Sehr professionell, dabei stets mit hohem Wohlfühl-Charakter und ein gutes Bauchgefühl vermittelnd.
Wie Ted Russell Kamp mir vor längerer Zeit bereits mitteilte, sollte sein neues, das mittlerweile dreizehnte Album, mit dem Titel "Solitaire", am 7.Mai 2021 erscheinen. Und nun ist es endlich soweit. Er führte aus, dass sich die Musik sanfter als sonst darstellen werde, mit dem Akzent auf akustische Instrumente. Diese Art wählte er auch wegen der aktuellen Situation hinsichtlich der Pandemie. Und so hat Ted das Album fast im Alleingang in seinem Studio "The Den" eingespielt. Letztlich sei er auf das Ergebnis recht stolz, und im Grunde genommen auch ein bisschen verunsichert gewesen, eben, weil es durch diesen mehr intimen Charakter auch etwas introvertiert sein könne, im Gegensatz zu seinen üblichen Veröffentlichungen. Nun, in diesem Zusammenhang sollte man jedoch auch auf die beiden seinerzeit "eingeschobenen" Alben “The Low And Lonesome Sound“ und “Flying Solo“ hinweisen, die letztlich auch sehr reduziert und mit intimen Charakter eingespielt wurden. Und - so weist Ted im Übrigen auch darauf hin, dass Folkmusik schon immer einen großen Einfluss auf ihn gehabt habe.
Auf "Solitaire" spielt Ted recht viele Instrumente, nur fehlen dieses Mal eine Trompete und eine Posaune, wie beim letzten Album. Und so ganz allein hat er die Platte auch nicht eingespielt, denn einige Gast-Vokalisten als auch Musiker haben ihren Teil dazu beigetragen, jeweils bei sich zu Hause aufgenommen und dann per E-mail weitergeleitet, aus der Ferne sozusagen, und Ted konnte ihre Anteile insofern hinzumischen. Im Einzelnen sind die Beiträge dem Line-up zu entnehmen.
Also ganz so "Solitaire" ist das Album dann nicht entstanden, "Solitaire" im französischen Sinne (= einsam), oder Solitär als deutscher Begriff (=Einzelgänger). Angesichts der auf der Rückseite des Covers abgedruckten Spielkarten mag der Albumtitel wohl eher darauf verweisen: auf das Karten-Spiel Klondike, das seit Windows 3.0 unter dem Namen "Solitaire" verfügbar ist, und eine Variante der Patiencen darstellt.
Was meint Ted dazu in seiner Eigenkomposition des Titelsongs?
I got something on my mind been trying to find the words,
one leads to the next then they scatter like the birds,
fighting with a feeling like I’m alone inside a maze,
don’t Know what’s in the cards but I been Circling round for days.
I could Try to start again but it won’t get me anywhere.
Either way the game I play is solitaire.
It’s written on your face the trouble on your mind.
Ja, da dreht sich offensichtlich jemand im Kreis, ohne zu wissen, was die Karten aussagen, auch ein Neubeginn wäre offensichtlich sinnlos. Doch der Gesichtsausdruck des Gegenübers signalisiert offensichtlich Ärger, oder? Wie es inhaltlich auch gemeint sein mag, es sind alle Texte, die wiederum sehr gehaltvoll berichten vom alltäglichen Leben und seinen Geschehnissen und Ereignissen, leider nicht abgedruckt in einem vorhandenen Booklet. What I miss the most is the piece of me I left behind. The way back home is the hardest road to find. ("The Hardest Road To Find") I’m looking for a spark a tiny beam of light, a little magic in the dark to get me through the night. ("The Spark")
Die Platte startet mit einem Song, den Ted vor Jahren zusammen mit Micky & Willy Braun von Micky And The Motorcars für deren Album "Hearts From Above" (2014) schrieb. Nun ist das Arrangement sehr reduziert auf Gitarren, Bass, Mandoline, Keyboards, Shaker. So atmet es etwas vom Feeling eines Bluegrass-Songs, sehr locker, leicht und luftig. Sehr ruhig und folkig ist "Path of Least Resistance", bis sich dann mit "You Can Go To Hell, I’m Going To Texas" einer meiner Lieblingssongs vorstellt. Dieses coole kalifornische Westcoast-Feeling mit wunderbarem Country-Einschlag ist absolut betörend und geht unter die Haut. Und gerade der Einsatz der Pedal Steel von John Schreffler ist ein absolut emotionaler Schachzug. Also - lieber nach Texas anstatt in die Hölle? (Ted, willst Du nach Texas umsiedeln?)
