Mit dreizehn nicht allzu langen Songs scheint der Komponist Johansen Geschichten zu erzählen....
Per Oddvar Johansen, 1968 in Oslo geboren ist Schlagzeuger, unter anderem bekannt durch Zusammenarbeiten mit Musikern wie Trygve Seim, Torbjørn Sunde, Christian Wallumrød, The Source, Solveig Slettahjell und Vigleik Storaas.
Zunächst geschult durch Rockmusik, erweiterte sich Johansen stilistisch durch ein Jazzstudium. Der in der norwegischen Jazzszene sehr gefragte Schlagzeuger legt nun mit "The Quiet Cormorant" sein aktuelles Album vor. Mit dem Pianisten Helge Lien, dem Saxofonisten Torben Snekkestadt und auf zwei Titeln Hedvig Mollestad an der Gitarre stehen ihm hochwertige und großartige Musiker zur Seite.
Mit dreizehn nicht allzu langen Songs scheint der Komponist Johansen Geschichten zu erzählen, so scheint es, allesamt aus einem mystisch wirkenden Buch entnommen. Fantasy, die zur Realität umgesetzt wird. Denn trotz aller magisch wirkenden Stücke ist die Musik noch geerdet, wenngleich man glaubt, sie entschwebe mitunter in das Unendliche.
Maßgeblichen Anteil am Gelingen bei der Umsetzung der Kompositionen hat sicher auch Helge Lien, der bereits durch seine Piano-Trio-Veröffentlichungen entsprechende Zeichen setzen konnte mit seiner absolut hochklassigen Musik. Insbesondere kommt der Musik dieser Formation seine Bandbreite von Groove hin zu verträumten Momenten, die insbesondere eine nordische Prägung geben, sowie mit Zutaten aus der klassischen Musik, zugute.
Aber auch der im experimentellen Bereich tätige Snekkestad füllt mit seinen getupften und impressionistischen Saxofonklängen die Leinwand dieser Musik mit seinen zarten und romantischen und in die Ferne tragenden Beigaben maßgeblich und prägend aus. Snekkestad ist ein Musiker, der es versteht, Klangräume zu schaffen und diese auch mit minimalistischen Nuancen zu bereichern.
Der Titelsong, mit dem die Platte startet, zeigt den Schlagzeuger ebenfalls als Vibrafonisten, mit diesem Instrument erzeugt er verhallte Tupfer, der Song basiert auf dem akzentuierten Spiel des Pianos, das Saxofon bringt hier allenfalls andeutungsweise so etwas wie einen Hauch von Klängen ein, sehr verträumt, dieser Einstieg. Und dabei bleibt es im Laufe der Platte, die allerdings noch mit einigen Höhepunkten innerhalb dieser an Höhepunkten nicht armen Musik aufwarten wird.
Im “Waltz For Hire“ spielt Johansen mit den Becken, lässt dazu die Snare Akzente setzen, und legt einen dahinschwebenden Rhythmus vor, der von den beiden Mitspielern an Piano und Saxofon malerisch umspielt wird. Und schon ist er da, eines meiner liebsten Songs, “Brown House (By The Sea)“, ein Favorit – weil? Ja, weil sich hier Hedvig Mollestad „einmischt“. Ihr Spiel bereitet mir Gänsehaut und ich kann schnell in eine Art Verzücken geraten. Einmal spüre ich hier etwas ganz Besonderes in der Atmosphäre, ich fühle mich wie in einem Film, oder besser, wie in einem Flugzeug, aus dem der Film heraus gedreht wird und ich dabei über eine weite, ganz weite Landschaft schwebe, unendlich, dabei alles in Zeitlupe, obwohl das Schlagzeug Schnelligkeit signalisiert. Doch diese Schnelligkeit wird aufgehoben durch die wabernden Gitarrenklänge, die mich ganz stark an die stärkste und kreativste Phase eines Terje Rypdal erinnern. Und was liegt da nahe, beim Saxofon an Garbarek zu denken? Sicher, aber Snekkestad ist Snekkestad, er spielt seinen eigenen Sound, und das ist auch gut so, für mich einer jener Saxofonisten, von denen ich mehr hören möchte. Er bleibt stets lyrisch und poetisch im Ausdruck, etwas, das auch für die ganze Musik zutrifft.
Unabhängig davon, dass sich die Atmosphäre mit jedem Titel verdichtet und immer mehr gefangen nimmt in ihrem überwältigen emotionalen Ausdruck, fehlt mir bei den übrigen Songs, bis auf Track 6, wo sie wieder dabei ist, die Hedvig! “Love, Peace & Currywurst“, ein irrer Titel, oder? Jedenfalls nimmt die Musik hier an Schärfe zu, scharfer Curry sozusagen! Die Gitarre kreischt nun, der Song wird zerrissen, explodiert, vielleicht ist es auch die Gischt bei starkem Wellengang, die mir in den Sinn kommt, vielleicht die Unruhe während einer Sturmflut? Nun, nach gut drei Minuten scheint die Currywurst detoniert zu sein, ein feiner Nervenkitzel, nachdem es mit “The Still“ wieder entscheidend stiller wird. Zum besonderen Klangbild dieses rhythmuslosen Stückes tragen Bass-Klarinette und Vibrafon bei, diese Atmosphäre ist ganz dunkel, ganz mystisch, recht unheimlich und fast schon ein wenig bedrohlich, vielleicht sind es Trauer, Angst und Sehnsucht, die ausgedrückt werden (sollen).
Inmitten einiger recht experimentell geprägter Stücke strahlt das hymnisch-gelassene und ganz „normal“ klingende “A Ballad In Popular Keys“, das ganz viel Nordisches transportiert und einfach schön klingt. “Sunshine – After Fog“ ist genauso, wie es der Titel aussagt, nach dem Nebel scheint die Sonne, Johansen wischt mit dem Besen die Schlagzeugfelle und voller Lyrik erarbeiten Piano und Saxofon ein warmes Szenario, doch die Sonne quält sich offensichtlich noch durch die letzten Nebelschwaden.
"The Quiet Cormorant", im Übrigen - soll der Titel ein Hinweis sein auf den Kormoran und seine Bedeutung in der keltischen Mythologie? In norwegischen Sagen werden diese Vögel oft in Verbindung mit Warnungen oder Zeichen aus der Anderwelt gebracht. Wenn das so beabsichtigt ist, dann wurde dieses Anliegen mit dieser außergewöhnlich ungewöhnlichen Musik sicher mit Bravour umgesetzt, die Musik dieser Platte ist mit ihrer Ausstrahlung ein Teil der Natur.