Elliott Sharp: Secret Life
Secret Life
CD
CD (Compact Disc)
Herkömmliche CD, die mit allen CD-Playern und Computerlaufwerken, aber auch mit den meisten SACD- oder Multiplayern abspielbar ist.
* Elliott Sharps Terraplane
Es ist noch gar nicht so lange her, da galt der Gitarrist, Saxofonist und Komponist Elliott Sharp als Protagonist der legendären Downtown Scene von New York, die sich in Clubs wie der Knitting Factory, the Kitchen oder Tonic tummelte. Die Innovationen dieses Biotops, die Errungenschaften zwischen Noise und Postmoderne dominierten Jazz und Jazz-Verwandtes über zwei Jahrzehnte. Nach dem 11. September gab es nur wenige, die die Sprache wiederfanden. Zu denen gehört ohne Frage Elliott Sharp.
Kaum ein anderer Künstler ist auf so vielen Gebieten der Musik aktiv wie Sharp. Er schrieb Orchesterwerke und Streichquartette, die vom Kronos Quartet und dem Soldier String Quartet aufgeführt wurden, definierte mit seiner Band Carbon den Jazzcore neu, betrieb mit Ned Rothenberg und Samm Bennett das Avantgarde-Trio Semantics, improvisierte mit John Zorn, Zeena Parkins, Christian Marclay, Marc Ribot, Joey Baron, DJ Soulslinger und vielen anderen, führte in seinem Projekt Tectonics die Triumphe von Techno und Drum’n’Bass mit den Erfahrungen der freien Improvisation zusammen, zelebrierte mit Bands wie den Boodlers, Bootstrappers oder zuletzt Raw Meat handfesten Power-Rock, betrieb mit Vernon Reid und David Torn das Gitarrentrio Guitar Oblique und nahm mit seinen State Of The Union-Compilations regelmäßige Bestandsaufnahmen der New Yorker Szene vor, um nur einige Aktivitäten aufzuzählen. Neben all diesen visionären Bands und Projekten ließ er sich jedoch auch hin und wieder in die Tradition fallen. Unvergessen ist seine Folk-rock Band Mofungo. Seit einigen Jahren lotet er mit der Band Terraplane die Abgründe des Blues aus.
Wenn Elliott Sharp vom Blues spricht, dann meint er nicht die Übersetzung des Blues in ein wie auch immer definiertes futuristisches Korsett. Er sucht in seinem Blues Authentizität, Kontinuität und Halt. Gerade auf „Secret Life“ sind seine Songs von archaischer Schönheit. Und doch kopiert er nicht die vermeintliche Romantik prämoderner Baumwollfelder. Sein Blues spielt weder im Mississippi Delta noch in der Southside von Chicago, sondern im tosenden Hexenkessel des Hudson Delta, dessen bekannteste Insel Manhattan heißt. „Mein erster Kontakt zum Blues kam über die Yardbirds und die Rolling Stones. Von Anfang an interessierte mich, wer diese Songs geschrieben haben mag. So kam ich auf direktem Weg zu Platten von Muddy Waters, Howling Wolf und Robert Johnson. Ich las viel über diese Musiker und begann mich mehr und mehr für Country Blues zu interessieren. Als ich Slide Guitar zu spielen begann, fühlte ich mich diesem Sound umso verbundener, weil er so vokal ist. Bevor ich Akkorde und Skalen zu spielen lernte, spielte ich slide mit den Reagenzgläsern meines Chemiebaukastens. Als ich gegen 1968 Karlheinz Stockhausen, Harry Prach, Cecil Taylor, Ornette Coleman, Feedback, indische und psychedelische Musik zu hören begann, wollte ich all diese Musikrichtungen auf einmal spielen. Um einen Weg dahin zu finden, mußte ich herausfinden, wer ich selbst bin. Diese Frage treibt mich noch heute an. Das hört niemals auf. Wenn ich mich dieser Definition heute stärker annähere als jemals zuvor, dann nur, weil ich älter werde.“
In diesem Sinne ist Musik für Elliott Sharp immer eine Art Wahrheitssuche. Der Titel „Secret Life“ deutet auf die Geheimnisse, die hinter der Oberfläche der Dinge liegen. Sharp hat Prinzipien der Naturwissenschaft vertont, mathematische Sätze und chemische Formeln in Klang übersetzt und mit seinen Songs und Alben oftmals schmerzhaft konkret zu politischen Entwicklungen Stellung bezogen. In diesem Kontinuum immergültiger und aktueller Wahrheiten lehnt Sharp den Begriff der Avantgarde für sich zunehmend ab. „Ich habe niemals wirklich die Idee der Avantgarde gemocht. Musik singt oder sie singt nicht. Sicher gibt es Musik, die sich auf die Tradition bezieht, und solche, die der Tradition entflieht. Aber ich denke, mein Album läßt sich nicht einmal in diesen Koordinaten positionieren. Mir geht es um eine Musik, die man klar ins Spekrum des Blues einordnet, aber von der man ebenso deutlich spürt, daß sie sich nicht der Blues-Tradition unterordnet, es sei denn, jemand faßt die Blues-Tradition sehr weit.“
