Fiktives Realgeschehen
Ingar Johnsrud kannte ich von einer früheren Lektüre, hatte ihn aber aus den Augen verloren. Nun kommt mit „Echokammer“ eine neue Reihe von ihm auf den Markt.
Vom Verlag als Thriller vermarktet, geht es um die näher rückende norwegische Parlamentswahl und einen Hinweis auf einen geplanten Anschlag: Ziel Umsturz, geplant von Rechten. Werden die offenbar in düstere Machenschaften verstrickten demokratischen Kräfte standhalten bzw. welch unlautere Mittel werden sie wählen, um das Äußerste zu verhindern?
Dies soll als grobe Handlungsskizze genügen. Klar ist, dass die Handlung um politische Rechtsausleger und demokratiefeindliche Tendenzen äußerst aktuell ist – man könnte sie mit wechselnden Ländern mit unterschiedlichem Ausgang erzählen. Faszinierend an der Lektüre ist neben der Aktualität die stets im Hintergrund dräuende Frage: Ist es so, könnte es bei der nächsten Wahl genau so kommen? Sind Politiker wirklich so, wie Johnsrud sie hier zeichnet? Was ist mit den Figuren, etwa den Jens Meidells, die im Hintergrund die Fäden ziehen? Und werden Ermittler in Anti-Terror-Einheiten wie Benjamin und Tong Anschläge verhindern können? Ist es legitim, zu teils fragwürdigen Methoden zu greifen, „nur“ um einen Umsturz zu verhindern oder stellt man sich damit mit den Umstürzlern auf eine Stufe? Natürlich kann man sagen, dass „Echokammer“ ein Politthriller ist – wem aber Überlegungen wie die oben angedeuteten, teils demokratietheoretischen keine Freude machen, den wird die Lektüre bzw. das Hören nicht unterhalten. Dazu ist die Handlung trotz einiger Wendungen zu wenig offensichtlich spannend, was bei neuen Reihen oft der Fall ist, weil ihre Protagonisten eingeführt werden, was Erzählzeit kostet. Wäre die Anlage der aus zwei sich mehr und mehr verzahnenden Perspektiven nicht gewesen, wäre es vermutlich noch etwas weniger spannend gewesen, aber so wollte man wissen, was im anderen Strang los ist. Die Geschichte an sich kommt auf 3,5 Sterne, die dank Tim Gösslers Stimme und Vortrag für das Hörbuch aufgerundet werden, bei dem es dank des Umstands, es „nebenbei“ hören zu können, etwas weniger auf einen permanenten Spannungsbogen ankommt als beim Lesen.