Positive Überraschung
"John Carter - zwischen den Welten" steht sinnbildlich wie nur wenige andere Hollywoodproduktionen für ein Millionengrab: Als eine der teuersten Filmproduktionen aller Zeiten floppte das mehr als zweistündige Epos an den Kinokassen. In der weiteren Rechte-Auswertung jedoch rutschte der Film schon vor Jahren in die Gewinnzone.
Die Verfilmung von Edgar Rice Borroughs' (der "Tarzan"-Erfinder") Novellen rund um John Carter, der aus dem irdischen 19. Jahrhundert auf den Mars teleportiert wird und sich dort in die Prinzessin der Stadt "Helium" verliebt, ist anscheinend extrem originalgetreu und detailverliebt umgesetzt worden. Dabei hat man sich in vielen Details an die optische Umsetzung der Grafiken gehalten, die den ursprünglichen John Carter-Novellen in den USA zur Illustrierung beigefügt waren.
Dies resultierte in Kostümen, Kreaturen und Maschinen, die eher aussehen wie in den Sci-Fi-Klassikern der 1950er-Jahre, umgesetzt aber mit modernster Technik. John Carter-Aficionados (sollte es die in Deutschland überhaupt geben) werden begeistert gewesen sein, ein Star Wars-, Marvel- und DC-gewohntes Massenpublikum erreicht man mit derlei aber wohl nicht.
Die Qualitäten des Films liegen meines Erachtens auch tiefer: "John Carter - zwischen den Welten" war Andrew Stantons erste Regiearbeit im Bereich des "Realfilms", hatte er zuvor für Disney doch ausschließlich Animationsfilme verantwortet. Es gelang ihm mit seinem Debüt eine beeindruckend sensible Regiearbeit, die über das von ähnlich gelagerten Science Fiction-Filmen gewohnte Maß hinausgeht und auch in Belangen der Kameraperspektiven immer wieder interessante Lösungen findet, die man bei anderen Regisseuren der heutigen Zeit mit der Lupe sucht.
Vom "Look and Feel" her erinnert "John Carter - zwischen den Welten" sogar hier und da an David Lynchs Sci-Fi-Klassiker "Dune - der Wüstenplanet". In den weniger guten Momenten wirkt "John Carter- zwischen den Welten" wie ein Abklatsch von "Star Wars: Episode II"; freilich sollte man sich in diesem Zusammenhang vor Augen halten, dass es wohl George Lucas war, der die Idee eines Arenakampfes auf einem verwüsteten Planeten gegen Riesenmonster aus den John Carter-Geschichten gemopst hat, und nicht etwa umgekehrt. Da Lucas mit seinem Film aber fast zehn Jahre früher auf dem Markt war als Stanton, muss man sich fragen, warum die Verantwortlichen von "John Carter - zwischen den Welten" dieses Risiko eingegangen sind, als vermeintliche Plagiateure dazustehen.
Im großen und ganzen sind es vor allem anderen gewisse Drehbuch-/Logik-Schwächen, die man "John Carter - zwischen den Welten" vorhalten kann, ebenso wie manches nicht ganz passende Ausstattungsdetail in dem Zeitabschnitt des Films, der im 19. Jahrhundert spielt. Ob zudem der (in doppeltem Sinne) blasse Taylor Kitsch unbedingt wirklich die Idealbesetzung für die Hauptrolle war, sei dahingestellt. Für seine Spielzeit von mehr als zwei Stunden besitzt der Film außerdem nicht genug Substanz, was insbesondere deswegen auffällt, weil in der ersten Stunde des Films beständig neue Schauplätze und Charaktere eingeführt werden, was dann abrupt stoppt und innerhalb der zweiten Stunde so gut wie gar keine neuen Impulse in den Film einziehen und im Prinzip nur noch der Kampf rund um die Hochzeit in Helios (mit all seinen zahlreichen Verwicklungen) im Mittelpunkt steht.
Das wird aber wettgemacht durch viele sehr vergnügliche Momente, eine wirklich bombastische tricktechnische Meisterleistung sowie (wie bereits erwähnt) durch eine erfreulich gelungene, sensible, empathische und einfach handwerklich sehr gekonnte Regiearbeit, die gerade bei einem Film wie diesem (bei dem die Schauspieler wahrscheinlich 70% der Zeit vor Green Screens beschäftigt waren) nicht einfach gewesen sein dürfte und deshalb besonderer Erwähnung bedarf. Alles in allem ist der Film meines Erachtens vor allem denjenigen zu empfehlen, die auch an früher Science-Fiction (wie z.B. "Die Zeitmaschine" von George Pal oder "Flash Gordon") ihren Spaß haben. Die Liebhaber des vollständig durchdesignten Popcorn-Sci-Fi-Kinos des 21. Jahrhunderts, bei dem jeder Film aussieht wie der andere, werden mit diesem interessanten, individuellen Film nicht glücklich.