In der Blüte ihres Lebens: Bestes Album 2024 eines "Legacy-Acts"
Man kann Gwen Stefani Einiges vorwerfen, aber nicht, dass all ihre Alben gleich klingen. Das Debüt LOVE.ANGEL.MUSIC.BABY lässt 2004 noch viel vom Arenarock ihrer Zeit bei No Doubt nachhallen, THE SWEET ESCAPE verliert sich 2 Jahre später im damals so feschen R&B-Sound der Marke Pharrell Williams. Zwischendurch folgen eine Weihnachtsplatte und ein Hybrid aus dem Dagewesenen - das bei vielen Kritikern durchgefallene THIS IS WHAT THE TRUTH FEELS LIKE, das 2016 trotzdem seine Momente hatte. 20 Jahre nach ihrem ersten Solowerk reiht sich mit BOUQUET nun auch Country-Pop in Stefanis erlesene Diskographie ein. Dass sie älter geworden ist, merkt man ihr nur wegen der stark nach innen gerichteten Liedtexte an. 9 von ihnen nennen sie als Co-Autorin, ALL YOUR FAULT hingegen stammt gänzlich von der sehr erfahrenen Schreiberin Diane Warren. Stimmlich wirkt Gwen Stefani wie eh und je. Die Jahre scheinen an ihr abgeprallt zu sein wie frühlingshaftes Tauwasser auf frisch gemähtem Rasen. Nichts trübt die Klangfarbe ihrer besonderen Stimme, die man aus 100 wiedererkennen würde, wenn jetzt nicht Laura Pergolizzi alias LP unter diesen 100 ist. Wie Gwen jedenfalls in SOMEBODY ELSE'S zu unglaublich retroresken 2000er-Rockgitarren im Stil von Shania Twain oder den Corrs über die Liebschaft zu einem bereits Vergebenen säuselt und als gestärkte Frau aus dieser eigentlich traurigen Lektion fürs Leben herausgeht, berührt genauso wie die unglaublich schöne, dabei überraschend schnörkellos-kitschfreie Liebeserklärung zu (und mit) ihrem Ehemann Blake Shelton in PURPLE IRISES (Anspieltipp). BOUQUET ist das reinste Blumenbeet und mit allerhand ansehnlichen Blüten, die nicht so schnell verwelken und uns nicht unbedingt durch ihre Vielfalt, sondern durch ihre profane Schönheit gefallen. BOUQUET ist perfekt aufeinander abgestimmter Country-Pop mit kleineren Rockmomenten, 10 kurzweilige Titel ohne den Anspruch auf Effekthascherei zu erheben. Anders als es bei den neusten Werken anderer "Legacy-Acts" wie Kylie Minogue oder Nelly Furtado der Fall ist, folgen die Stücke nicht dem Hyperpop-Trend der TikTok-Generation von knackig-kurzen (Streaming-)Songs, die kaum die 2-Minuten-Marke knacken, sondern geben sich den ihnen gebührenden Raum zum Erblühen. Der Output von Gwen Stefani wirkt dadurch eine Spur bescheidener, sympathischer und in keinster Form gehetzt, zumal sie der hyperjungen Hörerschaft, die mitunter mit dem Titelnamen DON'T SPEAK kaum etwas anfangen kann, nichts beweisen muss. Von BOUQUET wird Stefani jetzt keine Massen verkaufen, das ist klar. Nichtsdestotrotz ist es bleibende Musik und gilt vielleicht in einigen Jahren als ihr bestes Album, weil es so schön in sich geschlossen ist und ein Nischenpublikum ihrer ebenfalls älter gewordenen Fans bedient. 10 ausgewählte Lieder, die ein Beispiel abgeben, wie man die Kraft für alle Herausforderungen im Leben am besten aus sich selbst schöpft - und dabei immer ein bisschen an sich wächst wie eine Pflanze das tut.
Das in Deutschland exklusiv bei jpc erhältliche "Orchid Vinyl" erinnert farblich an Rotwein, ohne so durchscheinend zu sein. Es enthält als Extra ein Faltposter, das so groß wie zwei LP-Cover ist. Das Cover mit dem verglichen zur Standardausgabe alternativem Titelbild kann man ebenso aufklappen und präsentiert im Inneren ein weiteres schönes Foto der Sängerin und ihre persönliche Widmung, der den Inhalt von BOUQUET betrifft. Die Liedtexte hat man auf dem mehrseitigen Einleger abgedruckt, während die Produktionsnotizen auf der ungefütterten Innenhülle stehen. Klanglich gibt es nichts auszusetzen, zumal man die beiden Plattenseiten nicht bis zum Bersten mit Musik gefüllt hat. Deshalb können die 5 Stücke pro Seite ordentlich atmen. Kurz und schmerzlos 5 Sterne, ganz klar.