Matthias Boguth: Milk Wood
Milk Wood
CD
CD (Compact Disc)
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- Label: Traumton, 2019
- Bestellnummer: 9362097
- Erscheinungstermin: 6.9.2019
Ein solches Debüt findet sich selten. Matthias Boguth, Jahrgang 1996, studiert seit drei Jahren an der Hochschule in Leipzig, hat bereits als Leiter verschiedener Bands und Projekte einige Bühnenerfahrung gesammelt, aber vor Milk Wood noch kein Album veröffentlicht. Umso mehr beeindruckt nun die Tiefe und stringente Vielfalt der Produktion. Zweifellos hat sich Boguth konzeptionell und kompositorisch viele Gedanken gemacht, dazu gleichgesinnte und sensible Musiker gefunden und mit Joh Weisgerber (alias Monojo) auch einen Produzenten an seiner Seite, der über ein feines Gespür für Klangfarben und -ästhetik verfügt. Gemeinsam vermessen sie ein vermeintlich vertrautes Terrain, nämlich die Vertonung von Poesie aus der Feder eines Schriftstellers, verblüffen dabei aber mit ungewohnten musikalischen Blickwinkeln. Boguths individuelle, genresprengende Klangsprache reicht weit über Jazz hinaus, verweist bisweilen auf Joe Jacksons intelligent-eingängige Melodik oder auf die verspielte Komplexität des Progressive Rock. Wobei es sich nicht um bewusste Referenzen handelt, weil Boguth sich nie mit Musik aus dieser Richtung beschäftigt hat.
Aufgewachsen im Umland von München, kam Matthias Boguth durch Freunde aktiv zur Musik. Als Grundschüler spielte er Statistenrollen an der Bayerischen Staatsoper, nach der obligatorischen Blockflöte lernte er Klavier. Mit 16 Jahren kehrte er dem Gymnasium den Rücken, um sich an der Neue Jazzschool München einzuschreiben. Bei der Aufnahmeprüfung fokussierte sich Boguth auf Gesang, da er zuvor bei verschiedenen Indie-Poprock-Bands als Sänger mitgewirkt und Spaß daran gefunden hatte. „Eigentlich wollte ich an der NJM Popmusik machen“, grinst Boguth rückblickend, „doch das erste Stück, das wir im Unterricht bearbeitet haben, war Miles Davis' Kind Of Blue.“ Die so geweckte Faszination für Jazz vertiefte er durch Besuche diverser Konzerte, 2015 ging er an die Hochschule für Musik und Theater in Leipzig.
Schon früh hat sich Matthias Boguth in der Position eines Bandleaders eingerichtet. „Als Sänger wird man viel seltener gefragt, ob man irgendwo mitmachen möchte, deswegen war und ist es meistens so, dass ich selbst Projekte initiiere.“ Hinzu kommt, dass Boguth ein leidenschaftlicher und zudem sehr produktiver Komponist ist. „Ich schreibe ständig Ideen auf, zu denen ich im Alltag inspiriert werde“, erklärt er seine Arbeitsweise. „Auslöser können Verkehrs- und andere Geräusche sein, aber auch Beobachtungen, etwa Strukturen von Bauwerken.“ Optische Eindrücke in Klänge umzusetzen, ist wohl eine eher ungewöhnliche Herangehensweise. „Manchmal notiere ich Sachen dermaßen abstrahiert, dass ich irgendwann nicht mehr weiß, wo die ursprüngliche Idee herkam, was aber auch nicht wichtig ist. Die Notizen sortiere ich später nach Formen, Harmonien und Melodien und auf dieses 'Wörterbuch' greife ich dann beim tatsächlichen Komponieren zurück. Deswegen kann die Ausarbeitung eines Stücks relativ schnell gehen.“
Zu Boguths erklärten Impulsgebern gehören Theo Bleckmann, John Hollenbeck und Michael Wollny. „Dabei gehe ich vom Kompositorischen aus. Bleckmann hat einen sehr puren Sound, Wollny schreibt verständliche, klare Formen, alle drei sind darauf aus, der Musik zu dienen.“ Ein hohes Maß an Klarheit, egal wie wandlungsfähig, variabel und voller Wendungen das jeweilige Stück letztlich in sich ist, begeistert Matthias Boguth. Diese Haltung trägt viel zum besonderen Charakter von Milk Wood bei. Bei der Wahl seiner gesanglichen Mittel zeigt Matthias Boguth einerseits eine große Spannweite, andererseits driftet er aber nie in exaltierte oder gar artifizielle Sphären ab. Sein volltönender Bariton kann jäh von warmem Timbre in nachdrücklichen bis scharfen Ausdruck umschlagen, zuweilen spielt er auch mit freien, suggestiven Klängen oder großer Geste, stets behält er die Komposition im Blick.
