gab keine größeren Auswirkungen auf Eltern und Familie, vielmehr waren alle, die mit Henri und der Swingclique in Berührung kamen, Feuer und Flamme. Das war mir zu schöngezeichnet.
Mein Fazit: ein durchaus eingängiger Jugendroman zum Thema Widerstand und Nationalsozialismus, aber weitgehend undifferenziert und unkritisch hinsichtlich der „hellen Seite“. Kann man lesen, ist aber in meinen Augen kein Highlight.