Loupe liefern den Soundtrack für den Sommer. Die Musik wird aber auch die Stimmung in den dunklen Tagen aufhellen.
Jedes Jahr hat seine Sommer-Hits. Wobei damit natürlich nicht irgendwelche abstoßend-widerlichen Ballermann-Mitgröhl-Schlager gemeint sind, sondern gepflegte Unterhaltung, die leicht und luftig die Seele streichelt. 2023 kann Loupe diese Funktion übernehmen, denn "Do You Ever Wonder What Comes Next?" vermittelt die gewünschten Qualitäten und macht unter Umständen einen Tag mit unangenehmen Eindrücken zu einem freundlichen Tag. Um den positiv gestimmten Zweck zu erfüllen, simuliert das Rhythmus-Gerüst von Annemarie van der Born am Schlagzeug und Lana Kooper am Bass eine stimulierende Bewegung. Das trägt außerdem dazu bei, den gewünschten Herzschlag-Takt zu erzeugen, der jeden Song leicht und locker oder energisch und stramm begleitet. Zusammen mit der E-Gitarre von Jasmine van der Waals, die stets zupackend, aber nie protzig klingt, ergibt sich ein flexibles Klangbild voller geschmackvoll-delikater Färbungen.
Loupe ist ein erfrischend agiles Frauen-Quartett aus Amsterdam, das sofort durch die Sängerin und Keyboarderin Julia Korthouwer auffällt, weil ihr Gesang einerseits unschuldig, andererseits aber auch erfahren wirkt. Die jugendlich strahlende Stimme besitzt nämlich neben Feingliedrigkeit auch Tiefgang. Diese Möglichkeiten setzt die Niederländerin geschickt ein, um den Songs eine dynamische Komponente einzuhauchen.
Dreizehn abwechslungsreiche Lieder haben die vier Damen für ihr Debüt-Album zusammengetragen: Die Percussion schnarrt aufreizend, Gitarre und Bass vereinen sich zum fantasievollen Liebesspiel und Jasmine van der Waals vermittelt durch ihren freudig-optimistischen Ausdruck bei "I Keep Changing" ungehemmte Lebensfreude.
Der Pop-Funk von "Caught In The Moment", "Lonely Dance" und "I Get It Now" durchlebt nur wenige holprige Break-Beat-Passagen, dafür aber viele harmonische Momente, wobei dann auch der Gesang himmelwärts strebt und die Stücke siegesbewusst aufblühen lässt.
Die unverdrossene, selbstbewusst-schwungvolle Grundhaltung der Girl-Groups vom Motown-Label, wie The Supremes ("Baby Love"), The Marvelettes ("The Hunter Gets Captured By The Game") oder Martha & The Vandellas ("Dancing In The Street") prägt die Stimmung von "So Far So Good". Der Titel weist musikalisch jedoch eher in Richtung New Wave und da auf solch herausfordernde Formationen wie Martha & The Muffins ("Echo Beach") oder The Soft Boys ("Underwater Moonlight").
"My Hands" entpuppt sich temporär als Wolf im Schafspelz: Umgarnt der Song die Sinne grundsätzlich leicht und verführerisch, so sprechen die schroff tönenden E-Gitarren zwischendurch eine ganz andere Sprache: Wilde Leidenschaft und schreiender Zorn lassen die Stimmung kurz aufkochen, sodass sich die Gemütslage neu ordnen muss, um die Welt wieder ausgeglichen erscheinen zu lassen.
Eine träumerische und eine hymnische Komponente vereint "When It All Comes Back" zu einem sensiblen und stürmischen Pop-Song mit Hit-Potenzial.
Psychedelisch züngelnd und mit bedrohlichen Dark-Wave-Mustern versehen trotzt "Warning Sign" allen Versuchen, nur als lieblich und gut gelaunt durchzugehen.
Folk-Rock im Loupe-Stil hört sich nachdenklich, gelassen, mysteriös und raffiniert an, wie "Boat Flight" verdeutlicht.
Unschuldig, leichtfüßig, von Sonne durchflutet zeigt "It’s Getting Wild, Getting Older" dann durchgehend eine heitere, unbeschwerte Seite.
Die E-Gitarre klackt und klickt für "Catch My Swing" aufgeregt-lustvoll und der Gesang steigert sich unterdessen von unauffällig-mitteilend über anschmiegsam-wohlig bis hin zu euphorisch-freudvoll. Eine überwiegend rauschend-sphärisch gestaltete Phase schließt das von einer verschiedenartigen Rhythmik gestaltete Lied zum Schluss herausfordernd ab.
Wenn Underground-Folk-Zurückhaltung auf Disco-Coolness und Alternative-Rock-Aufbegehren trifft, dann kann daraus sowas wie "Holding Me Too Tight" entstehen.
Hinterlässt "Vortex" zunächst noch einen unspektakulären Eindruck, so nimmt das Stück nach mehreren Anläufen Fahrt auf und macht seinem Namen Ehre: Die Musikerinnen erzeugen nämlich einen besonnen zirkulierenden instrumentalen Wirbel, der unterschiedliche Tempi annimmt und den Song auf diese Weise allmählich doch noch attraktiv werden lässt.
Viele Texte drehen sich darum, inmitten all der Hektik etwas zu finden, woran man sich festhalten kann, lässt Julia Korthouwer wissen. "Do You Ever Wonder What Comes Next?" dient also nicht nur als beflügelnder Begleiter durch die Zeit, sondern vermittelt direkt und unterschwellig philosophische Grundsätze einer individuellen Lebensart, wobei es inhaltlich um die Bewältigung der Gegenwart und der Abschätzung der zukünftigen Möglichkeiten und Gefahren geht. Das Album ist also ein schönes Beispiel dafür, wie Unterhaltung zugleich unverkrampft und niveauvoll sein kann.