Ein weiblicher Peter Pan: Ewig jugendlich, ewig stark
Wie macht sie das bloß? Seit über 20 Jahren ist P!nk im Geschäft und ausnahmslos jedes Album wird zum Erfolg. Selbst mit Mitte 40, wo viele andere weibliche Acts mit Altersdiskriminierung zu kämpfen haben, wird P!nk eben doch noch ziemlich rege im Radio gespielt. TRUSTFALL und NEVER GONNA NOT DANCE AGAIN gehen nach wie vor oft über den Äther und konnten sich auf den vorderen Chartpositionen dieser Welt platzieren. Auch das dazugehörige Album TRUSTFALL und seine erweiterte Touredition mit drei neuen Titeln und einigen Live-Highlights ihrer spektakulären SUMMER CARNIVAL-Tour verbucht nach wie vor beachtliche Absatzzahlen. Vielleicht ist es die positive Aura von P!nk, die sie wie ein weiblicher Peter Pan auf ewig jugendlich erstrahlen lässt... oder eben doch die gute Musik. TRUSTFALL bricht zwar nie aus P!nks bequem gewordenen Muster aus Synth- und Akustik-Pop, Rock und vereinzelten Countrysprenklern aus, ist dabei aber nach wie vor eine krisensichere Sache. Max Martin, der auch schon für die Größten der Größten, u. a. Britney Spears, The Weeknd und Katy Perry arbeitete, produziert das Teil mit glänzender, nicht aneckender Pop-Politur. Alecia Moore, wie P!nk im wahren Leben heißt, werkelt immer an den Texten mit. Trivialer Mainstream ist das nicht, sondern etwas mit Herz und Verstand. Es geht um Liebe, Verlust und wie immer auch um die Stärkung des Selbstbewusstseins, weil die Menschen einen gerne unterschätzen (toll: IRRELEVANT, ein Lied, das eben genau das Gegenteil des Titelnamens offeriert). Als gestandene Powerfrau nimmt die Allgemeinheit P!nk auch wahr. Alles, was sie seit ihrem Album MISSUNDAZSTOOD von 2001 zu erzählen hat, wirkt authentisch. So reiht sich auch TRUSTFALL in die Reihe von P!nk-LPs mit innerer Größe ein, diesmal mit Anleihen an 70s-Blondie (NEVER GONNA NOT DANCE AGAIN), 80s-Olivia-Newton-John (RUNAWAY) und dem insgesamt tanzbarstem Output von P!nks Karriere.
Das erweiterte Format der TOUR DELUXE EDITION mit einer zweiten LP kommt (mit der Chance auf ein mittlerweile abgelaufenes Gewinnspiel um P!nk-Tickets) im klappbaren Gatefold mit glänzendem Schriftzug und in billigen schwarzen Papierinnenhüllen ohne Fütterung. Ein wunderschönes Booklet in Plattengröße befindet sich inmitten der Klapphülle und wurde mit dem gleichen Foliendruck des Covers ausgestattet. Es merzt die Billo-Sleeves aus und präsentiert alle 13 Songtexte von TRUSTFALL sowie Fotos der laufenden Tournee. Das leicht wellige, aber weitestgehend störungsfrei laufende Vinyl erstrahlt einmal fliederfarben (LP1) und ein anderes Mal lila (LP2) und passt gut zum Himmel, der auf dem Cover zu sehen ist. Leider hört sich gerade die erste Platte des Sets, also das Hauptalbum, nicht besonders gut an. Bei 6 bzw. 7 Titeln pro Seite hat man so ziemlich alles ausgereizt, was man dem Analoggut zumuten kann. Man muss also herbe Kompromisse in der Klarheit des gezeichneten Klangbildes hinnehmen. Die letzten Tracks der beiden Seiten wirken rissig. P!nks Stimme übersteuert und hat viele ungeglättete scharfe S-Laute, während die Instrumente zunehmend in einem undifferenzierbaren Brei verkommen. Ganz anders ist es bei den Bonustracks auf der lilafarbenen LP. Die Grundlautstärke ist höher, der Bass wesentlich fetter (beachtlich: DREAMING mit Sting) und die Dynamik, welche Musik ausmacht, einfach feiner ausgearbeitet. Insgesamt ist man mit dem Streaming wohl besser bedient, aber dafür sieht P!nks TRUSTFALL (TOUR EDITION) als 12 Zoll großes Souvenir ihrer SUMMER CARNIVAL-Tour doch recht hübsch aus - vier Sterne, gerade weil die 2. LP nicht so zugeknallt wurde und einigermaßen das hergibt, was man vom Format der Vinyl-LP erwartet.