Sie ist zu außergewöhnlich für eine knappe 1LP-Werkschau
Trotz ihrer italienischen Wurzeln und einer streng katholischen Erziehung, die leider auch von Missbrauch handelt, wollte sich Cyndi Lauper nie in engstirnigen Traditionsmustern einsperren lassen. Genre-Hopping und das Ausprobieren neuer Grenzen scheinen zu den Lebensmottos der Künstlerin zu zählen, die seit Anfang der 80er nicht nur kommerziell, sondern auch aktivistisch aktiv ist und sich seit jeher für Frauen- und LGBT+-Rechte stark macht. Die Zusammenstellung LET THE CANARY SING ist ein sehr lebendiges Zeugnis dieses Aktivismus, ein Mix aus bekannten Albumversionen, kürzeren Edits (vermutlich, damit sie die begrenzte Zeit auf einer Plattenseite nicht sprengen) und obskuren Liveversionen. Die Vinyl-LP soll das Wichtigste der gleichnamigen und darüber hinaus augenöffnenden Doku wiederspiegeln. Die essentiellen Gassenhauer GIRLS JUST WANT TO HAVE FUN, SHE BOP, TRUE COLORS, TIME AFTER TIME und I DROVE ALL NIGHT (Anspieltipp), die man allgemein mit dem Namen Cyndi Lauper verbindet, sind natürlich das Herzstück der Mischung dieser außergewöhnlichen Künstlerin. Die Kritik liegt genau in der Mischung, denn für eine Künstlerin solchen Formats, die seit mehr als 40 Jahren Musik macht, ist das einfache Medium einer Single-LP mit nur 13 Nummern viel zu klein. Pop, Rock, Jazz, Blues, Country, es gibt eigentlich keine Gangart, die Lauper nicht spielen kann. Ihre Botschaften? Die handeln von Spaß, Liebe, Trennung, Selbstbefriedigung, Abtreibung und davon, dass Frauen auch ihren Spaß haben möchten. LET THE CANARY SING kann Cyndis bunten Strauß Blumen nur mit einzelnen Blüten andeuten, was regelrecht falsch wirkt (genauso wie das Adjektiv „iconic“ auf dem Aufkleber der Hülle, betont Lauper doch in der korrespondierenden Doku das Wort der gottesgleichen Ikone nicht auf sich beziehen zu wollen). Sony hätte wesentlich mehr von ihr verwurschteln können. Zumindest eine 2. LP hätte drin sein müssen.
Bei all dem Gemecker muss man sich aber eingestehen, dass die schwarze Platte in ihrer recht schmucklosen ungefütterten Innenhülle, welche einige rasterhaft angeordnete Albumcover aus Cyndi Laupers Diskografie ziert, doch echt gut tönen kann. Das Mastering ist durchweg ordentlich und ohne irgendwelche merklichen Lautstärkeunterschiede. Die sehr David-Bowie-artige Liveversion von MONEY CHANGES EVERYTHING, deren waberndes Gitarrenriff sehr an sein TEENAGE WILDLIFE erinnert und auf einen Titel von Laupers Band Blue Angel folgt, könnte man der gleichen Schaffensperiode der röhrenden Sängerin zuordnen, so homogen wie alles klingt. Bei all der Gleichheit hätte man sich stellenweise aber noch ein bisschen mehr Druck gewünscht. Gerade die Aufnahmen aus den 80ern wirken gegenüber deren Originalabmischungen doch eine Spur zu blass. Ein nettes, wenngleich kaum sichtbares Gimmick: Die Innenseite der nicht klappbaren Hülle ist gelb. Das hätten sich viele Fans bestimmt auch von der Vinylfarbe gewünscht, aber nun gut – 4 Sterne.