Faszinierend ist die Klang- und Formenvielfalt des Albums. Sharp selbst entlockt seinen Gitarren mehr Farben, als man dem Zusammenspiel von sechs Saiten je zutrauen würde. Nie zuvor hat er akustisches und elektrisches Spiel so organisch miteinander verknüpft. In einigen Stücken funktioniert der Blues wie ein Fachwerkhaus, dessen vorgegebenes Gerüst mit einer Unzahl von Stimmen und Klängen gefüllt wird, in anderen eher wie eine Abendstimmung, in der man den Blues spürt, ohne ihn je konkret greifen zu können. Auch an spirituellen und psychedelischen Auslegungen des Blues mangelt es nicht. Seinen Mitspielern läßt Sharp alle erdenklichen Freiheiten, innerhalb der Songs eigene Wege zu bahnen, ohne aus dem Bandkontext auszubrechen. Das Spektrum reicht von minimalistischen Soloaktionen bis zu explosivem Elektro-Blues. Dank Sharps Geschick als Produzent klingt das Album dennoch nicht eklektisch, sondern beschreibt einen logischen Fluss aufeinander bezogener Bewegungsabläufe.
Mit dem neuen Album schlägt Sharp ein neues Kapitel von Terraplane auf. Die CD klingt traditioneller als die vorherigen Alben der Band. Dafür legt Sharp mehr Augenmerk auf die Songstruktur. Aber auch die Besetzung hat sich verändert. Nachdem sein langjähriger Saxofonist Sam Furnace letztes Jahr einem Krebsleiden erlag, spielt Alex Harding Baritonsaxofon, Sharp selbst übernimmt das Tenorsax und um den Bläsersatz komplett zu machen, spielt Curtis Fowlkes (Lounge Lizards, Jazz Passengers) Posaune. Hinter dem Schlagzeug hat Lance Carter Platz genommen, mit dem Sharp schon aus der Band Raw Meat vertraut ist. Bass spielt Avantgarde-Legende Dave Hofstra, den man noch von Bands wie The President oder dem Microscopic Septet kennt. Hinter dem Mikrofon stehen Eric Mingus, der schwergewichtige Sohn von Charles Mingus, einer der fulminantensten Bluessänger unserer Tage, und die Poetin Tracie Morris von der Black Rock Coalition. Terraplane ist mehr als nur Elliott Sharps Vehikel. Es ist eine New Yorker Allstar Band. „Mein Blues ist New York Blues und zugleich ein außerirdischer Blues. Ich will ihn nicht an bestimmten Orten festmachen. Dennoch stammen alle Musiker aus New York. Die Grooves und die Akzente aller Musiker in den Solos sind unmittelbar mit New York verknüpft. Terraplane wird immer populärer. Insofern habe ich mit dieser Band einfach mehr Auftrittsmöglichkeiten. An Terraplane liebe ich den Umstand, daß in dieser Band so viele Aspekte meiner Arbeit zusammenfließen. Ich will ja nicht den historischen Blues wiederbeleben, sondern eine Musik spielen, die sich lebendig anfühlt.“ (intuition-music. com)
Elliott Sharp: guitars, tenor saxophone / Lance Carter: drums / Curtis Fowlkes: trombone / Alex Harding: baritone saxophones / David Hofstra: bass / Eric Mingus: vocals / Tracie Morris: vocals / Hubert Sumlin: guitar
Kaum ein anderer Künstler ist auf so vielen Gebieten der Musik aktiv wie Sharp. Er schrieb Orchesterwerke und Streichquartette, die vom Kronos Quartet und dem Soldier String Quartet aufgeführt wurden, definierte mit seiner Band Carbon den Jazzcore neu, betrieb mit Ned Rothenberg und Samm Bennett das Avantgarde-Trio Semantics, improvisierte mit John Zorn, Zeena Parkins, Christian Marclay, Marc Ribot, Joey Baron, DJ Soulslinger und vielen anderen, führte in seinem Projekt Tectonics die Triumphe von Techno und Drum’n’Bass mit den Erfahrungen der freien Improvisation zusammen, zelebrierte mit Bands wie den Boodlers, Bootstrappers oder zuletzt Raw Meat handfesten Power-Rock, betrieb mit Vernon Reid und David Torn das Gitarrentrio Guitar Oblique und nahm mit seinen State Of The Union-Compilations regelmäßige Bestandsaufnahmen der New Yorker Szene vor, um nur einige Aktivitäten aufzuzählen. Neben all diesen visionären Bands und Projekten ließ er sich jedoch auch hin und wieder in die Tradition fallen. Unvergessen ist seine Folk-rock Band Mofungo. Seit einigen Jahren lotet er mit der Band Terraplane die Abgründe des Blues aus.
