Harrison Storm beschwört mit schmerzhafter Sensibilität und rhythmisch aufmunternden Lichtblicken die heilenden Kräfte von Klängen.
Über fünf EPs hinweg, die zwischen 2015 und 2022 veröffentlicht wurden, hat der australische Singer-Songwriter Harrison Storm seine Verletzlichkeit kultiviert, bis er nun am 12. Januar 2024 sein erstes vollständiges Album "Wonder, Won`t You?" herausbringen konnte. In zehn Songs breitet er seine Vorstellungen von der Liebe und seine Innenansichten aus und musiziert dazu gefühl- und geschmackvoll im Sinne eines nachdenklichen Troubadours, der Harmonie und Eigenart zu einer innigen Kompositionsstruktur zusammenschweißt.
Der Opener "Warm A Cold Heart" gibt die grobe Richtung vor. Der liebliche, melodische Pop-Song bezieht seine Seriosität aus minimalistisch ausgerichteten rhythmischen Strukturen in Verbindung mit einer wirklich herzerwärmenden, sympathischen Stimme. Wie aus dem Song-Titel hervorgeht, führt der akustische Kontrast aus herzlicher Zuneigung und kalter Abneigung zu einer kreativen Reibung, bei der die Empathie als Sieger hervorgeht. Die Kernaussage des Stückes ist: "Alles, was ich von der Liebe wissen will, ist, wie man ein kaltes Herz erwärmt."
"Stone" setzt dieses Konzept fort, gleitet durch den Falsett-Gesang jedoch ins Kitschige ab, verlässt also die authentische, melancholisch-süße Basis des Vorgängers. Manchmal ist es eben nur ein kleiner Schritt zwischen ehrlicher Ergriffenheit und aufgesetzter Anteilnahme. Inhaltlich geht es währenddessen um Zweifel in einer Beziehung, die zum Bruch führen.
Genau umgekehrt verhält es sich mit "My Way Home": Die Partnerschaft verleiht in diesem Beispiel Sicherheit. "Wenn ich ehrlich bin, ist diese Liebe der Flug, den ich wollte. Und ich weiß, dass sie uns überall hinbringen könnte, wo wir hinwollen", berichtet der Protagonist voller Überzeugung. Qualitativ hat sich der Künstler wieder gefangen und erfindet ein Tongespinst aus elektronischen und akustischen Tönen, das als filigran und auch als versponnen bezeichnet werden kann.
Unter den Namen "Daylight Sun", "In Good Time" und "Better With You" gibt Harrison Storm Folk-Songs zum Besten, die sich sowohl an die Intimität von Nick Drake als auch an die Lässigkeit des Soft-Rocks der Pousette-Dart Band und an die Verspieltheit solcher Folktronica-Acts wie Fink anlehnen.
Bei "This Love" steht eine aktive, schwungvoll swingende rhythmische Komponente im Mittelpunkt, die der Nachdenklichkeit im Gesang entgegenwirkt. Auf diese Weise gerät der Song zu einem griffigen, kultivierten Ohrwurm mit Langzeitwirkung. Das Lied beschreibt "die blinde Anziehungskraft, die eine neue romantische Verbindung auf dich ausüben kann."
"Life Ain't Ordinary" badet in Selbstmitleid und Tristesse, durchschreitet dabei einige Jammertäler, ohne zu guter Letzt Licht am Ende des Tunnels zu signalisieren. "Versuche, das Licht zu finden. Stolpere vorwärts, wenn die Beine schwer sind", heißt es ermutigend. Und wieder fällt in der poetischen Ausgestaltung der Begriff "Zuhause", der bei Harrison als Synonym für Geborgenheit und Zielerreichung verwendet wird. Harmonie ist ihm also wichtiger als Abenteuerlust.
Für "The Wind And The Wild" singt Harrison mit sich selbst im Duett: Seine hohe Stimmlage ist dabei prominent im Vordergrund vertreten und ein tiefer Zwillings-Gesang sorgt genauso wie zartes Synthesizer-Schwirren für angenehmes Grummeln im Hintergrund. Der schleppende Takt wird dabei manchmal durch lässige Piano-Akkorde und knurrende Bass-Töne angereichert.
Überlegene Coolness, spritzige Raffinesse und eine romantisch-sinnliche Melodik machen "Tomorrow" aus. Damit erinnert das Stück an die ebenso gelagerten, eleganten und sinnlichen Glanzstücke von Junip, dem Projekt von José González. Bei dem Track "... geht darum, sich von der Realität nicht unterkriegen zu lassen, sondern sie zu akzeptieren und mit ihr zu leben".
Harrison Storm mag es lieber leise als laut. Er wirkt introvertiert und legt Wert auf kontrastreiche Instrumentierungen und aussagekräftige Texte. Dass er sich dabei musikalisch in einem relativ engen, festgelegten Rahmen bewegt, stört nicht unbedingt - sofern man keinen stark abweichenden Sound pro Lied erwartet. Homogenität ist hier Trumpf, Vielseitigkeit würde die intime Stimmung wahrscheinlich ohnehin nur unnötig stören oder aushebeln.
Der Musiker erklärt seine Kunst so: "Für mich hat Musik viel mit Selbsterkenntnis und Ehrlichkeit zu tun. Meine Geschichten beschäftigen sich viel mit mir, aber auch mit dem Versuch, eine Verbindung zur Welt herzustellen. Als ich aufwuchs, konnte ich nie wirklich meinen Platz finden oder mich einfügen - und das liegt daran, dass ich übermäßig sensibel bin, was meiner Meinung nach eine gute Sache ist. Wenn ich einen Song schreibe, hilft es mir zu erkennen, dass all diese Emotionen und Erkenntnisse einfach Teil der menschlichen Erfahrung sind, und dass es okay ist, diese schweren und introspektiven Gedanken zu haben".
Deshalb sollte man den Titel "Wonder, Won`t You?" hinsichtlich seiner eigensinnig-introvertierten Bedeutung ernst nehmen: Bitte nicht wundern, wenn hier jemand unbeeindruckt von marketingtechnischen Kalkülen seinen individuellen, kompakten Weg geht. Zum perfekten Entertainment fehlt nur noch etwas Feinschliff im Hinblick auf einen insgesamt ungekünstelten Ausdruck. Dann kann vielleicht schon das nächste Werk vollständig überzeugen und zum introvertierten Singer-Songwriter-Klassiker werden!