Auf die Frage nach der Besetzung des Quartetts antwortet Boguth als erstes: „Ich wollte unbedingt mit genau dieser Band spielen.“ Den Kontrabassisten Stephan Deller kennt er bereits seit einigen Jahren und schätzt dessen fundiertes Spiel und ruhige Ausstrahlung. Wollny-Meisterschüler Philip Frischkorn (u. a. Eva Klesse Quartett) beeindruckt auch bei Boguth durch Virtuosität und persönlichen, u. a. von europäischer Klassik und Moderne inspirierten Ausdruck. Schlagzeuger Philipp Scholz wiederum hat Erfahrung mit Poesie-Vertonungen, da er bereits mit Nora Gomringer auf Tournee war. Entsprechend feinfühlig weiß er mit gesprochenen und gesungenen Worten umzugehen.
Erst als die Band feststand, begann Boguth mit der Ausarbeitung seiner Kompositionen, natürlich auch eingedenk der speziellen Qualitäten seiner Partner. Dabei setzte er auf zwar detaillierte, aber doch knapp bemessene Leadsheets, um Räume für Interaktionen und spontane Ideen zu lassen. Im Juni 2017 feierte Milk Wood Bühnenpremiere, in den folgenden Monaten kamen weitere Auftritte dazu, die dank des offenen Spiels immer wieder andere Facetten entwickelten. Im Traumton Studio nahm das Quartett binnen zwei Tagen mehrere Versionen der Stücke auf, entschied sich letztlich überwiegend für die Takes mit etwas ruhigerer Stimmung. Schon während der Einspielungen steuerte Joh Weisgerber detailscharfe Produktions-Ideen bei, darunter punktuell eingesetzte elektronische Effekte, Alltags- und Naturgeräusche. Spezielle Gesangsfarben (beispielsweise in The Corner und What Seas Did You See) hat Boguth direkt im Studio gesungen, manche davon später gemeinsam mit Weisgerber noch stärker akzentuiert. Der Gedanke dahinter war, eine Klangbrücke vom Band- zurück zum Hörspielcharakter zu schlagen.
Dylan Thomas entdeckte Boguth durch Christopher Nolans Film Interstellar, in dem ein Gedicht des Schriftstellers vorkommt. „Ich hatte schon vorher nach fremden Texten gesucht, als Vehikel für meine eigene Weiterentwicklung als Komponist“, erklärt Boguth. Im Original ist Thomas' Under Milk Wood ein Radiohörspiel von 1954, das einen Tag im walisischen Küstendorf Llareggub erzählt. „Thomas beschreibt sehr klangvoll, wie die Leute aufwachen und durch den Tag und Abend gehen. Es passiert nichts Spektakuläres, vielmehr handelt es sich um kleine Alltagsszenen.“ Für das Album suchte sich Boguth einzelne Motive heraus, um sie in Songs zu verwandeln. Die Verdichtung führt zu manchen willkommenen Brüchen, den chronologischen Ablauf von Mitternacht bis Mitternacht behielt Boguth aber bei. Aus ihm resultieren nun einige relativ ruhige Stücke am Anfang der CD, während im zweiten Drittel kräftigere Energieschübe bis hin zu expressiven Passagen aufleuchten. Wie anderswo auf der Welt endet auch in Llareggub der Tag in einer Bar mit durchaus aufbrausenden Momenten, ehe man schließlich hinaus in die Nacht tritt, die den Eulen gehört.
Boguths sonore, wandlungsfähige Stimme, das nuancierte bis kraftvolle Spiel der Musiker und die dramaturgischen Bögen der Musik ziehen den Hörer immer mehr in die Geschichte(n) hinein. Dem teils gesprochenen Intro folgt das atmosphärische The Draper mit zurückhaltendem Gesang, impressionistischen Klavier und mysteriöser, gestrichener Basspassage. Deutlich von Jazz inspiriert klingt Whose Name Was Tom, hier intoniert Boguth neben schwelgerischen Melodien auch melismatische Aufschwünge. Der erste markante, Rock-inspirierte Energieschub überrascht mit beinahe überfallartiger Dynamik in What Seas Did You See. Die Melodieführung von When I Wake nähert sich avanciertem Pop und bleibt doch im Jazz geerdet, die euphorische wirkende Hookline von Oh There's A Face kontrastiert mit dem zunächst lauernden, sich dann steigernden Mittelteil des Songs.