Wenn Elliott Sharp vom Blues spricht, dann meint er nicht die Übersetzung des Blues in ein wie auch immer definiertes futuristisches Korsett. Er sucht in seinem Blues Authentizität, Kontinuität und Halt. Gerade auf „Secret Life“ sind seine Songs von archaischer Schönheit. Und doch kopiert er nicht die vermeintliche Romantik prämoderner Baumwollfelder. Sein Blues spielt weder im Mississippi Delta noch in der Southside von Chicago, sondern im tosenden Hexenkessel des Hudson Delta, dessen bekannteste Insel Manhattan heißt. „Mein erster Kontakt zum Blues kam über die Yardbirds und die Rolling Stones. Von Anfang an interessierte mich, wer diese Songs geschrieben haben mag. So kam ich auf direktem Weg zu Platten von Muddy Waters, Howling Wolf und Robert Johnson. Ich las viel über diese Musiker und begann mich mehr und mehr für Country Blues zu interessieren. Als ich Slide Guitar zu spielen begann, fühlte ich mich diesem Sound umso verbundener, weil er so vokal ist. Bevor ich Akkorde und Skalen zu spielen lernte, spielte ich slide mit den Reagenzgläsern meines Chemiebaukastens. Als ich gegen 1968 Karlheinz Stockhausen, Harry Prach, Cecil Taylor, Ornette Coleman, Feedback, indische und psychedelische Musik zu hören begann, wollte ich all diese Musikrichtungen auf einmal spielen. Um einen Weg dahin zu finden, mußte ich herausfinden, wer ich selbst bin. Diese Frage treibt mich noch heute an. Das hört niemals auf. Wenn ich mich dieser Definition heute stärker annähere als jemals zuvor, dann nur, weil ich älter werde.“
In diesem Sinne ist Musik für Elliott Sharp immer eine Art Wahrheitssuche. Der Titel „Secret Life“ deutet auf die Geheimnisse, die hinter der Oberfläche der Dinge liegen. Sharp hat Prinzipien der Naturwissenschaft vertont, mathematische Sätze und chemische Formeln in Klang übersetzt und mit seinen Songs und Alben oftmals schmerzhaft konkret zu politischen Entwicklungen Stellung bezogen. In diesem Kontinuum immergültiger und aktueller Wahrheiten lehnt Sharp den Begriff der Avantgarde für sich zunehmend ab. „Ich habe niemals wirklich die Idee der Avantgarde gemocht. Musik singt oder sie singt nicht. Sicher gibt es Musik, die sich auf die Tradition bezieht, und solche, die der Tradition entflieht. Aber ich denke, mein Album läßt sich nicht einmal in diesen Koordinaten positionieren. Mir geht es um eine Musik, die man klar ins Spekrum des Blues einordnet, aber von der man ebenso deutlich spürt, daß sie sich nicht der Blues-Tradition unterordnet, es sei denn, jemand faßt die Blues-Tradition sehr weit.“
Faszinierend ist die Klang- und Formenvielfalt des Albums. Sharp selbst entlockt seinen Gitarren mehr Farben, als man dem Zusammenspiel von sechs Saiten je zutrauen würde. Nie zuvor hat er akustisches und elektrisches Spiel so organisch miteinander verknüpft. In einigen Stücken funktioniert der Blues wie ein Fachwerkhaus, dessen vorgegebenes Gerüst mit einer Unzahl von Stimmen und Klängen gefüllt wird, in anderen eher wie eine Abendstimmung, in der man den Blues spürt, ohne ihn je konkret greifen zu können. Auch an spirituellen und psychedelischen Auslegungen des Blues mangelt es nicht. Seinen Mitspielern läßt Sharp alle erdenklichen Freiheiten, innerhalb der Songs eigene Wege zu bahnen, ohne aus dem Bandkontext auszubrechen. Das Spektrum reicht von minimalistischen Soloaktionen bis zu explosivem Elektro-Blues. Dank Sharps Geschick als Produzent klingt das Album dennoch nicht eklektisch, sondern beschreibt einen logischen Fluss aufeinander bezogener Bewegungsabläufe.
