Ja, das Wort „ungewöhnlich“ wird erneut groß geschrieben bei der Gestaltung der Musik
Vor zwei Jahren hatte ich die Veröffentlichung “ Sommarens Sista Suck“ des schwedischen Trios Epidot vorgestellt. Damals hatte ich bereits darauf verwiesen, dass mir der Gitarrist Erik Ivarsson als Mitmusiker einer Platte von Sue Sergel positiv aufgefallen war. Daraufhin hatte ich das Vergnügen, die eingangs erwähnte CD zur Rezension zu erhalten. Mit dem Bassisten Adam Lindblom und dem Schlagzeuger Johan Horner hat sich hier das gleiche Trio versammelt, nur ist dieses Mal ein Gast mit an Bord.
Und erneut ist es Musiker und Produzent Ivarsson, der den Sound der Band wesentlich prägt durch sein eigenwilliges Gitarrenspiel, dass ihn ausweist als sehr individuellen Musiker mit eigenem Ausdruck, und letztlich färbt das ab auf den Gesamtsound der Band. Und dieser rekrutiert sich abermals aus mannigfaltigen Elementen und Grundlagen, Gitarrenmusik der Sixties, hier und da ein Schuss Psychedelic, aber auch immer wieder Jazz-Elemente, dazu Annäherungen an Surfmusik, Klangassoziationen zu Bands wie The Ventures und auch, und das ist das für mich Wesentliche, mich erinnert Ivarsson immer stärker an Terje Rypdal. Und da dieser sich relativ rar gemacht hat mit seinem so speziellen Sound, bin ich froh darüber, dass hier möglicherweise ein neuer Star heranwächst, der sich gottlob nicht in den großen Topf der Gleichförmigkeit und Anpassung werfen lässt und sich durch eigene Klangideen Gehör verschafft.
Ein Manko mag sein, dass erneut alles instrumental ist und keine Songs mit Texten enthalten sind, insofern kommt es auf den hohen Grad der Individualität an, der Epidot in eine andere Schublade passen lässt, eine, die gern von Musikliebhabern aufgezogen wird, die das Besondere lieben. Das dürfte angesichts der komplizierten Musik, die wahrlich nicht oberflächlich und einfach zu konsumieren ist, dazu führen, dass der große Erfolg noch lange auf sich warten lassen könnte, solange sich nicht eine bestimmte Richtung kanalisieren ließe.
Vielleicht mag es auch daran liegen, dass Erik Ivarsson in verschiedenen Richtungen aktiv war/ist, von Arvid Nero über Elina Ryd hin zur Bluesband Black Cat Bone, sowie die Band Parallel Activity. Und so mischt sich wie selbstverständlich früher progressiver Rock mit dem Rock von Powertrios der Sechziger mit dem Sound der Shadows oder der Ventures, mit Jazz und Improvisation und rauen ungehobelt wirkenden Elementen. Erneut begleiten ihn Lindblom und Horner einfühlsam und mehr als nur unterstützend, sondern prägen mit ihren Beiträgen die Songs entscheidend mit.
Die Einspielung der Platte erfolgte im Beard Sound Studio, Gothenburg, am 27. und 28. November 2017 und wurde von der Band selbst produziert. Mit der norddeutschen Stadt Bremen hat es also nichts zu tun, da man vermuten könnte, die Platte sei dort, im Studio oder live, entstanden. Aber letztlich ist Bremen doch involviert, denn wie Erik mir mitteilte, bedeutet "Vilse i Bremen" in etwa so viel wie “Lost in Bremen“. Und vor einigen Jahren war es, dass er sich tatsächlich in Bremen verlief, “really lost“ war, und das kurz vor einem Gig. Als man an den Titeln für das aktuelle Album arbeitete, kam ihm dieses Ereignis wieder in den Sinn und wurde somit verwirklicht, gleich als Plattentitel.
Ja, das Wort „ungewöhnlich“ wird erneut groß geschrieben bei der Gestaltung der Musik. Die wilde Einleitung, das “Intro“, fliegt so dahin und könnte sicher auf Jazz der besonderen Art verweisen. Und nach Jazz klingt es weiter mit dem zweiten Song, “Bland flammor och rök hördes gamens ekande skratt“ lebt von der swingenden Rhythmusarbeit des Schlagzeugers, dazu ein gestrichener Bass, die Musik wirkt wie eine Einspielung auf dem Label ECM aus den Siebzigern, hier klingt es ganz stark (nicht nur) nach Rypdal, sondern auch generell nach dem entdeckungsfreudigem und forschenden Sound jener Tage, Manfred Eicher möge sein Augenmerk auf die Band richten!
Einige Assoziationen in Verbindung mit anderen Songs: “Hövdingens sista vila“ (Jimi Hendrix meets the Ventures oder The Surfaris), “Den nakna ryttaren“ (The Byrds‘ “Eight Miles High“ meets Surf-Funk(????), dazu jazzige Vibrafonklänge, “Vilse i Bremen“, der Titelsong packt die Surfmusik erneut an und verfrachtet sie in coole raue Jazz-Fusion der Früh-Siebziger, ein Fünkchen Weather Report dazu (geht so etwas???). Zum Schluss wird es dann rockig, “På flykt från Pensionat sista tiden“ macht mächtig Druck und fließt dann plötzlich nach knapp einer Minute über in einen schleppenden Balladen-Modus, der gestrichene Bass schleust eine gewisse Note kammermusikalischen Jazz‘ ein. Dann rockt es weiter und ich bin erneut mitten drin im musikalischen Kosmos von Terje Rypdal, hier stecke ich gedanklich in der Platte “Bleak House“ aus 1968. Und so geht es mir laufend, es ist schwierig, eine Schublade für diese sich ständig verändernde Musik zu finden. Mit "Vilse i Bremen" ist Epidot ein großer Schritt nach vorn gelungen. So kann ich nur noch inständig hoffen, dass man rasch auf die großen Qualitäten dieser Band aufmerksam werden möge, ich werde kräftig die Werbetrommel rühren!
Line-up:
Erik Ivarsson (6 and 12 string electric and acoustic guitars, baritone guitar, lap steel and voice)
Adam Lindblom (double bass and voice)
Johan Horner (drums, percussion and voice)
Special guest: Johan Håkansson (vibraphone - #4, 6, 8, percussion - #4, 6, voice)
Tracklist:
1 Vilse i Bremen – Intro
2 Bland flammor och rök hördes gamens ekande skratt
3 Hövdingens sista vila
4 Dansa i underjorden
5 De kommo vandrande en stjärnklar natt
6 Den nakna ryttaren
7 Vilse i Bremen
8 I svampkonungens rike
9 På flykt från Pensionat sista tiden