Sten Nadolny: Weitlings Sommerfrische
Weitlings Sommerfrische
Buch
- Roman. Ausgezeichnet mit dem Buchpreis der Stiftung Ravensburger Verlag für den besten Familienroman 2012
sofort lieferbar
EUR 12,00*
Verlängerter Rückgabezeitraum bis 31. Januar 2025
Alle zur Rückgabe berechtigten Produkte, die zwischen dem 1. bis 31. Dezember 2024 gekauft wurden, können bis zum 31. Januar 2025 zurückgegeben werden.
- Piper Verlag GmbH, 05/2013
- Einband: Kartoniert / Broschiert
- Sprache: Deutsch
- ISBN-13: 9783492303071
- Bestellnummer: 1894067
- Umfang: 218 Seiten
- Copyright-Jahr: 2013
- Gewicht: 219 g
- Maße: 191 x 121 mm
- Stärke: 19 mm
- Erscheinungstermin: 14.5.2013
Rezension
"Schön und mit philosophischem Tiefsinn erzählt.", Fuldaer Zeitung, 19.05.2012Klappentext
Als der angesehene Richter Wilhelm Weitling in einem Chiemseesturm mit seinem Segelboot kentert, kommt er gerade so mit dem Leben davon. Doch das Unglück versetzt ihn zurück in die eigene Jugend. Für den verblüfften Weitling wird dieses Abenteuer zur philosophischen Zeitreise - und hat unerwartete Auswirkungen auf seinen scheinbar vorgezeichneten Lebenslauf.Auszüge aus dem Buch
Meinem lieben und verehrten KollegenHorst Mönnich
Erstes Kapitel
Das Schiff
"Sicher ist, dass ich im Leben ein paar grundlegende Dinge nie begriffen habe, und ich weiß nicht einmal, welche."
Nachts hatte Weitling diese Bemerkung auf einen Zettel geschrieben, noch halb im Schlaf, aber euphorisch, durchdrungen von einer grundlegenden Erkenntnis. Jetzt, auf der Terrasse am hellen Tage, las er die Zeilen wieder, sie kamen ihm etwas depressiv vor, allerdings nicht falsch. Es klang wie der Beginn von Selbsterkenntnis und Besserung. Nun liebte er am hellen Tage Sätze nicht, in denen zwar etwas steckte, aber nicht herauskam. Er war unschlüssig, wollte den Zettel weder aufheben noch wegwerfen. Neben seinem rechten Fuß war eine Bodenfliese locker. Er hob sie an, schob den Zettel darunter und murmelte: "Wiedervorlage!"
Der Ostwind hatte aufgebrist. Sollte er das Boot klarmachen? Richter a. D. Wilhelm Weitling blinzelte in die Nachmittagssonne über dem Chiemsee: Ja, das war kein schlechter Tag dafür.
In der Regel fand er das Segeln ein bisschen langweilig. Es diente hauptsächlich als Beweis dafür, dass ein Boot in Ordnung und dicht war, dass das Tuch richtig stand, die Blöcke nicht eingerostet waren und das Tauwerk hielt, was es sollte. Das ließ sich innerhalb einer Viertelstunde feststellen, und dann? Dann verging Zeit, viel Zeit. Im Übrigen verursachte die Segelei Rückenschmerzen, Schulterschmerzen, Sonnenbrand und so etwas wie Melancholie, wenn der Wind einschlief. Freude machte hingegen die Pflege eines Bootes, all das Spachteln und Lackieren, Prüfen und Schrauben, das Voraussehen von Schäden und Gefahren. Kein Wunder, dass die Eigner mehr Zeit unter ihren Booten verbrachten als in ihnen und auf dem Wasser. Ihre Klage, sie kämen vor lauter Instandhaltung nicht zum Segeln, war ein wichtiger Teil des Genusses.
Eine ungetrübte Freude war auch das Arbeiten an der Bootshütte, in deren Dunkel das Boot vor Sturm und Hagel, Eis und Schnee sicher liegen sollte. Gewiss, das Grobziel von alledem hieß "Segeln". Aber welchem Zweck diente es, wohin segelte man? Am Strandbad vorbei, einmal hin und her mit halbem Wind, wobei man eifrig schaute, ob jemand schaute. Zum Segelhafen nach Seebruck, weil da so viele andere Boote unterwegs waren. Ab und zu ein Geschwindigkeitsvergleich mit anderen Booten hart am Wind, aber wozu? Um es einem der bauchigen Jollenkreuzer zu zeigen? Ein langes, schlankes Boot war nun einmal schneller als so eine schwimmende Plastiklaube, das wusste man vorher. Oder man fuhr zur Fraueninsel, um dort deutlich teurer zu essen als daheim. Auf dem Rückweg dann die erwähnte Flaute, und eigentlich musste man auf die Toilette. So ketzerisch dachte Wilhelm Weitling längst über das Segeln und entschied sich gewöhnlich dagegen.
Aber er wollte sich auch nichts vormachen: Er hatte von seiner körperlichen Behendigkeit in Jahren und Jahrzehnten einiges eingebüßt, war schwerer geworden, in den Gelenken eingerostet, der Rücken tat ihm schon ohne Segeln weh. Zudem stand er nicht mehr so sicher auf den Füßen wie als Junge. Das Segeln konnte zur Strapaze werden, auch wenn sein Kopf immer noch genau wusste, wie mit Wind und Neigung umzugehen war. Es war wie beim Radfahren: Man verlernt es nie, muss freilich noch aufsteigen, die Pedale treten und die Lenkstange führen können.
Ihm war vor dem Segeln, besonders dem Alleinsegeln, zunächst bange gewesen, darum hatte er es bis in den Hochsommer hinausgezögert. Immer hatte er noch etwas entdeckt, was an der Bootshütte oder am Boot zu basteln war, was gekauft und eingebaut werden musste. Beim Umgang mit Seilwinden, Beschlägen, Schrauben, Brettern, mit Pinsel und Farbe konnte ihm nichts Schlimmes passieren. Außer wenn er das alles ohne einen Willen zum Abschluss immer weiter betrieb, dann allerdings drohte Verblödung. Das hatte er ins Auge gefasst und das Boot schließlich doch einige Male gesegelt.
Das Ferienhaus, das er jetzt Sommer für Sommer miet
Biografie
Sten Nadolny, geboren 1942 in Zehdenick an der Havel, lebt in Berlin. Ingeborg-Bachmann-Preis 1980, Hans-Fallada-Preis 1985, Premio Vallombrosa 1986, Ernst-Hoferichter-Preis 1995.Anmerkungen:
Bitte beachten Sie, dass auch wir der Preisbindung unterliegen und kurzfristige Preiserhöhungen oder -senkungen an Sie weitergeben müssen.
Sten Nadolny
Weitlings Sommerfrische
EUR 12,00*