Fesselndes Musikdrama
Wieder ein Dokument einer lange vergangenen Opernsternstunde und ein beredtes Plädoyer für Aufführungen in der Muttersprache der Sänger!
Glanzpunkt ist Hans Hotters phänomenale Darstellung des Boris Godunow auf dem Zenit seiner stimmlichen Möglichkeiten und darstellerischen Fähigkeiten im Alter von 48 Jahren. Packender und intensiver ist die Partie nicht singbar: Ludwig Weber hat 1938 ein ähnlich gelungenes Porträt gestaltet, aber er klingt etwas zu jung und vital (er zählte damals 39 Lenze) und setzt z. T. in der Nachfolge Chaljapins in der Sterbeszene auf außergesangliche Mittel. Christoff und Chaljapin haben auf gleich hohem darstellerischen Niveau gesungen, sind z. T. stimmgewaltiger und dunkler (aber mit histrionischen Effekten, die auch ihren Reiz haben), aber man muss Hotters Gestaltung der Phrase: "Oh Gott vergib mir meine Schuld! Oh graus`ger Tod - wie quälst du doch entsetzlich!" gehört haben - ergreifender und erschütternder kann man das nicht singen - ich betone: singen!
Die übrige Besetzung ist auf höchstem Niveau: Kim Borg ist ein eindrucksvoller Pimen, Kurt Böhmes Warlaam ist grandios und Hans Hopf singt den Dimitri umwerfend. Martha Mödls Marina hat viel von einer Lady Macbeth.
Eugen Jochums Dirigat ist stimmig und verbreitet "russisches Flair" und packende Dramatik.
Insgesamt eine erstklassige Aufnahme - schade nur, dass es keine Gesamtaufnahme ist.
Und erneut zeigt sich, wie für die Sänger eine packende Darstellung ihrer Partien vor allem dann gelingt, wenn sie in ihrer Muttersprache sich perfekt artikulieren können. Dem heutigen internationalen "Sängerzirkus" gelingt so etwas schon seit Jahrzehnten nicht mehr.