Jacob Karlzon: Wanderlust
Jacob Karlzon ist ein musikalischer Abenteurer, ein Entdecker. Der schwedische Jazzpianist und Komponist wagt sich auf seinen Alben immer wieder in überraschende Klangwelten. Dieses Talent brachte ihm 2010 bereits die Auszeichnung als »Jazzmusiker des Jahres« in seiner Heimat Schweden.
2022 startet er seine nächste Expedition, mit starker Band und zwei besonderen Gästen: »Wanderlust« heißt sein zehntes Album.
Die gute alte Vinyl - Langspielplatte.
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- Label: Warner, 2021
- Bestellnummer: 10789189
- Erscheinungstermin: 4.3.2022
Weitere Ausgaben von Wanderlust
Die Reise, zu der Jacob Karlzon mit seinem neuen Album anstiftet, beginnt bereits im Titel: „Wanderlust“. Aus den beiden deutschen Wörtern Wandern und Lust zusammengesetzt, wird „Wanderlust“ im Englischen als Umschreibung für Fernweh oder Reiselust genutzt, ohne gänzlich eindeutige Bedeutung in sich zu tragen. Ein Begriff wie gemacht für den schwedischen Pianisten und Komponisten Jacob Karlzon, der sich der Musik überaus bedächtig, mit jedem neuen Album geradezu demütig nähert. Wohlweißlich, denn für ihn steht jedes Mal nicht weniger als deren Verteidigung gegen das Verbrechen Trivialisierung auf dem Spiel. Dem Undefinierbaren der Musik, ihrer Appelle ans Unterbewusstsein, an Seele und Geist, Menschlichkeit und Empathie, fühlt er sich seit seinen ersten pianistischen Versuchen in Kindertagen verpflichtet. 1970, gleich zu Beginn eines Jahrzehnts geboren, dessen musikkulturelle Errungenschaften bis heute allenthalben nachhallen, entdeckte er das Beseelte in unterschiedlichen Formen zeitgenössischer Musik. Fest in Karlzons DNA verankert, fanden teils disparat wirkende Tonkunst-Quellen eine charakteristische Bündelung. Das Erzählerische, die liedschreibende Komponistenhandschrift, der es ein Anliegen zu sein scheint, außerhalb ihrer Jazz-Heimat immer wieder neu anzuknüpfen, ist typisch Jacob Karlzon. Fragt man ihn nach seiner Selbstdefinition als Künstler, antwortet er: „Alternative Musician“. Das ist bewusst schön ungenau formuliert, denn nichts schränkt einen Freigeist wie ihn mehr ein als die Kapitulation vor dem Zwang zur unbedingten Genre-Definierbarkeit seiner Kunst. Karlzon spielt Jazz, denkt Rock, spricht mittels der Tasten seines Steinway-Flügels wie ein Philosoph - musikalisch anspruchsvoll und höchst einladend.
Wer den ersten Noten des Eröffnungsstücks von „Wanderlust“ lauscht, wird eine Neudeutung der „Open Waters“-Sprache finden. Über einem zunächst zurückhaltend platzierten, elektronischen Beat erhebt sich ein kontemplatives Piano-Motiv, das im Verlauf zunehmend an herzzielender Intensität gewinnt. Die Pulse legen an Erkennbarkeit zu, bevor ein improvisierter Piano-Part aus der Struktur ausbricht und metrenstark ins Prog-Rock-artige Crescendo führt. „Art Of Resistance“ hat Karlzon die Einführung in sein neues Album genannt. Der Name des Stücks ist Programm. Es geht um Widerstand, um Musik als Opposition zur allgegenwärtigen Unterdrückung individueller Ansichten und Bedürfnisse. Es geht, kurzum, um Liebe. Liebe als ultimativer Ausdruck von Widerstand? „Bevor das Stück seine finale Form bekam, dachte ich viel darüber nach, wie offensichtlich die Demokratie auch in einigen europäischen Ländern stückweise demontiert wird“, beschreibt Jacob Karlzon den Entstehungsprozess des Songs, der sich wie ein Fazit des kompletten Albums ausnimmt. „Es gab in unseren Breitengraden jüngst eine Menge Beispiele für autoritäre Verbotsversuche zu beobachten, gegen die wir alle aufstehen müssen. Einer Form von Unterdrückung folgt meist eine weitere, die letztlich uns alle einschränken kann.“ Jede musikalische Schichtung bis zur Mitte des Stücks steht für das Ringen um persönliche Freiheit im Angesicht doktrinärer Fesseln. Wenn Rasmus Kihlberg am akustischen Schlagzeug und Bassist Morten Ramsbøl ins Geschehen eingreifen, erhebt das Individuum schließlich seine freie Stimme als Gegengewicht zu repressiven Kontrollversuchen. Karlzon will „Wanderlust“ dennoch nicht als politisches Statement verstanden wissen. Der tiefgehende, gleichzeitig resolute Gehalt der 12 Stücke darf allerdings sehr wohl als Weckruf zur sinnlichen Erfahrung von Menschlichkeit wahrgenommen werden. „Wanderlust“ trotzt lustbetont allzu einfachen, dividierenden Formeln.
