Starke Frauenfiguren kämpfen für ihre Zukunft im Adel
INHALT:
Die Grafschaft Sayn im Westerwald, 1636, während dem Dreißigjährigen Krieg: Mit gerade einmal 7 Jahren stirbt der Erbgraf, auf den alle große Hoffnungen gesetzt hatten, um die Grafschaft in der Familie halten zu können. Nun besteht die Familie nur noch Frauen, die scheinbar nichts mehr zu sagen haben: Mutter Gräfin Louise Juliane von Sayn und Wittgenstein und ihre beiden Töchter Ernestine und Johannette.
Der Erbgraf ist noch nicht mal unter der Erde, da müssen sie sich schon gegenüber den Kurfürsten von Köln und Trier sowie diversen Verwandten behaupten, die ihnen die Grafschaft streitig machen wollen.
Doch die Familie gibt nicht so schnell auf, kämpft um ihr Erbe und ihr Zuhause. Gräfin Louise Juliane denkt dabei auch an die Bevölkerung, die sie sonst im Stich lassen würden. Schließlich tragen sie die Verantwortung für all diese Menschen!
Es wird kein leichter Weg für die Familie. Der Bischof versucht sie in ihrem Schloss auszuhungern, sie sind gefangen und befinden sich im nächsten Moment auf der Flucht.
Trotzdem kämpft die Gräfin weiter, auch für ihrer Töchter.
Gleichzeitig wird Ernestine von ihrer Mutter auf die Aufgaben einer zukünftigen Gräfin vorbereitet. Sie muss mehr lernen, als ihr lieb ist und es dauert seine Zeit, bis sie ihr Schicksal als eine Aufgabe versteht:
„Gott hat uns die Verantwortung für diese Menschen anvertraut und wir können uns dem nicht entziehen. Es ist unser Schicksal. Dafür wurden wir in ein Grafenhaus geboren.“
Und bald drängt sich eine weitere Frage auf: Wen wird die Komtess eines Tages heiraten müssen?
MEINUNG:
Zu diesem Buch habe ich gegriffen, da ich schon zwei andere Werke der Autorin gelesen sie sehr geliebt habe.
Und das ist auch gut so, denn sie konnte mich auch mit ihrem neuen Buch bestens unterhalten!
Da ich mich im 17. Jahrhundert nicht besonders heimisch fühle (die meisten Historischen Romane die ich lese, spielen eher im 20. Jahrhundert), war das Buch für mich eine gute Möglichkeit, mal wieder etwas meinen Horizont zu erweitern.
Die teilweise langen Namen und Titel ließen mich anfangs kurz stolpern und auch an die Sprache des gehobenen Standes musste ich mich erst gewöhnen. Was lediglich bedeutet, dass ich etwas mehr Konzentration benötigt habe - gepasst hat es in diese Zeit und zum Adel natürlich sehr gut!
Und ich habe mich gerne in diese andere Zeit entführen lassen und fand es auch interessant, wie das damals ablief, ohne Männer in einer adligen Familie.
Besonders erschreckend fand ich, wie schnell nach dem Tod des Erbgrafen, die Konkurrenz vor der Tür steht und die Grafschaft übertragen bekommen möchte! Doch sie haben die Rechnung ohne Gräfin Louise Juliane gemacht und diese gibt glücklicherweise nicht so schnell klein bei!
Annette Sprattes Recherchearbeit muss viel Zeit und Mühe gekostet haben, was die Autorin im Nachwort auch anmerkt. Ich musste zwischendurch immer wieder denken, wie viel Arbeit das gewesen sein muss, um die ganzen historischen Hintergründe und Zusammenhänge in Erfahrung zu bringen. Auf mich wirkte der historische Kontext jedenfalls sehr gut recherchiert!
Leider hatte ich zu Beginn mit der Kinderperspektive von Protagonistin Ernestine etwas Schwierigkeiten. Das passiert mir (als gelernte Erzieherin) bei Perspektiven von Kindern immer wieder, da bin ich wohl sensibel.
Jedenfalls hätte ich aufgrund Ernestines jungen Alters, am Anfang einfachere Wörter bevorzugt, um sie, ihrem Entwicklungsstand entsprechend, authentischer wirken zu lassen. Ihre Ausdrucksweise (in Gedanken und bei gesprochenen Worten) kam mir (trotz des Einflusses ihres Elternhauses und der damaligen Zeit) etwas zu gehoben vor, was durch die Ich-Perspektive noch weiter hervorgehoben wird.
Ihr Handeln und ihre Einstellungen dagegen wirkte auf mich ihrem Alter entsprechend dargestellt.
Doch mit der Zeit wird Ernestine älter und reifer und irgendwann war ihre Wortwahl für mich absolut stimmig!
Auch die Worte und Taten ihrer jüngeren Schwester Nanni, passten für mich sehr gut. Deren anfangs kindliche, manchmal unbeholfene Art, hat mir gefallen.
Besonders gut dargestellt fand ich außerdem den Aspekt, dass Kinder anders trauern und im nächsten Moment wieder fröhlich sein können, im Gegensatz zu Erwachsenen, die eher eine längere Zeit am Stück trauern.
Insgesamt hat mir die Protagonistin Ernestine total gut gefallen und ich habe sehr mit ihr mitgefiebert. Sie ist eine willensstarke und eigensinnige Person, liebt ihre kleinen Freiheiten, zu denen sie jedoch als Komtess kaum die Gelegenheit bekommt. Mit der Zeit versteht sie immer besser, was es bedeutet, eine Gräfin zu sein und welche Verantwortung, Erwartungen und Aufgaben damit verbunden sind.
Aber auch die Stärke ihrer Mutter, Gräfin Louise Juliane, hat mich beeindruckt. Sie gibt sich nicht so leicht geschlagen und kämpft für ihre Töchter!
Schön finde ich des Weiteren, dass die Familie tatsächlich existierte. Vor allem über die Mutter, Gräfin Louise Juliane, gab es wohl einige Schriftstücke, die als Quelle für das Buch dienten. Klasse, dass die Autorin ihre Geschichte zum Leben erweckt hat!
Beim Lesen musste ich immer wieder denken, wie gut sich aus diesem Buch ein Film machen lassen würde, denn ich hatte ständig Bilder vor Augen.
Für meinen Geschmack ging es später vielleicht etwas zu viel um den zukünftigen Mann an Ernestines Seite.
Dafür kam ein bisschen Downton Abbey – Feeling bei mir an, was ich in der Weihnachtszeit auch ab und zu ganz gerne mag.
FAZIT: Erneut konnte mich die Autorin mit einer ihrer Geschichten für sich gewinnen. Anfängliche Schwierigkeiten mit der Kinderperspektive der Protagonistin lösten sich mit der Zeit zum Glück in Wohlgefallen auf. Wer starke, kämpferische Frauenfiguren liebt, historische Romane mag und ein bisschen Downton Abbey – Feeling sucht, könnte mit diesem Buch einen Volltreffer landen! Von mir gibt es eine Empfehlung und 4-4,5/5 Sterne!