Politische und private Krisen in der Weimarer Republik - mitreißende, lesenswerte Fortsetzung
„Es fühlte sich an, als würde sie von einem Zeitstrudel durch jeden einzelnen Tag gewirbelt werden. Nicht einmal auf dem See kam sie zur Ruhe. Ihr Blick glitt nicht, er huschte über die Umgebung, ohne sie wirklich wahrzunehmen. Dabei hätte ein Herbsttag kaum idyllischer sein können als der heutige.“
Während sich in der Weimarer Republik die politische Lage immer prekärer entwickelt, finden auch die Schwestern Marlene und Emma nicht zur Ruhe. Marlene und ihr Mann Maximilian hadern mit ihrer Kinderlosigkeit. Marlene, Ärztin in der Kinderklinik Weißensee, ist völlig überarbeitet und beschließt schweren Herzens, die Klinik zu verlassen. Sie hofft, dass sich ihr Traum vom Muttersein leichter verwirklichen lässt, wenn sie weniger Stress hat. Doch dann hört sie von Alexander Flemmings zufälligen Entdeckung des Penicillins. Sie erkennt die unglaublichen Möglichkeiten, die das Medikament bietet. Schnell gerät ihr Entschluss, sich aus der Medizin zurückzuziehen, ins Wanken…Ob das ihrem Mann Maximilian gefällt?
Für Marlenes Schwester Emma läuft es beruflich prima. Bis zur Oberschwester hat sie sich hochgearbeitet, doch dann taucht eine ehemalige Widersacherin an der Klinik auf und Emma bekommt mächtig Gegenwind. Emmas Sohn Theo hat ebenso Probleme. Am Gymnasium läuft es nicht gut für ihn. Dann lernt er einen Mitschüler näher kennen, der ihm neue Möglichkeiten aufzeigt, die seinen sozialdemokratischen Eltern gar nicht gefallen dürften…
Autorin Antonia Blum erzählt abwechselnd aus Marlenes und Emmas Sicht. Sie schreibt leicht, gut verständlich und flüssig.
Das einprägsame Cover, diesmal sind zwei Kinder von hinten zu sehen, die auf die Klinik blicken, ist sofort als Teil der Buch-Reihe zu erkennen.
Beide Protagonistinnen Marlene und Emma werden sehr sympathisch und einnehmend dargestellt. Die Schwestern sind absolut ehrlich, denken stets an andere und haben sich durch harte Arbeit selbstständig aus der Armut befreit. Ihre Disziplin ist bewundernswert. Marlene ist noch ein bisschen ehrgeiziger als ihre Schwester, für Emma steht mehr das Menschliche, der Umgang mit den Patienten und weniger die Forschung in der Medizin im Vordergrund. Dass die beiden bemerkenswerten Frauen schwere Krisen durchlaufen, ließ mich beim Lesen nicht kalt. Ich litt mit ihnen und hoffte für sie. Eine Reihe weiterer netter Figuren bereichern die Geschichte, Willy Pinke, Albert Kolpetzky oder Elwira Scharinski. Aber auch wirklich unangenehme Zeitgenossen wie Theodors Lehrer Rademacher oder die neue Oberin mischen das Geschehen kräftig auf und sorgen für viele Konflikte.
Auch der dritte Teil liest sich wunderbar leicht und unkompliziert. Die gesamte Geschichte um Emmas und Marlenes Schicksal ist derart fesselnd, dass es für mich unmöglich ist, die Serie nicht weiterzulesen.
Die Sorgen von Emmas Sohn Theo, seine ersten Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Bewegung stimmen nachdenklich, gehen nahe, machen traurig. Einmal mehr wird klar, wie stark Politik in das Leben der Menschen eingreifen kann.
Wer die ersten beiden Bücher der Reihe mochte, wird sicher auch vom dritten Band um die Kinderklinik Weißensee „Tage des Lichts“ begeistert sein. Allen anderen Fans von historischen Schmökern seien zunächst die ersten Bände ans Herz gelegt, denn mit Vorwissen bietet der dritte Band ein umso größeres Lesevergnügen.