Florian Ross: Home And Some Other Place
Home And Some Other Place
CD
CD (Compact Disc)
Herkömmliche CD, die mit allen CD-Playern und Computerlaufwerken, aber auch mit den meisten SACD- oder Multiplayern abspielbar ist.
+ Claus Stötter, Matthias Erlewein, Dietmar Fuhr, Stephane
Huchard
Huchard
Vielen europäischen Jazzmusikern gilt es als Tugend, sich von amerikanischen Vorbildern und Spielhaltungen zu distanzieren. Ein anderes Lager ist bemüht, die amerikanische Tradition möglichst authentisch in Europa fortzuführen. Wie wohltuend hebt sich in diesem oft peinlich programmatischen Kontext ein Album wie „Home & Some Other Place“ des Kölner Pianisten Florian Ross ab.
Ross hat längst den Beweis erbracht, dass er vom Piano-Trio bis zur Big Band jede im Jazz denkbare Besetzung meistert. Zuletzt setzte er als Hammond-Schwergewicht auf Nils Wograms CD „Daddy’s Bones“ Akzente. Seine neue CD entstand im Quintett mit Claus Stötter (Trumpet, Flügelhorn), Mat-thias Erlewein (Tenor Sax), Dietmar Fuhr (Bass) und Stéphane Huchard (Drums). Ross setzt sich nicht nur einfach über Demarkationslinien hinweg. Unaufdringlich und verspielt küsst er das spontane Flair klassischer Blue Note-Aufnahmen wach und übersetzt es in eine Sprache der Gegenwart. Dabei kommt er völlig ohne Pop- oder Elektronik-Platitüden aus. Als konzeptioneller Denker ist er ganz in Europa zu Hause, weicht der Berührung mit dem Mutterland des Jazz jedoch nicht aus. Stringent durchdachte Parts durchdringen sich immer wieder mit spontanem Teamwork. „Wir haben eine Zeit erreicht“, so Ross, „in der es nicht mehr notwendig ist, sich in der Musik politisch von Amerika abzusetzen. Es spielt keine vordergründige Rolle, woher man kommt und wohin man will, wozu man gehört und wozu nicht. Die drei kürzeren Stücke des Albums sind völlig frei improvisiert. Am Ende der Aufnahmen hatten wir noch ein wenig Zeit. Ich sagte, lasst uns doch noch ein paar freie Sachen machen. Die anderen Stücke sind komponiert, durchdacht und abgesprochen.“ Ross errichtet sein musikalisches Gebäude aus individuellen Stimmen. Die Kraft, mit der er seine Meute spielerisch anführt, erinnert an die magische Urgewalt eines McCoy Tyner in den sechziger Jahren. Für Ross ist das Klavier per se kein vergeistigter Schönklangerzeuger, der fortwährend nach den Brücken zur europäischen Klassik sucht, sondern nicht zuletzt auch ein perkussiver Motor, der Druck, Reibung und Lärm hervorbringt. „Ich will keine Pianistenplatte machen, bei der das Klavier im Vordergrund steht und alles andere zur Staffage verkommt. Bei mir muss die Musik stimmen, und dazu muss jeder sein Teil beitragen. Das Gesamtbild ist wichtig. Wenn die Musik stimmt und man immer noch hören kann, dass der Pianist seinen Anteil daran hat, ohne penetrant zu sein, habe ich mein Ziel erreicht.“