Dieser Song ist einer der Ausnahmen in dem zumeist von einem intimen Charakter bestimmten Ausdruck der Stücke. An die Musik von “The Low And Lonesome Sound“ erinnern "As Far As The Eye Can See" und "Only a Broken Heart" mit der Betonung auf den Bass, Letzteres auch inklusive eines kurzen Bass-Solos. "The Hardest Road to Find" ist eines meiner weiteren Lieblings-Songs, nicht nur wegen des Textes, sondern insgesamt strahlt die Musik eine sehr nahe gehende Stimmung aus, im Übrigen ist der Co-Autor Mark Mackay an der E-Gitarre zu hören.
Ein weiterer Co-Autor ist Shane Alexander, der zusammen mit Ted dem Song "Western Wind" einen wehmütigen Charakter verleiht, da passt das Akkordeon ganz wunderbar zur Stimmung. Ed Jurdi (Band Of Heathens) ist beteiligt beim Titel "Exception to the Rule", unter anderem spielt er die Slidegitarre, die mich ganz stark an Passagen von George Harrison erinnert. An einen ganz anderen Musiker erinnert mich der Sound von "Be Your Man". Yeah - da schwingt das Feeling von Tony Joe White durch und die dampfende Atmosphäre der Swamps, auf ganz reduzierte Weise instrumental dargestellt.
Ein eine sehr in sich gekehrte emotionale Stimmung ausdrückender Song ist "A Rose Or Two", mit einem Text, der sich damit beschäftigt, nicht im Gestern zu leben, sondern sich mit dem zu beschäftigen, was man liebt und auch nicht seine Träume aus den Augen zu lassen. Welch' ein wunderschöner Song mit einer kraftvollen Ausstrahlung! In ein ganz vorzügliches Arrangement ist "The Spark" gekleidet, eine alleinige Komposition des Protagonisten, diese Atmosphäre wirkt fesselnd und durch die stets an- und abschwellend Pedal Steel erhält sie etwas Geheimnisvolles, da spüre ich ein wenig etwas vom Klassiker "Ghost Riders In The Sky". Dieser Titel ist für mich der nächste Knaller der Platte, und Ted singt den Song so, als würde er eine ganz wichtige Geschichte erzählen, mit recht viel Dramatik im Ausdruck! Ständig schwelt diese Stimmung und irgendwie wartet man auf irgendeinen Ausbruch.
Bemerkte ich zu Beginn, dass "My Girl Now" ein wenig die Stimmung eines Bluegrass-Songs widerspiegelt, so trifft dieses in noch stärkerem Masse auf den Bonus-Track "Lightning Strikes Twice" zu. Durch das Bass-Fundament und die Auskleidung unter anderem durch das Banjo schwebt die Stimmung förmlich dahin, eine perfekte "Backporch-Atmosphäre". Und so endet die Platte in etwa so, wie sie startete, und hinterlässt einen mehr als guten Eindruck, gerade hinsichtlich der stilistischen Vielfalt und der Umsetzung dessen, was Musiker im Rahmen der Isolation aufgrund der Pandemie leisten können, und das in diesem Falle auf höchstem Niveau und sehr professionell, dabei stets mit hohem Wohlfühl-Charakter und ein gutes Bauchgefühl vermittelnd.
Und so kann ich der Aussage des Print-Magazins "No Depression" nur beipflichten, ist diese doch auf der Rückseite der Verpackung abgedruckt: "...terrific. Ted is a star on the rise." (No Depression) Nun, das versuche ich auch bereits seit Jahren, zu erklären....Ist die Zeit dafür nun endlich gekommen?