B.B. King erstes Konzert in einem Knast
Johnny Cash war bereits im Januar 1968 im 30 km von der kalifornischen Hauptstadt Sacramento entfernt gelegenem Folsom Prison und im Februar des darauffolgenden Jahres im nördlich von San Francisco gelegenen San Quentin Prison aufgetreten. Die Auftritte sind auf den Alben AT FOLSOM PRISON und AT SAN QUENTIN dokumentiert.
Winston Moore, der erste schwarze Gefängnisdirektor des Cook County Jails, amtlicher Name Cook County Department Of Corrections, lud B.B. King während eines Auftritts im Chicagoer Jazz Club, "Mr. Kelly's", ein, im COOK COUNTY JAIL aufzutreten. B.B. und sein Manager Sid Seidenberg fanden die Idee so gut, dass sie den Auftritt für das Album LIVE AT COOK COUNTY JAIL mitschneiden ließen.
Das Cook County Jail in der South California Avenue in Chicago gehört mit seinen, Stand heute, 7.500 Insassen, zu den größten Gefängnisanlagen der USA. Es hatte mindestens in den 70er Jahren den zweifelhaften Ruf des "World's Worst Jail". Etwa 70 Prozent der Insassen waren damals Afro-Amerikaner.
Über 2.000 Gefängnisinsassen, die schweren Jungs in einem abgegrenzten Bereich, saßen am 10. September 1970 im Gras des Gefängnishofs und erlebten B.B.s Auftritt im Cook County Jail. Die Insassen des Todestrakts (Death Row) mussten in ihren Zellen bleiben, durften aber bei geöffneten Fenstern das Konzert mithören. Mehr als 25 Gefängniswärter, einige davon schwerbewaffnet auf Wachtürmen stationiert, bewachten die Menge.
Zu Beginn des Albums in der "Introduction" hört man die Buhrufe der Insassen, während die Chicagoer Rechtsanwältin Jewel LaFontant dem Gefängnisdirektor Winston Moore, dem Polizeichef, Sheriff Joseph Woods und dem obersten Richter des Strafgerichts, Chief Judge Joseph A. Power dafür dankt, dass das Konzert im Cook County Jail möglich wurde.
Zunächst war es B.B. etwas mulmig, aber nachdem er mit seiner Sechs-Mann-Begleitband, bestehend aus Wilbert Freeman (bg), Sonny Freeman, B.B.s Bandleader (dr), John Browning (tr), Louis Hubert (tenor sax), Booker Walker (alt sax) und Ron Levy (p) losgelegt hatte, beruhigte sich alles und es kam gute Stimmung auf. Den Auftakt machte der Uptempo-Bluesstandard "Every Day I Have The Blues" aus dem Jahr 1935, den B.B. 1954 zu einem Bluesklassiker gemacht hatte (US R&B # 8). Es folgt der Slow Blues "How Blue Can You Get?" von 1964, bei dem die Zeilen "I gave you a brand new Ford, you said I want a Cadillac/I bought you a ten dollar dinner, you said thanks for the snack/I let you live in my penthouse, you said it was just a shack/I gave you seven children, and now you want to give them back" besonders unter den männlichen Insassen Begeisterung hervorrief. In "Worry, Worry", im Original eine Kent Single aus dem Jahr 1959, hat B.B. einen minutenlangen Rap integriert, in dem er sich mit Männerwitz zuerst an die ungefähr 200, in den ersten Reihen sitzenden weiblichen Insassen und anschließend an die männlichen Häftlinge wendet und ihnen Ratschläge im Umgang mit dem anderen Geschlecht erteilt. Das folgende Medley "3 O'Clock Blues"/"Darlin' You Know I Love You" besteht aus B.B.s ersten beiden Nummer-Eins-Hits in den Rhythm'n'Blues-Charts aus dem Jahr 1952. Auf "Sweet Sixteen", der Single aus dem Jahr 1960 (US R&B # 2), die auch auf späteren Live-Alben B.B. Kings auftaucht, folgt "The Thrill Is Gone". Der Song erschien 1970 auf dem Album COMPLETELY WELL und die Single-Auskopplung wurde ein Hit sowohl in den Rhythm'n'Blues- (Platz 3) als auch in den Pop-Charts (Platz 15). "The Thrill Is Gone" brachte B.B. seinen ersten "Grammy" (Kategorie "Bester R'n'B-Sänger") ein. B.B. beendet seinen Auftritt im Cook County Jail mit dem Song "Please Accept My Love", mit dem er 1958 erfolgreich war (US R&B # 9).
Obwohl B.B. und seine Band ausschließlich Songs spielten, die zumindest Bluesfans hinreichend bekannt sind, ist das Konzert, dass die Atmosphäre im Cook County Jail hervorragend einfängt, ein Highlight für jeden, der sich ernsthaft für Musik interessiert.
LIVE IN COOK COUNTY JAIL belegt Platz 499 in dem Buch "Rolling Stone - Die 500 Besten Alben Aller Zeiten". Es stand im April 1971 drei Wochen lang auf Platz 1 der Billboard Rhythm'n'Blues-Charts.
Unentgeltliche Gefängnisauftritte wurden nach seinem Auftritt im Cook County Jail fester Bestandteil von B.B.s Tourneen. 1990 erschien mit LIVE AT SAN QUENTIN ein weiteres Album eines Gefängnisauftrittes.
Bewertung:
New Rolling Stone Record Guide * * * (average to good = durchschnittlich bis gut)
Christgau's Record Guide A- (a very good record = eine sehr gute Platte)
The Penguin Guide To Blues Recordings * * * (worthwhile = wertvoll)
The Virgin Encyclopedia of The Blues * * * * (excellent = ausgezeichnet)