(Österreichische) Filmgeschichte mit Stärken und Schwächen
Nachdem vor einigen Jahren die Kinematographen auf den Markt gekommen sind, träumt Luise davon, den ersten Langspielfilm Österreichs zu drehen. Kein einfaches Unterfangen angesichts der Vorbehalte ihres Mannes gegenüber dem neuen Medium und der Tatsache, dass man ihr als Frau den Erfolg Anfang des 20. Jahrhunderts nicht zutraut.
Über 100 Jahre später hat Marc ganz andere Sorgen. Nach seinem Studium der Filmwissenschaft hatte er eine Anstellung im Filmarchiv in Wien gefunden. Wenn in wenigen Tagen seine Stelle gestrichen wird, wird er arbeitslos sein. Als Marc jedoch von der Existenz längst verloren geglaubter Filme von Louise Kolm erfährt, sieht er seine Chance gekommen, als ernstzunehmender Wissenschaftler einen Job an der Universität zu bekommen. Ob sich die alten Filmrollen nicht längst in ihren Dosen zersetzt haben, kann ihm niemand mit Gewissheit sagen. Marc kann es nur herausfinden, indem er die waghalsige Reise in die Ukraine antritt, wo die frühen Werke österreichischer Filmgeschichte in einem Keller aufgetaucht sein sollen…
„Von Stufe zu Stufe“ ist ein Roman, der in Teilen auf wahren Begebenheiten beruht. In zwei Erzählsträngen, die sich regelmäßig abwechseln, erzählt Felix Kucher ein Stück (österreichischer) Filmgeschichte. Ein Teil des Buches spielt in den Jahren 1906 bis 1909, in denen Louise Kolm, ihr Mann sowie ihr Bediensteter die ersten Versuche mit einem Kinematographen unternehmen. Sie drehen kürzere und längere Filme, müssen Rückschläge hinnehmen, können aber auch Erfolge verbuchen. Der zweite Erzählstrang spielt am Ende des Jahres 2021. Darin berichtet der Ich-Erzähler Marc von seinem drohenden Jobverlust und all dem, was er unternimmt, nachdem er ein Foto sieht, das alte Filmdosen in einem Keller in der Ukraine zeigt.
Beim Lesen – und auch jetzt, da ich die Geschichte beendet habe – hatte ich ambivalente Gefühle zu diesem Buch. So musste ich mich anfangs erst an die Sprache gewöhnen. Diese ist durch einige österreichische Ausdrucksweisen geprägt, die für mich etwas fremd klangen. In dem Teil, der von Louise erzählt, fließt außerdem die Wortwahl des letzten Jahrhunderts ein, sodass z. B. die Mehrzahl von Film als „Films“ gebildet wird.
Streckenweise habe ich zudem sehr mit dem Ich-Erzähler gehadert. Ich habe ihn immer wieder als übergriffig, wenn nicht gar frauenfeindlich empfunden. Obwohl er sich seiner unpassenden Gedanken und Taten teilweise bewusst ist, sich selbst auch als Se*isten betitelt, macht ihn das nicht unbedingt sympathischer.
Gleichzeitig muss ich festhalten, dass der Roman stellenweise einen solchen Sog entwickelt hat, dass ich ihn nicht mehr aus der Hand legen wollte. Vor allem am Ende der Kapitel baut der Autor immer wieder eine solche Spannung auf, dass man förmlich den Atem anhält.
Gut gefallen hat mir auch die Rolle von Louise. Sie ist es, die die Idee entwickelt, einen längeren und vor allem niveauvollen Film zu drehen. Während sie anfangs nur zusehen darf, wie ihr Mann und ihr Angestellter den Kinematographen bedienen, nimmt sie zusehends das Zepter in die Hand und emanzipiert sich. Interessant an dieser Stelle ist, dass ihre Figur auf Luise Fleck zurückgeht, die als zweite Filmregisseurin der Welt in die Geschichte eingegangen ist. Der Film, nach dem das Buch betitelt ist, wurde tatsächlich von ihr und den Personen im Roman gedreht und gilt bis heute als verschollen.
Auch wenn der Film im Buch schließlich gefunden wird und der Ausgang der Geschichte somit ein anderer ist, bildet „Von Stufe zu Stufe“ dennoch ein interessantes Stück den (österreichischen) Filmhistorie ab.