Ross‘ Kompagnons sind handverlesen. Die personelle Spannung innerhalb der Band resultiert aus der Entscheidung, sich diese Musik sowohl mit langjährigen Vertrauten wie auch mit völlig neuen Partnern zu erspielen. „Matthias Erlewein kenne und schätze ich schon lange. Ich wollte ihn unbedingt in dieser Band haben. Claus Stötter lernte ich über die Jahre immer besser kennen. Wir haben bis jetzt nur in einer großen Besetzung zusammen gespielt und ich wollte mit ihm mal in einer kleinen Gruppe arbei-ten. Auch mit Dietmar Fuhr habe ich lange kontinuierlich Musik gemacht, aber fühlt sich immer wie-der ganz frisch an. Nur mit dem Stéphane Huchard habe ich noch nie gespielt. Ich war auf der Suche nach einem Schlagzeuger, der zu diesem Projekt passt. Es gab mehrere Optionen, aber mit keiner war ich glücklich. Ich fragte ein wenig herum. Claus Stötter empfahl mir Stéphane, den er aus Pariser Zeiten kannte. Auch der Bassist meines Trios, Remi Vignolo empfahl ihn mir. Das ist natürlich ein wenig riskant. Viele Leute sagten, ich wäre wahnsinnig, einen Drummer anzuheuern, ohne zu wissen, wie der spielt.“
Doch gerade mit Huchard verschmilzt Ross regelrecht zu einer einzigen musikalischen Identität. Ross‘ perkussiver und doch gleichzeitig oft weicher Anschlag und Huchards sensibles Changieren auf den Trommeln macht es zuweilen schwer, die Pfade von Piano und Schlagzeug zu separieren. Aber warum auch? Die Begegnung zwischen den Beiden funktionierte wie eine Initialzündung. „Dabei hat-ten wir nicht einmal eine Probe. Wir trafen uns im Studio, spielten die Stücke zum ersten Mal und nahmen sie gleich auf. Stéphane hatte riesigen Spaß dabei. Es war vielleicht Glück, dass das Material ihm besonders lag, aber wir verstanden uns auch persönlich sehr gut. Auf Stéphane zu treffen war wie ein Lotto-Gewinn. Wir werden diese Zusammenarbeit auch in Zukunft fortsetzen.“
Wie schon der Titel andeutet, liegt eine Besonderheit der CD im akzentuierten Spiel mit bestimmten Kontrastpaaren. „Home & Some Other Place“ lebt vom stets unvorhersehbaren Wechselspiel zwi-schen statischen und dynamischen Elementen, intimen und offenen Momenten. „Ich wollte kein durchkomponiertes und durchstrukturiertes Album machen, es sollte aber auch nicht aufdringlich frei sein. Viel wichtiger war es mir, die natürliche Balance zwischen meinen unterschiedlichen Einflüssen, Motiven und Gefühlen herzustellen. Laut-Leise, Gerade-Schräg, all das ist ein Teil von mir. Ich wollte keinen Überhang zu irgendeiner Seite haben. Das Album soll ja in erster Linie mich selbst widerspie-geln.“ Mit seinem Titel bezieht sich Ross gleichermaßen auf innere wie auf äußere Orte. Die Erklä-rung des Pianisten klingt so logisch, simpel und einleuchtend, dass man sich wundert, warum derselbe Titel nicht schon für tausend andere Alben zuvor verwendet wurde. „Home steht für das, was man kennt, die Tradition, den Ort, an dem man geerdet ist, sich wohl fühlt und nicht von Überraschungen heimgesucht wird. Some Other Place ist der Ort, an dem man noch nicht war.“
„Home & Some Other Place“ ist eine unverhohlene Liebeserklärung an den Jazz, eine Musik, die nie-mals wirklich entstand, nirgends wirklich zu Hause war und niemals wirklich vollendet sein wird, aber gerade deshalb zu keinem Zeitpunkt je an Aktualität eingebüßt hat. Eine Musik, in der Florian Ross Geborgenheit findet und von der er sich herausgefordert fühlen darf. (intuition-music. com)
Florian Ross: piano / Claus Stötter: Trumpet, flugelhorn / Matthias Erlewein: tenor sax / Dietmar fuhr: bass / Stéphane Huchard: drums