Matthias Boguth sagt von sich, dass er sich schon immer gerne in vielen Genres bewegt hat und unter anderem genau dieses Talent auch an seinen Bandpartnern schätzt. Tatsächlich ist Milk Wood ein gelungenes Beispiel für undogmatische musikalische Offenheit. Denn bei aller Vielseitigkeit wirkt das Album in sich rund und konsequent. Ein entschlossenes und bemerkenswertes Debüt eines klugen Sängers und Komponisten, dem man eine große Zukunft prophezeien kann.
Aufgewachsen im Umland von München, kam Matthias Boguth durch Freunde aktiv zur Musik. Als Grundschüler spielte er Statistenrollen an der Bayerischen Staatsoper, nach der obligatorischen Blockflöte lernte er Klavier. Mit 16 Jahren kehrte er dem Gymnasium den Rücken, um sich an der Neue Jazzschool München einzuschreiben. Bei der Aufnahmeprüfung fokussierte sich Boguth auf Gesang, da er zuvor bei verschiedenen Indie-Poprock-Bands als Sänger mitgewirkt und Spaß daran gefunden hatte. „Eigentlich wollte ich an der NJM Popmusik machen“, grinst Boguth rückblickend, „doch das erste Stück, das wir im Unterricht bearbeitet haben, war Miles Davis' Kind Of Blue.“ Die so geweckte Faszination für Jazz vertiefte er durch Besuche diverser Konzerte, 2015 ging er an die Hochschule für Musik und Theater in Leipzig.
Schon früh hat sich Matthias Boguth in der Position eines Bandleaders eingerichtet. „Als Sänger wird man viel seltener gefragt, ob man irgendwo mitmachen möchte, deswegen war und ist es meistens so, dass ich selbst Projekte initiiere.“ Hinzu kommt, dass Boguth ein leidenschaftlicher und zudem sehr produktiver Komponist ist. „Ich schreibe ständig Ideen auf, zu denen ich im Alltag inspiriert werde“, erklärt er seine Arbeitsweise. „Auslöser können Verkehrs- und andere Geräusche sein, aber auch Beobachtungen, etwa Strukturen von Bauwerken.“ Optische Eindrücke in Klänge umzusetzen, ist wohl eine eher ungewöhnliche Herangehensweise. „Manchmal notiere ich Sachen dermaßen abstrahiert, dass ich irgendwann nicht mehr weiß, wo die ursprüngliche Idee herkam, was aber auch nicht wichtig ist. Die Notizen sortiere ich später nach Formen, Harmonien und Melodien und auf dieses 'Wörterbuch' greife ich dann beim tatsächlichen Komponieren zurück. Deswegen kann die Ausarbeitung eines Stücks relativ schnell gehen.“
Zu Boguths erklärten Impulsgebern gehören Theo Bleckmann, John Hollenbeck und Michael Wollny. „Dabei gehe ich vom Kompositorischen aus. Bleckmann hat einen sehr puren Sound, Wollny schreibt verständliche, klare Formen, alle drei sind darauf aus, der Musik zu dienen.“ Ein hohes Maß an Klarheit, egal wie wandlungsfähig, variabel und voller Wendungen das jeweilige Stück letztlich in sich ist, begeistert Matthias Boguth. Diese Haltung trägt viel zum besonderen Charakter von Milk Wood bei. Bei der Wahl seiner gesanglichen Mittel zeigt Matthias Boguth einerseits eine große Spannweite, andererseits driftet er aber nie in exaltierte oder gar artifizielle Sphären ab. Sein volltönender Bariton kann jäh von warmem Timbre in nachdrücklichen bis scharfen Ausdruck umschlagen, zuweilen spielt er auch mit freien, suggestiven Klängen oder großer Geste, stets behält er die Komposition im Blick.
Auf die Frage nach der Besetzung des Quartetts antwortet Boguth als erstes: „Ich wollte unbedingt mit genau dieser Band spielen.“ Den Kontrabassisten Stephan Deller kennt er bereits seit einigen Jahren und schätzt dessen fundiertes Spiel und ruhige Ausstrahlung. Wollny-Meisterschüler Philip Frischkorn (u. a. Eva Klesse Quartett) beeindruckt auch bei Boguth durch Virtuosität und persönlichen, u. a. von europäischer Klassik und Moderne inspirierten Ausdruck. Schlagzeuger Philipp Scholz wiederum hat Erfahrung mit Poesie-Vertonungen, da er bereits mit Nora Gomringer auf Tournee war. Entsprechend feinfühlig weiß er mit gesprochenen und gesungenen Worten umzugehen.
