Ein Dokument der Blues- Geschichte
Laut dem Ro-Ro-Ro Rock-Lexikon von Barry Graves und Siegfried Schmidt-Joos brachten die Frankfurter Impresarios Horst Lippmann und Fritz Rau, angeregt vom Jazzkritiker Joachim E. Berendt zwischen 1962 und 1972 und nach einer Unterbrechung zwischen 1980 und 1985 zahlreiche Bluesmusiker nach Europa, die in ihrer Heimat überwiegend ignoriert wurden oder nur lokal bekannt waren. Die Festivals, die einen starken Einfluss auf die Rockszene insbesondere in England ausübten, sind auf damals nach jeder Tournee erschienenen Alben dokumentiert.
Von den Musikern, die an der ‘62er Tour teilgenommen haben, ist besonders Willie Dixon (* 1. Juli 1915 in Vicksburg, Mississippi - + 29. Januar 1992 in Burbank, Kalifornien) hervorzuheben, obwohl er auf dem Album zur Tour von 1962, das am 18. Oktober in Hamburg aufgenommen wurde, "lediglich" als Bassist fungierte. Willie Dixon, der als Studiomusiker und Produzent bei Chess Records die Entwicklung des Chicago-Blues in den 50er und 60er Jahren entscheidend mitgeprägt und zahlreiche Blues-Klassiker geschrieben hatte, die u.a. von Britischen Bands wie den Rolling Stones ("Little Red Rooster"), den Cream ("Spoonful") und Led Zeppelin ("I Can't Quit You, Baby") gecovert wurden, war der Verbindungsmann der Veranstalter in Chicago und an der Zusammenstellung der Künstler für die Festivals beteiligt.
John L. Chatman alias Memphis Slim, am 3. September 1915 in Memphis, Tennessee geboren, der seine ersten Plattenaufnahmen bereits Anfang der 40er Jahre machte und u.a. Blues-Größen wie Big Bill Broonzy und Sonny Boy Williamson II auf dem Piano begleitete, ist auf dem Album AMERICAN FOLK BLUES FESTIVAL ’62 mit den Tracks "We’re Gonna Rock", "Stewball" und "Bye Bye Baby" als Sänger vertreten und begleitet darüber hinaus T-Bone Walker, Shakey Jake und Brownie McGhee bei ihren Songs auf dem Klavier. Nach dem American Folk Blues Festival ‘62, zog Memphis Slim nach Paris, wo er bis zu seinem Tod am 24. Februar 1988 lebte.
Aaron Thibeaux Walker, T-Bone Walker genannt, wurde am 28. Mai 1910 in Linden, Texas geboren und gilt als einer der einflussreichsten Bluesmusiker und Innovatoren der elektrischen Gitarre. Bekannt ist T-Bone Walker auch für seine Show-Einlage mit der hinter dem Kopf gespielten Gitarre, die von zahlreichen Musikern kopiert wurde. Auf AMERICAN FOLK BLUES FESTIVAL ’62 ist T-Bone nicht mit seinem Klassiker "Call It Stormy Monday", sondern mit den vom Jazz beeinflussten Songs "I Wanna See My Baby" und "I’m In Love" vertreten. Seine Auftritte beim Folk Blues Festival brachten ihm große Popularität ein und ermöglichten es ihm später noch mehrmals nach Europa zu kommen. T-Bone Walker, der am 16. März 1975 an einem Schlaganfall starb, wurde 1980 postum in die "Blues Hall Of Fame" aufgenommen.
Der Boogie-Man John Lee Hooker ist bei seinen Beiträgen "Let's Make It Baby", "Shake It Baby" (neu eingespielt 1966 auf IT SERVES ME RIGHT TO SUFFER) und "The Right Time" nicht "alone", sondern wird von T-Bone Walker (g), Willie Dixon (bg) und dem Drummer der Tournee, Armand "Jump" Jackson beleitet, dessen Schlagzeugspiel laut der "Virgin Encyclopedia Of Blues" auf vielen Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre in Chicago entstandenen Bluesplatten zu hören ist, dessen "swing-era style of blues drumming" aber in den Sixties in der "Windy-City" der "cold wind of progress", wie ihn Fred Below verkörperte, entgegen blies.
Der erblindete Sänger und Mundharmonikaspieler Sonny Terry alias Saunders Terrell (* 24. Oktober 1911 in Greensboro, North Carolina - + 11. März 1986 in Mineola, New York), der meist nur begleitet von seinem durch Kinderlähmung gehbehinderter Partner Brownie McGhee (* 30. November 1915 in Knoxville, Tennessee - + 16. Februar 1996 in Oakland, Kalifornien) auf der Gitarre begleitet, auftrat, wird bei seinen Beiträgen "I’m Crazy ‘Bout You Baby" und "Crying At The Station" von T-Bone Walker bzw. Memphis Slim (p), Willie Dixon (bg) und Jump Jackson (dr) bandmäßig unterstützt.
Diese Unterstützung erfährt auch auf "Love Me Baby" der am wenigsten bekannte Protagonist, der Sänger und Bluesharp-Spieler Shakey Jake Harris (* 12. April 1921 in Earle (Arkansas) - + 2. März 1990 in Forrest City), einem Onkel von Magic Sam, dem 1969 leider viel zu früh verstorbenen Erneuerer des Chicago Blues und Erfinder des West Side Sound.
AMERICAN FOLK BLUES FESTIVAL ’62 - ein Dokument der Blues- Geschichte.