Ross hat längst den Beweis erbracht, dass er vom Piano-Trio bis zur Big Band jede im Jazz denkbare Besetzung meistert. Zuletzt setzte er als Hammond-Schwergewicht auf Nils Wograms CD „Daddy’s Bones“ Akzente. Seine neue CD entstand im Quintett mit Claus Stötter (Trumpet, Flügelhorn), Mat-thias Erlewein (Tenor Sax), Dietmar Fuhr (Bass) und Stéphane Huchard (Drums). Ross setzt sich nicht nur einfach über Demarkationslinien hinweg. Unaufdringlich und verspielt küsst er das spontane Flair klassischer Blue Note-Aufnahmen wach und übersetzt es in eine Sprache der Gegenwart. Dabei kommt er völlig ohne Pop- oder Elektronik-Platitüden aus. Als konzeptioneller Denker ist er ganz in Europa zu Hause, weicht der Berührung mit dem Mutterland des Jazz jedoch nicht aus. Stringent durchdachte Parts durchdringen sich immer wieder mit spontanem Teamwork. „Wir haben eine Zeit erreicht“, so Ross, „in der es nicht mehr notwendig ist, sich in der Musik politisch von Amerika abzusetzen. Es spielt keine vordergründige Rolle, woher man kommt und wohin man will, wozu man gehört und wozu nicht. Die drei kürzeren Stücke des Albums sind völlig frei improvisiert. Am Ende der Aufnahmen hatten wir noch ein wenig Zeit. Ich sagte, lasst uns doch noch ein paar freie Sachen machen. Die anderen Stücke sind komponiert, durchdacht und abgesprochen.“ Ross errichtet sein musikalisches Gebäude aus individuellen Stimmen. Die Kraft, mit der er seine Meute spielerisch anführt, erinnert an die magische Urgewalt eines McCoy Tyner in den sechziger Jahren. Für Ross ist das Klavier per se kein vergeistigter Schönklangerzeuger, der fortwährend nach den Brücken zur europäischen Klassik sucht, sondern nicht zuletzt auch ein perkussiver Motor, der Druck, Reibung und Lärm hervorbringt. „Ich will keine Pianistenplatte machen, bei der das Klavier im Vordergrund steht und alles andere zur Staffage verkommt. Bei mir muss die Musik stimmen, und dazu muss jeder sein Teil beitragen. Das Gesamtbild ist wichtig. Wenn die Musik stimmt und man immer noch hören kann, dass der Pianist seinen Anteil daran hat, ohne penetrant zu sein, habe ich mein Ziel erreicht.“
Ross‘ Kompagnons sind handverlesen. Die personelle Spannung innerhalb der Band resultiert aus der Entscheidung, sich diese Musik sowohl mit langjährigen Vertrauten wie auch mit völlig neuen Partnern zu erspielen. „Matthias Erlewein kenne und schätze ich schon lange. Ich wollte ihn unbedingt in dieser Band haben. Claus Stötter lernte ich über die Jahre immer besser kennen. Wir haben bis jetzt nur in einer großen Besetzung zusammen gespielt und ich wollte mit ihm mal in einer kleinen Gruppe arbei-ten. Auch mit Dietmar Fuhr habe ich lange kontinuierlich Musik gemacht, aber fühlt sich immer wie-der ganz frisch an. Nur mit dem Stéphane Huchard habe ich noch nie gespielt. Ich war auf der Suche nach einem Schlagzeuger, der zu diesem Projekt passt. Es gab mehrere Optionen, aber mit keiner war ich glücklich. Ich fragte ein wenig herum. Claus Stötter empfahl mir Stéphane, den er aus Pariser Zeiten kannte. Auch der Bassist meines Trios, Remi Vignolo empfahl ihn mir. Das ist natürlich ein wenig riskant. Viele Leute sagten, ich wäre wahnsinnig, einen Drummer anzuheuern, ohne zu wissen, wie der spielt.“