Erst als die Band feststand, begann Boguth mit der Ausarbeitung seiner Kompositionen, natürlich auch eingedenk der speziellen Qualitäten seiner Partner. Dabei setzte er auf zwar detaillierte, aber doch knapp bemessene Leadsheets, um Räume für Interaktionen und spontane Ideen zu lassen. Im Juni 2017 feierte Milk Wood Bühnenpremiere, in den folgenden Monaten kamen weitere Auftritte dazu, die dank des offenen Spiels immer wieder andere Facetten entwickelten. Im Traumton Studio nahm das Quartett binnen zwei Tagen mehrere Versionen der Stücke auf, entschied sich letztlich überwiegend für die Takes mit etwas ruhigerer Stimmung. Schon während der Einspielungen steuerte Joh Weisgerber detailscharfe Produktions-Ideen bei, darunter punktuell eingesetzte elektronische Effekte, Alltags- und Naturgeräusche. Spezielle Gesangsfarben (beispielsweise in The Corner und What Seas Did You See) hat Boguth direkt im Studio gesungen, manche davon später gemeinsam mit Weisgerber noch stärker akzentuiert. Der Gedanke dahinter war, eine Klangbrücke vom Band- zurück zum Hörspielcharakter zu schlagen.
Dylan Thomas entdeckte Boguth durch Christopher Nolans Film Interstellar, in dem ein Gedicht des Schriftstellers vorkommt. „Ich hatte schon vorher nach fremden Texten gesucht, als Vehikel für meine eigene Weiterentwicklung als Komponist“, erklärt Boguth. Im Original ist Thomas' Under Milk Wood ein Radiohörspiel von 1954, das einen Tag im walisischen Küstendorf Llareggub erzählt. „Thomas beschreibt sehr klangvoll, wie die Leute aufwachen und durch den Tag und Abend gehen. Es passiert nichts Spektakuläres, vielmehr handelt es sich um kleine Alltagsszenen.“ Für das Album suchte sich Boguth einzelne Motive heraus, um sie in Songs zu verwandeln. Die Verdichtung führt zu manchen willkommenen Brüchen, den chronologischen Ablauf von Mitternacht bis Mitternacht behielt Boguth aber bei. Aus ihm resultieren nun einige relativ ruhige Stücke am Anfang der CD, während im zweiten Drittel kräftigere Energieschübe bis hin zu expressiven Passagen aufleuchten. Wie anderswo auf der Welt endet auch in Llareggub der Tag in einer Bar mit durchaus aufbrausenden Momenten, ehe man schließlich hinaus in die Nacht tritt, die den Eulen gehört.
Boguths sonore, wandlungsfähige Stimme, das nuancierte bis kraftvolle Spiel der Musiker und die dramaturgischen Bögen der Musik ziehen den Hörer immer mehr in die Geschichte(n) hinein. Dem teils gesprochenen Intro folgt das atmosphärische The Draper mit zurückhaltendem Gesang, impressionistischen Klavier und mysteriöser, gestrichener Basspassage. Deutlich von Jazz inspiriert klingt Whose Name Was Tom, hier intoniert Boguth neben schwelgerischen Melodien auch melismatische Aufschwünge. Der erste markante, Rock-inspirierte Energieschub überrascht mit beinahe überfallartiger Dynamik in What Seas Did You See. Die Melodieführung von When I Wake nähert sich avanciertem Pop und bleibt doch im Jazz geerdet, die euphorische wirkende Hookline von Oh There's A Face kontrastiert mit dem zunächst lauernden, sich dann steigernden Mittelteil des Songs.
Matthias Boguth sagt von sich, dass er sich schon immer gerne in vielen Genres bewegt hat und unter anderem genau dieses Talent auch an seinen Bandpartnern schätzt. Tatsächlich ist Milk Wood ein gelungenes Beispiel für undogmatische musikalische Offenheit. Denn bei aller Vielseitigkeit wirkt das Album in sich rund und konsequent. Ein entschlossenes und bemerkenswertes Debüt eines klugen Sängers und Komponisten, dem man eine große Zukunft prophezeien kann.
- Tracklisting
Disk 1 von 1 (CD)
- 1 Intro
- 2 The draper
- 3 Whose name was Tom
- 4 What seas did you see
- 5 The town
- 6 When I wake
- 7 Oh there's a face
- 8 Sunny slow lulling afternoon
- 9 Thin night darkens
- 10 Hushabye
- 11 The corner
- 12 Owls are running
Matthias Boguth
Milk Wood
EUR 15,99*