Spannend und höchst ergreifend
Aufreibendes Drama um ein Mädchen und ein Pferd, die zusammen ihre Freiheit suchen
Wie die Geschichte beginnt:
Die Gutsherrin Maria Kaltenbach will den ungestümen Hengst Ostwind kaufen und wird dabei folgenschwer verletzt, weil dieser die Gelegenheit nutzt und aus seiner Box ins Freie ausbricht. Frei über endlose Berg- und Gipfelweiten zu jagen – so etwas träumt auch die Siebtklässlerin Mika Schwarz in der Frankfurter U-Bahn auf dem Weg zum letzten Schultag vor dem Sommer, bis sie von ihrer Freundin Fanny geweckt wird.
Der Klassenlehrer ist ein linker Typ und gibt Mika ein Sitzenbleibe-Zeugnis, obwohl er ihr vorher etwas Besseres signalisiert hatte. So darf sie dann auch nicht wie geplant mit Fanny in das Feriencamp an die Nordsee fahren, sondern wird von ihren Eltern zur Oma aufs Land nach »Hessisch-Sibirien« geschickt, wo sie büffeln soll. Nach längerer Bahnreise kommt sie dort an einem winzigen Haltepunkt an, wo weit und breit niemand ist außer einer dösenden Kuh, die noch Hörner tragen darf und die Mika begrüßt. Mika antwortet mürrisch muh und macht für Fanny ein Foto mit dem Titel "Willkommen in der Pampa".
Ihre befürchtete Langeweile in der "Pampa" hält dann aber gar nicht lange an, denn das Gut Kaltenbach ihrer Großmutter entpuppt sich als Reiterhof, und Mika lernt dort Ostwind kennen. Anders als die Leute von Kaltenbach gewinnt Mika schnell Ostwinds Vertrauen. Ohne dass sie es bisher wissen konnte, hat sie für Pferde eine Art sechsten Sinn, und so verstehen sich Mika und Ostwind auf eine fast magische Weise. Mika verbringt nun heimlich immer mehr Zeit bei Ostwind im Stall. Dabei entfacht sie aber bald ein Malheur, wobei er ins Freie ausbüxt. Und damit nimmt ein aufreibendes Drama seinen Lauf, in dem Mika und Ostwind durch Himmel und Hölle gehen müssen, bevor sie endlich zusammen frei sein können…
Bewertung:
Der Film erzählt eine spannende, mitreißende Geschichte, die weit über die Pferde-Mädchen-Verbindung hinausgeht und die alle Zuschauergenerationen anspricht. Der an vielen Passagen dramatische Tiefgang verlangt die höchste Stufe der Filmbewertung. Er führt gleichzeitig aber auch zu Verwunderung über die Freigabe für jüngste Altersklassen; denn der Film scheint für "kleine Mädchen" wohl weniger geeignet.
Die Handlung wirkt durchweg sehr realistisch und ist immer schlüssig, während sie gleichzeitig auch sehr dicht ist und nirgends langweilig wird. Sie ist hoch spannend und ergreifend. Auch die Kulisse ist perfekt ausgesucht. Die Haupthandlung spielt im ländlichen Raum, und der Kontrast zum Ballungsraum Rhein-Main, wo Mika mit ihren Eltern wohnt, wird mit der hessischen "Pampa" hervorragend gezeichnet. Anfangs fürchtet Mika hier die Langeweile, denn sie kannte bislang nur die Großstadt und hielt deren Enge, Unfreiheit und Demotivation für das Normale. In der Gegend um "Kaltenbach" sieht Normalität ganz anders aus. Und dort wo Mika und Ostwind heimlich spielen und trainieren, gibt es noch nicht einmal Spuren der seelenlosen Flurbereinigung, sondern nur traditionelle Weidelandschaft mit der Ungezwungenheit schiefer Eichenpfosten-Koppeln und krummlinig grasiger Spurwege. In der heutigen Zeit konnte das dem Film wohl nur noch dadurch gelingen, dass er die Kulisse in einem Waldgebiet suchte. Genau genommen ist es der Reinhardswald, das oberste Gebirge des Weserberglandes, und die Umgebung. Hier ließen sich auch die mächtigen alten Eichen finden, unter denen Ostwind herumtollt und auf einer von denen Mika und der Stallbursche ihre konspirative Beratung über Ostwinds Zukunft abhalten.
Aber es sind auch Minuspunkte zu nennen, vor allem manche stilbrüchigen und lästigen Musikparts, die das wunderbare Filmerlebnis stören. Etwas enttäuschend scheint auch, dass das treffende Rot des Haars nicht echt sein soll. Denn ansonsten ragt der Film auch an Echtheit und Authentizität heraus. Dabei hat sich aber auch ein massiverer Logikfehler eingeschlichen, insofern leider die Etappen von Mikas Marathon-Trip an die See in der Reihenfolge durcheinander geraten sind. Das ist wirklich schade. Geringere Schwächen sind der affige und übertrieben linke Lehrer, was aber vielleicht eine Persiflage sein soll, ferner Fannys unglaubwürdige Feuerzeugidee, der 300-km-Einsatz des Tierarztes und die Quantenmechanik-Bücher für Mika, obwohl die ja noch nicht einmal die banale Unterstufenmathematik akzeptiert. Ein Rätsel gibt die merkwürdig gestarrte Meeresbrandung auf, als Mika an der See ankommt. Die Autoschlange der Schlussszene mit Mikas abschließendem Sprung in die Freiheit ist für die wenig befahrene Straße in der Pampa viel zu lang und besteht merkwürdigerweise nur in einer Richtung.
Alle diese Kritikpunkte zusammen reichen aber längst nicht hin, um von der Höchstpunktzahl der Bewertung auch nur einen Punkt abzuziehen. Dafür ist der Film einfach zu gut.