Familiengeschichte aus der Eifel in der deutschen Nachkriegszeit - leider nur ein Einzelband, daher sehr straff erzählt.
Buchinhalt:
Deutschland in der Nachkriegszeit: Die 28-jährige Ruth übernimmt nach dem unerwarteten Tod des Vaters dessen Basalt-Steinbruch in der Eifel, wird jedoch anfänglich nicht von den Arbeitern als Chefin akzeptiert. Beharrlich und mit Engagement verfolgt sie ihren Traum vom Fortbestand des Generationenbetriebes, der jedoch tief in den Roten Zahlen steckt. Als Ruth Paul kennenlernt und diesen als Betriebsleiter einstellt, bessert sich die Lage. Paul geht Ruth nicht mehr aus dem Kopf und zwischen den beiden entspinnt sich eine zarte Liebesgeschichte – bis Ruths totgeglaubter, despotischer Noch-Ehemann aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückkommt. Hat die Beziehung zu Paul überhaupt eine Chance?
Persönlicher Eindruck:
Birgit Reinshagen präsentiert in ihrem einteiligen Roman „Wunderjahre“ anhand der Familie Thelen gekonnt die deutsche Nachkriegszeit und das Leben unmittelbar nach dem Zweiten. Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist dabei das (fiktive) Thelen-Basaltwerk in der Eifel, einem der führenden Arbeitgeber der damaligen Zeit.
Uneingeschränkte Hauptfigur ist die 28jährige Ruth, die nach dem Tod ihres Vaters ihren Traum von der Leitung des Familienunternehmens lebt – gegen alle Widerstände, seien es nun Zahlungsschwierigkeiten, Inakzeptanz durch die männliche Belegschaft oder auch private Probleme. Ruth entwickelt sich im Laufe der Geschichte vom unreifen Backfisch zu einer starken, toughen Geschäftsfrau, wenngleich sie an einigen Stellen in alte Rollenmuster zurückfällt und sich mehrmals reichlich naiv verhält. Beispielsweise wunderte es mich, dass sie an zwei Stellen sofort auf die im Grunde ungerechtfertigten Geldforderungen ihrer Gegenüber eingeht, ohne sich in irgendeiner Form dagegen zu wehren. Das passte nicht wirklich zusammen mit ihrer Stellung als Chefin eines Großbetriebs und kappte zwei potentialträchtige Handlungsfäden gleich zu Beginn.
Ihr männlicher Gegenpart ist Paul, selbst Spross eines Sandsteinwerks aus dem deutschen Osten und gerade zur Stelle, als Ruth einen fähigen Betriebsleiter braucht, um den Familienbetrieb fortzuführen. Paul ist die männliche Bezugsperson für die Belegschaft und so nimmt es niemand Wunder, dass relativ schnell klar ist, dass Ruth und Paul dereinst zusammenkommen. Paul schweigt sich aus über seine Vergangenheit – und man erfährt sie als Leser leider bis zum Schluss nicht, was ich sehr schade fand.
Gegen Ende der authentischen Geschichte kommt noch einmal so richtig Fahrt in die Handlung, als Ruths (Noch-)Ehemann Georg auf der Bildfläche auftaucht. Im Gegensatz zu Paul ist Georg der Bösewicht schlechthin – ein Altnazi, der auch nach Kriegsende noch immer sein braunes Gedankengut zu pflegen scheint und sich an Ruths Erbe gesundstoßen will. Hier läge ebenfalls noch sehr viel mehr Potential, das leider so gut wie nicht genutzt wurde – es ist wohl der Kürze der einbändigen Erzählung geschuldet. Die Romanhandlung hätte auf alle Fälle Stoff für einen Mehrteiler gehabt, vieles wird nur kurz angeschnitten und für meinen Geschmack viel zu schnell (und glatt) abgehandelt. Vieles wird nur an der Oberfläche gekratzt und leider offen stehen gelassen – für mich ein Minuspunkt bei der Bewertung des Romans.
Alles in allem vereint der Roman historische Begebenheiten der deutschen Nachkriegszeit, Familienschicksal und Liebesgeschichte in einem kurzweiligen Plot, der für gute Unterhaltung sorgt und den Leser durchweg in die jüngere Vergangenheit mitnimmt. Freunde historischer Familiengeschichten liegen hier auf alle Fälle richtig, sofern sie nicht unbedingt auf eine in allen Punkten wirklich tiefgründig ausgesarbeitete Handlung bestehen.