Dem (Selbst-)Versöhnlichen zugewandt, markiert „Wanderlust“, im vergangenen Jahr entstanden, auch Karlzons einwärts gerichtetes Unterwegssein. Vom Mikrokosmos aus richtet er im beständigen Mäandern der Musik zwischen Feinmotorik und profundem Statement, seinen Blick auf den Makrokosmos, und umgekehrt. „Wir Menschen sind interessante Wesen“, formuliert er rückblickend sein Situationsempfinden. „Steht uns alles offen, fehlen uns mitunter Strukturen. Fühlen wir uns eingeschränkt, beginnt unser Geist damit, Wege um Rahmenbedingungen herum zu suchen. Nelson Mandela ist ein gutes Beispiel für die Neuverdrahtung des Gehirns während seiner Dekaden andauernden Gefangenschaft. Er war ein Radikaler als er eingesperrt wurde, und kam als Symbol fürs Versöhnliche aus dem Gefängnis.“ Das Fragile unserer Existenz im Blick, spielt der norwegische Trompeter Mathias Eick im Verbund mit Karlzons Trio dem Mysteriösen des menschlichen Wesens in „Lullaby For Runaways“ zu. Eine Gruppe von Streichern mehrdimensioniert das elegische „Promises Kept“, dem Dominic Miller als Stimme der Hoffnung an Nylonsaiten beiwohnt. In Teilen kantiger als sein letztes Album „Open Waters“ arrangiert, setzt Karlzon bisweilen Schönheit in den Kontext des genauen Gegenteils. Die daraus gewonnene Energie schlägt sich im selbstverliebt-paradierenden „Your Latest Comeback“ in musikalischem Humor nieder. Ein Schelm, wer dabei an die Marktschreier unserer Zeit denkt! Dank Jacob Karlzons immenser narrativer Kunstfertigkeiten, ist „Wanderlust“ von der ersten bis zur letzten Note eine Geschichte über Humanität, das Leben, die Freiheit und die konstruktive Kraft des menschlichen Geistes - angetrieben von pulsierender Magie, die reichlich Nachhall findet.
Rezensionen
»Art of Restistance« hat Jacob Karlzon die Exposition seines neuen Albums genannt. Der Titel des Stücks ist durchaus programmatisch zu verstehen. Es geht um Widerstand, um Musik als Gelegenheit zu oppositioneller Stellungnahme in Bezug auf allgegenwärtige Unterdrückung und Anpassung. (…) dem schwedischen Pianisten ist es gelungen, sein Vorhaben auch mit Leben zu füllen. Jede musikalische Schichtung , meist bis zur Mitte eines jeden der insgesamt 12 Stücke aufgebaut, steht für das Ringen um persönlichen Freiraum angesichts doktrinärer Einschränkungen.‹ (Piano News, März 2022)»Melodischer Erfindungsreichtum trifft auf harmonische Raffinesse. Ob europäische Kunstmusik, Pop oder Jazz – Karlzon holt sich überall seine Inspiration und macht doch etwas ganz Eigenes daraus.«
- Tracklisting
Die Hörproben gehören zum Artikel Jacob Karlzon: Wanderlust (CD). Das Tracklisting kann bei diesem Artikel ggf. abweichen.
LP
- 1 Art of Resistance
- 2 Trip the Light Fantastic
- 3 Subject to Change
- 4 Promises Kept feat. Dominic Miller
- 5 Lullaby for Runaways feat. Mathias Eick
- 6 Your Latest Comeback
LP
- 1 Down to Earth
- 2 Steps & Stages
- 3 Angel by the Sea feat. Dominic Miller
- 4 Brave Souls feat. Mathias Eick
- 5 Nordic Noir
- 6 To the Moon and Back