Ein erdiges zeitloses gut abgehangenes Alterswerk
Als ich "Sleepless" das erste Mal hörte, wurde ich an die großen Singer/Songwriter Alben der frühen 70er Jahre erinnert. Die Reife und Intimität solcher Künstler wie Neil Young, Van Morrison, Ry Cooder oder Jackson Browne spiegeln sich in diesem Werk. Der ehemalige Sänger der "J. Geils Band" hat ein durchdachtes Album mit Sinn für Details konzipiert. Jeder Song hat seine persönliche Bedeutung, die im Booklet beschrieben wird. Man merkt in jeder Sekunde, dass hier Herzblut drin steckt. Die Idee zum Lied "Growin` Pain" kam Peter Wolf nach einem Treffen mit dem legendären Songwriter Harlan Howard, bei dem sie über die Seelenlage bei gebrochenen Herzen philosophierten. Der Song wird in einen entspannten Rhythmus gekleidet, mit schönen Verzierungen von Orgel und Mandoline. Zu "Nothing but the wheel" hat Peter notiert, dies könne auch ein Track von "Exile on main street" der Rolling Stones sein. Der Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass der Duettpartner hier Mick Jagger heißt. Bei der Ballade "A lot of good ones gone" musste Mr. Wolf an seinen Mentor John Lee Hooker denken. Er ist heute noch glücklich, dass er die Bühne mit den Bluesgrößen Muddy Waters, Howlin`Wolf oder eben John Lee Hooker teilen durfte. Im Original wurde der Titel "Never like this before" erstmalig vom charismatischen Soul-Mann William Bell (remember "You don`t miss your water") 1966 beim Stax-Label aufgenommen. Diese Cover-Version kommt üppiger und sauberer produziert rüber, adaptiert aber das Deep-Soul-Feeling des Originals. "Run silent, run deep" geht unter die Haut. Peter Wolf hat den Song zusammen mit seinem Freund, dem Poeten Tim Mayer kurz nach dem Split der "J. Geils Band" geschrieben. Das Lied handelt von Brudermord, Rache und Vergeltung. Die nächste Cover-Version ist "Homework" vom Chicago-Blueser Otis Rush und nur durch Zufall beim Soundcheck im Studio mitgeschnitten worden. Der ruhige Titel "Five o`clock angel" ist nach einer Begegnung mit dem Literaten und Bühnenautor Tennessee Williams entstanden. Dieser nannte seinen ersten Drink am Tag immer "Five o`clock angel". Will Jennings, der Songwriter-Partner von Peter Wolf, erzählte eines Tages die Geschichte einer jungen hübschen Kellnerin, die vom Lande in die Stadt gekommen war und jetzt das Leben gedanken- und hemmungslos genoss. In der mid-tempo-Nummer "Hey Jordan" macht sich Peter nun Gedanken darüber, wo das hinführen kann. Für die Aufnahme des Sonny Boy Williamson-Blues "Too close together" hatte sich Keith Richards gegen 17:00 Uhr im Studio angekündigt. Um 16:00 Uhr wurden schon Verstärker und Gitarrenkoffer angeliefert. Keith kam aber erst um 20:00 Uhr und der Song wurde dann im Stil der legendären Chess-Blues-Aufnahmen zelebriert: live, mit viel Wodka. Ein weiterer prominenter Gast kommt bei "Some things you don`t want to know" zu Gehör: "Steve Earle" teilt sich den Gesang mit Peter. Eigentlich sollte eine R&B-Nummer dabei rauskommen, unter dem Einfluss von "Steve Earle" wurde daraus aber ein Country-honky-tonk-Song. Das beschwingte "Oh Marianne" ist beeinflusst von Peter Wolf`s Atlantic-Records Tagen. Damals traf er all die Legenden, die ihn früh beeinflusst hatten, wie Ben E. King, Percy Sledge, King Curtis, Aretha Franklin, Wilson Pickett und Donny Hathaway. Peter fühlt sich bei diesem Lied an die "Drifters" und den Liederschreiber Doc Pomus erinnert. Das Album endet entspannt und versöhnlich, wie es begonnen hat. Der Song, der dem Album seinen Namen gab, ist eine weitere Zusammenarbeit mit Will Jennings und wurde in Erinnerung an die Balladen von Roy Orbison geschrieben.
Veränderungen und Überraschungen sind das Ergebnis jeder guten Zusammenarbeit, das war der Grund, dieses Album zu machen, sagt Peter Wolf. "Sleepless" hat den Wert eines erdigen, zeitlosen, gut abgehangenen Alterswerkes, bei dem die ganze Erfahrung aus 25 Jahren Musiker-Dasein eingebracht wird. Statt Routine spürt man Leidenschaft, Wärme und Seele, statt abgedroschener Phrasen hört man brillante Einfälle.