Und Cuby hat man hiermit ein würdiges posthumes Abschiedsgeschenk und eine gute Würdigung spendiert.
Ach, war das aufregend, als ich 1969 das erste Mal eine Platte von Cuby + Blizzards in Händen hielt - das war "Appleknocker's Flophouse". Das war Grund genug, im niederländischen Groningen weiter zu forschen, der Plattenladen "Hemmes" war mein Anlaufpunkt, um zunächst einmal alle anderen, seit 1966 erschienenen Langspielplatten nachzukaufen.
Und doch war da etwas anders. Gut, neben Cuby's (= Harry Muskee) markanter Stimme fesselte mich sofort dieses brillante Gitarrenspiel von Eelco Gelling, seit jener Zeit einer meiner Lieblingsgitarristen! Und der war ja auch von Anfang an dabei. Doch die übrige Band hatte sich verändert. Helmig van der Vegt an den Keyboards, Herman Deinum am Bass und Hans Lafaille am Schlagzeug bildeten eine völlig neue Ausrichtung mit ihrem sehr ausgeprägtem Spiel mit Blues- Rock- und Jazz-Ausrichtung, sehr flexibel und anpassungsfähig. Mit "Sometimes" aus 1972 war das schon wieder vorbei und die Band, auch solistisch, orientierte sich neu.
Erst mit "Dancing Bear" (2000) waren die drei Genannten wieder an Bord und blieben dort auch fortan. Nur "mein Eelco" war nicht mehr dabei und wurde durch Erwin Java ersetzt. Ja, das war für mich sehr traurig. Und letztlich konnte Erwin diese Lücke auch nicht mehr füllen, letztlich präsentierte er jedoch im Laufe der Jahre seinen eigenen Stil und wurde ein wichtiges Mitglied der Formation.
Zehn Jahre nach dem Tod von Harry Muskee, am 26. September 2011 verstorben, präsentiert die "Cuby + Blizzards Foundation" die allerletzte Zugabe der legendären Blues-Band. Der Toningenieur Ed Roose hat sich in seinen Archiven vertieft und ein denkwürdiges Live-Doppel-Album herausgebracht, benannt nach dem Ort in den Niederlanden, wo alles begann - "Grolloo Blues".
Und wir können uns auf eine Reise begeben, die uns hinsichtlich der Titel durch die Geschichte der Band leitet. Klar - dass solche wichtigen Songs wie "Distant Smile", das stets berührende "Somebody Will Know Someday", "Window Of My Eyes", "Too Blind To See" nicht fehlen dürfen. Aber auch aus der Spätphase der Band hört man Songs, wie zum Beispiel "Dancing Bear", und dazu noch Interpretationen des einen oder anderen Bluesklassikers, wie "The Sky Is Crying" (Elmore James), "Mean Black Snake" (John Lee Hooker) oder "Rambling On My Mind" (Robert Johnson).
Die Songs stammen aus Konzerten, die zwischen 2000 und 2011 stattfanden. Trotz der elf Jahre Unterschied wirkt das Ganze wie ein einziges Konzert, und das alles in sehr guter Klangqualität. Neben der Stammband gibt es auf einigen Titeln noch eine Horn-Section zu hören. Die Band spielt absolut professionell, der Blues wirkt sehr authentisch, aber eben mit dieser typischen Färbung, wie man sie von Cuby + Blizzards kennt. Harry's Stimme ist gealtert, sicher, aber stark wie immer, und bei den frühen Songs, die teilweise auch noch von Eelco Gelling mitkomponiert wurden, zeigt Erwin Java mit großem Einfühlungsvermögen, wie er sie ganz im Ausdruck der ehemaligen Originale interpretiert, ein wenig von Eelco kann man heraushören, aber mit Erwin's persönlichem Anstrich.
Im Verhältnis zu heutigen Ausprägungen von bleichgesichtigem Blues klingt das Meiste dieser Aufnahmen sicher altbacken und bringt auch nichts Neues auf den Plan. Aber genau das hätte ich auch nicht erwartet. Wer von Cuby das erwartet, was man erwarten kann, bekommt genau das serviert, und das in sehr lockerem und lässigem Ambiente. "Somebody Will Know Someday" - da ist es endlich, ein Song, der schon lange zu meinen persönlichen Favoriten zählt. Und hier wird er mit genau jener Inbrunst vorgestellt, wie er einst 1967 auf "Groeten Uit Grollo" präsentiert wurde. Die Komposition von Muskee/Gelling weist einen hohen Grad an Dramatik auf. Damals spielte Herman Brood das Piano, und Gelling steuerte ein emotionales Solo bei. Dieses Mal löst sich der Song nach gut zwei Minuten auf und nimmt eine ganz andere Wendung. Van der Vegt wechselt zum elektronischen Keyboard nach der Piano-Einleitung und zusammen mit einem Trompetensolo von Peter van Soest bringen die beiden Instrumentalisten den Song in eine ganz andere Ecke, mit dezent jazzigem Einschlag. Eine wunderschöne Version, mal ganz anders.
Der längste Song mit 9:53 Minuten Spielzeit ist der Klassiker "Too Blind Too See", der die CD 2 eröffnet. Das schnurrende Bass-Spiel von Herman Deinum weist noch immer den gleichen voluminösen Sound auf wie einst. Van der Vegt legt einen watteweichen Keyboardsound drüber und brilliert durch ein cooles Piano-Solo, auch mit jazzigem Anstrich. Und dann darf auch Erwin Java zeigen, dass er ein einfallsreicher Gitarrist ist, hier mit einem längeren Solo, in dem er sich langsam steigert. Ja, diese Formation der Band hat es verstanden, die verschiedenen Spielarten der Musiker unter einen Hut zu bringen. So betritt man mit "If You Were An Alien" wiederum ein anderes Terrain und präsentiert einen Song, der Rock- und Fusion-Elemente gut miteinander verbindet.
Mit einem neueren Titel der aktuellen Formation der Band, geschrieben von allen fünf Bandmitgliedern, "Once In A Lifetime", werden wir im Balladen-Modus angenehm verabschiedet. Ja, das ist eigentlich kein Blues mehr in dem Sinne, wie die Band einst startete, doch dieser Pfad wurde ja bereits früh, 1971 mit dem Album "Simple Man", beschritten und zeugt von der Vielseitigkeit und Wichtigkeit der Band für die niederländische Musikszene. Und Cuby hat man hiermit ein würdiges posthumes Abschiedsgeschenk und eine gute Würdigung spendiert.
Harry Muskee (vocals)
Erwin Java (guitar)
Helmig van der Vegt (piano & organ)
Herman Deinum (bass guitar)
Hans Lafaille (drums)
Horns:
Miklós Fürst
Bert Pfeiffer
Peter van Soest
Wouter Schueler
Rini Swinkels
Peter Lieberom