Spannender und ergreifender Abschluss der Helgoland-Trilogie - absolut lesenswert!
Buchinhalt:
Helgoland hat sich nach den verheerenden Kriegsjahren erholt und zu einem mondänen Kurbad gemausert. Auch Tine und ihr Blumenladen leiden keine finanzielle Not. Die Kinder und Enkel werden groß – doch dann braut sich neues Unheil am Horizont zusammen. Die Weltwirtschaftskrise bereitet einen Nährboden für die NSDAP und schon bald sehen sich die Menschen einer neuen Bedrohung ausgesetzt: Hitler ergreift die Macht im Deutschen Reich und lässt Helgoland zur Festung ausbauen…
Persönlicher Eindruck:
Im dritten und abschließenden Teil ihrer Helgoland-Reihe entführt die Autorin Anna Jessen ihre Leser ein weiteres Mal auf die berühmte rote Insel in der Nordsee. Inzwischen schreiben wir die 20er Jahre und Helgoland hat sich vom Großen Krieg soweit erholt. Die Hotels und Cafés brummen, auch Tine profitiert von den Kurgästen, die die Insel aufsuchen.
Dabei beschreibt die Autorin das Leben und die Lebensart auf Helgoland wieder sehr mitreißend und gekonnt – es ist wie ein Nach-Hause-Kommen zu lieb gewonnenen Menschen. Auch wenn deren Zahl immer weiter gewachsen ist im Laufe von drei Bänden, hatte ich nie das Gefühl, die handelnden Personen nicht verorten zu können. Im Gegenteil: Tine und ihre Tochter Jette sind das Rückgrat der Geschichte und Dreh- und Angelpunkt für das tägliche Leben in dieser Familiengeschichte. Tine, inzwischen in den besten Jahren, ist eine Stütze der Helgoländer Gemeinschaft geworden: alle verlassen sich auf sie und sie hat auch in fast allen Lebenslagen einen Rat, leistet tatkräftig Hilfe und ist in ihrer neuen Heimat mehr als angekommen.
Dabei verwundert den Leser allerdings eines: Egal, wie sehr Tine und ihre Familie schuften, wie sehr sie sich abrackern und wie hilfsbereit sie auch sind: in den über 60 Jahren, in denen sie Geschichte spielt, bringen es die Heesters / Brückners im Grunde nicht wirklich zu etwas. Tine verliert, rappelt sich auf, verliert erneut – und trotz allem hängt sie bis zum Schluss an ihrer neuen Heimat.
Gut gefallen hat mir die Einbindung von historischen Fakten und Details in die fiktive Handlung. Packend und auch schonungslos beschreibt die Geschichte die Zeit des Nationalsozialismus und die Gräuel, denen sich die zahlreichen jüdischen Bewohner der Insel – und nicht zuletzt die, die ihnen helfen – ausgesetzt sehen.
In der Mitte der Erzählung hängt dann die Spannung leider durch, erst im letzten Drittel, das zur Zeit des Nationalsozialismus spielt, steigt sie wieder ins Unermessliche. Hier hätte ich mir einen größeren Schwerpunkt der Geschichte gewünscht. Denn während in den ersten beiden Dritteln die Handlung fast nur aus Kinderkriegen allerorten besteht (eigentlich müsste Tine ein wirklich gutes Auskommen als Hebamme gehabt haben) und das tägliche Leben haarklein erzählt wird, macht der Plot am Schluss zu viele Zeitsprünge, die man nicht sofort als solche erkennt. Beispielsweise hat dann Tines Enkeltochter, eben noch kleines Mädchen, plötzlich geheiratet und selber schon Kinder. Das war nicht so ganz gelungen.
Ein weiterer Kritikpunkt: die Zeit der Hyperinflation in den 20er Jahren. Wenn diese nun nicht gänzlich an Helgoland vorüber ging (was ich nicht glaube) hat Autorin Jessen ihr jedenfalls keine größere Bedeutung beigemessen. Als prägendes Ereignis von der Weimarer Republik hin zur Nazidiktatur hätte sie allerdings zumindest mal erwähnt werden sollen, denn auch die Halunder hatten 100%ig darunter zu leiden. Wieso das gar nicht zur Sprache kommt, ist mir vollkommen unverständlich.
Schön und berührend fand ich die Wiederbegegnung von Tine mit Peer, ihrem Kindheitsfreund aus Hamburg. Damit schließt die Trilogie schließlich ab und bildet einen passenden Rahmen rund um die Gesamtgeschichte.
Abgesehen von einigen kleineren Kritikpunkten war ich schwer begeistert von den „Klippen des Schicksals“ und kann diesen Band und die Trilogie guten Gewissens weiterempfehlen!