Ein Ding für sich
An sich stehen Alternative und Indie-Rock Sophie Ellis-Bextor auch ganz gut. Ihre prägnante Stimme kann das, wie sie später auch etwas erfolgreicher in Singles wie CATCH YOU und TODAY’S THE SUN ON US beweisen wird und damit ihrem angestammten Dance- und Electro-Pop zeitweise auch mal den Rücken kehrt. Allerdings ist Mitte/Ende der 90er, als sich die vierköpfige Band theaudience in Großbritannien formiert, alles noch „selfmade“. Hochkarätige Musiker wie Greg Kurstin und Cathy Dennis sind keine Selbstverständlichkeit bei der Mache. Billy Ribbons gilt als Anführer und schreibt (fast) alle Songs. Den großen Melodien aber, die benötigt werden, um Fuß im Musikbusiness zu fassen, bleibt er dabei weitestgehend fern. Somit wird THEAUDIENCE die einzige Platte des Quartetts bleiben. Wenn Ribbons dem Erfolgsdruck standgehalten und die Band nicht verlassen hätte, wer weiß, in welchem Genre die Leadsängerin heute zu Hause wäre? Sophie gedenkt ihrer Anfangszeit jedenfalls, indem sie beispielsweise die Auskopplung A PESSIMIST IS NEVER DISAPPOINTED acapella auf ihren Konzerten singt. Auch sonst verliert sie nie ein schlechtes Wort über ihre Zeit bei theaudience. Ihren sympathischen, jugendlich-naiven Enthusiasmus als eine von Vieren spürt man auch mehr als 25 Jahre später noch. Gerade in den Rockballaden kann sie mit ihrem Timbre strahlen. KEEP IN TOUCH (Anspieltipp) besitzt dann doch so etwas wie eine einprägsame Melodie und hätte als Single ausgekoppelt werden sollen. Frauenstimmen in Bands mit organischem Rockfundament waren zu jener Zeit schwer angesagt, man schaue auf die ruhigeren Nummern von No Doubt, The Cranberries oder auch The Cardigans. Der Rest von THEAUDIENCE, einer um 6 Titel erweiterten Wiederveröffentlichung des Originalalbums von 1998, plätschert etwas vor sich hin. Zwar hat das Werk seine Momente und durch die Stimme von Sophie Ellis-Bextor auch Charakter. Es gibt jedoch wesentlich besseres Liedmaterial für die in London lebende GROOVEJET-Sängerin. Komplettisten, die SEB für sich entdecken, kommen um THEAUDIENCE nicht herum. Interessenten, die sich für Alternative begeistern, der eben anders als SEB nicht den gewöhnlichen Popstrukturen folgt, können genauso aufhorchen, da die Doppel-LP ein Volltreffer geworden ist.
Die dicke Einfachhülle steckt in einem klarsichtigen Klebekuvert, den man sonst eher von Veröffentlichungen aus dem Hause Music on Vinyl kennt. Die beiden Platten selber sind eben und absolut makellos, sowohl press- als auch klangtechnisch. Die insgesamt 20 Titel sind viel aufgeräumter, als man es von ruppigem Indie-Rock mit E-Gitarren und Bass erwarten würde. Die Stimme von SEB ist ganz klar im Center arrangiert, wie es sich auch gehört, während die Instrumente stets klar zu verorten sind. Generell ist die Räumlichkeit zu loben, aber auch die Dynamik (lebendig durch seinen plötzlichen Lautstärkeanstieg: SHOE BOX), wenngleich die D-Seite ab JE SUIS CONTENT wahrscheinlich aufgrund des Quellmaterials auffällig lauter als die restlichen Titel tönt. Dennoch funktionieren die 5 Titel auf allen 4 Plattenseiten prächtig: null unabsichtliche Verzerrungen und eine ordentliche Grundlautstärke, bei der man den Verstärker nicht noch zusätzlich aufdrehen muss. Auf den dickwandigen Innenhüllen aus weicher Pappe (leider ungefüttert) stehen alle Liedtexte. Zusätzlich kommentiert Billy Ribbons die kurze Sturm- und Drangzeit von theaudience nebst einigen Schnappschüssen einer heiter aufgelegten Band.
Ohne Flachs, die vorbildliche Vinylveröffentlichung verschönert das Erforschen von Sophie Ellis-Bextors eher drögen Anfangstagen. THEAUDIENCE ist nach wie vor ein Ding für sich und von unabhängig guter Fertigungsqualität. Die Majorlabels würden das Werk vielleicht schlechter behandeln, weil auf dem Cover noch nicht einmal der bekannte Name der Sängerin steht (und man dazu noch ganz genau hinsehen muss, um in den mädchenhaften Gesichtszügen die vereinnahmende Schönheit von SEB zu erkennen). Gut, dass es sich im Repertoire von Past Night from Glasgow befindet – daher vier Sterne.