Doch gerade mit Huchard verschmilzt Ross regelrecht zu einer einzigen musikalischen Identität. Ross‘ perkussiver und doch gleichzeitig oft weicher Anschlag und Huchards sensibles Changieren auf den Trommeln macht es zuweilen schwer, die Pfade von Piano und Schlagzeug zu separieren. Aber warum auch? Die Begegnung zwischen den Beiden funktionierte wie eine Initialzündung. „Dabei hat-ten wir nicht einmal eine Probe. Wir trafen uns im Studio, spielten die Stücke zum ersten Mal und nahmen sie gleich auf. Stéphane hatte riesigen Spaß dabei. Es war vielleicht Glück, dass das Material ihm besonders lag, aber wir verstanden uns auch persönlich sehr gut. Auf Stéphane zu treffen war wie ein Lotto-Gewinn. Wir werden diese Zusammenarbeit auch in Zukunft fortsetzen.“
Wie schon der Titel andeutet, liegt eine Besonderheit der CD im akzentuierten Spiel mit bestimmten Kontrastpaaren. „Home & Some Other Place“ lebt vom stets unvorhersehbaren Wechselspiel zwi-schen statischen und dynamischen Elementen, intimen und offenen Momenten. „Ich wollte kein durchkomponiertes und durchstrukturiertes Album machen, es sollte aber auch nicht aufdringlich frei sein. Viel wichtiger war es mir, die natürliche Balance zwischen meinen unterschiedlichen Einflüssen, Motiven und Gefühlen herzustellen. Laut-Leise, Gerade-Schräg, all das ist ein Teil von mir. Ich wollte keinen Überhang zu irgendeiner Seite haben. Das Album soll ja in erster Linie mich selbst widerspie-geln.“ Mit seinem Titel bezieht sich Ross gleichermaßen auf innere wie auf äußere Orte. Die Erklä-rung des Pianisten klingt so logisch, simpel und einleuchtend, dass man sich wundert, warum derselbe Titel nicht schon für tausend andere Alben zuvor verwendet wurde. „Home steht für das, was man kennt, die Tradition, den Ort, an dem man geerdet ist, sich wohl fühlt und nicht von Überraschungen heimgesucht wird. Some Other Place ist der Ort, an dem man noch nicht war.“
„Home & Some Other Place“ ist eine unverhohlene Liebeserklärung an den Jazz, eine Musik, die nie-mals wirklich entstand, nirgends wirklich zu Hause war und niemals wirklich vollendet sein wird, aber gerade deshalb zu keinem Zeitpunkt je an Aktualität eingebüßt hat. Eine Musik, in der Florian Ross Geborgenheit findet und von der er sich herausgefordert fühlen darf. (intuition-music. com)
Florian Ross: piano / Claus Stötter: Trumpet, flugelhorn / Matthias Erlewein: tenor sax / Dietmar fuhr: bass / Stéphane Huchard: drums
Rezensionen
W. Stiefele in Audio 2/05: "Nur selten gelingen Jazzern so differenzierte Stücke wie hier dem Kölner Pianisten Florian Ross. Ständig wechseln Rhythmen und Klangfarben, raffiniert gesetzte Breaks schaffen Spannung. Die tadel- lose Besetzung mit Trompeter Claus Stötter, Saxofonist Matthias Erlewein, Bassist Dietmar Fuhr und Schlagzeuger Stéphane Huchard kreuzt auf der soliden abgemischten Scheibe amerikanischen Hardbop mit der europäischen, auf Nuancenreichtum ausgerichteten Musiktradition."- Tracklisting
- Mitwirkende
Disk 1 von 1 (CD)
- 1 Dr. Gradus
- 2 Pretty King
- 3 5 Freunde
- 4 Strange but true
- 5 Richard called
- 6 Tiger Holiday
- 7 Platypus
- 8 Pretty thing postlude
- 9 Hal
- 10 Like like like
- 11 Arts and chemistry
- 12 Lanugo
- 13 Sunshower
- 14 4W
- 15 Short visit