Mit dem neuen Album schlägt Sharp ein neues Kapitel von Terraplane auf. Die CD klingt traditioneller als die vorherigen Alben der Band. Dafür legt Sharp mehr Augenmerk auf die Songstruktur. Aber auch die Besetzung hat sich verändert. Nachdem sein langjähriger Saxofonist Sam Furnace letztes Jahr einem Krebsleiden erlag, spielt Alex Harding Baritonsaxofon, Sharp selbst übernimmt das Tenorsax und um den Bläsersatz komplett zu machen, spielt Curtis Fowlkes (Lounge Lizards, Jazz Passengers) Posaune. Hinter dem Schlagzeug hat Lance Carter Platz genommen, mit dem Sharp schon aus der Band Raw Meat vertraut ist. Bass spielt Avantgarde-Legende Dave Hofstra, den man noch von Bands wie The President oder dem Microscopic Septet kennt. Hinter dem Mikrofon stehen Eric Mingus, der schwergewichtige Sohn von Charles Mingus, einer der fulminantensten Bluessänger unserer Tage, und die Poetin Tracie Morris von der Black Rock Coalition. Terraplane ist mehr als nur Elliott Sharps Vehikel. Es ist eine New Yorker Allstar Band. „Mein Blues ist New York Blues und zugleich ein außerirdischer Blues. Ich will ihn nicht an bestimmten Orten festmachen. Dennoch stammen alle Musiker aus New York. Die Grooves und die Akzente aller Musiker in den Solos sind unmittelbar mit New York verknüpft. Terraplane wird immer populärer. Insofern habe ich mit dieser Band einfach mehr Auftrittsmöglichkeiten. An Terraplane liebe ich den Umstand, daß in dieser Band so viele Aspekte meiner Arbeit zusammenfließen. Ich will ja nicht den historischen Blues wiederbeleben, sondern eine Musik spielen, die sich lebendig anfühlt.“ (intuition-music. com)
Elliott Sharp: guitars, tenor saxophone / Lance Carter: drums / Curtis Fowlkes: trombone / Alex Harding: baritone saxophones / David Hofstra: bass / Eric Mingus: vocals / Tracie Morris: vocals / Hubert Sumlin: guitar
Rezensionen
B. Klostermann in Stereo 10/05: "Sharp ist Klang- und Formenexperimentator, kein Hüter der Tradition. Mit (Slide-) Gitarren, einer Allstar-Band der Downtown-Szene und Gästen wie Charles Mingus´ Sohn Eric (Gesang) und der Poetin Tracie Morris gelingt ihm das Kunststück, Sound, Spirit und Struktur des Blues zu bewahren und zugleich für zeitgemäße Entwicklungen zu öffnen."- Tracklisting
- Mitwirkende
Disk 1 von 1 (CD)
- 1 Highway Null
- 2 Clandestiny
- 3 Take My Leave
- 4 Nobody Know
- 5 Blue State
- 6 USA Out Of NYCc!
- 7 Prime Crime
- 8 Crackertown Two-Step
- 9 They Say We Is
- 10 Edifice Wrecked
- 11 On Down
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