Anouar Brahem: Astrakan Café
Astrakan Café
CD
CD (Compact Disc)
Herkömmliche CD, die mit allen CD-Playern und Computerlaufwerken, aber auch mit den meisten SACD- oder Multiplayern abspielbar ist.
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EUR 18,99*
- Label: ECM, 2000
- Bestellnummer: 3139136
- Erscheinungstermin: 16.10.2000
* feat.Lassad Hosni,Barbaros Erköse
Tunisian oud virtuoso Anouar Brahem counts as one of ECM's most important "discoveries" of the last decade. After his highly successful trans-cultural recording "Thimar", he returns to a more purely Middle Eastern music on "Astrakan Café", with the trio that has been his first priority for several years. The improvisational exchanges between Brahem, clarinettist Barbaros Erköse and percussionist Lassad Hosni are exceptionally fluid, and the atmospheres that they create by turns mysterious, hypnotic, dramatic...
Die Laute ist symbolträchtig wie kaum ein anderes Instrument. Wie eine klingende Ikone verkörpert sie das Zusammenfließen Asiens, Europas und Afrikas in der unregelmäßigen Küstenlinie des Mittelmeeres. Ein Oud-Spieler, der die verborgensten Winkel des Klanges erforscht und sich in langer, liebevoller Reflexion in die Geschichte der arabischen und ganz allgemein der islamischen Kunstmusik versenkt hat, wird Zeuge tiefgreifender und vielschichtiger kultureller Wandlungen.
Dass Anouar Brahems Musik schwierig einzuordnen ist, zeichnet seinen künstlerischen Werdegang aus. Als Musiker, der in keine Schublade passt, auf den vom Jazz bis zur Weltmusik alle möglichen Definitionen zuzutreffen scheinen, hat er sich eine für sein musikalisches Umfeld ungewöhnliche Freiheit des Ausdrucks geschaffen. Zwischen Schlagern und aufgeblähten Riesenorchestern ist für einen Solisten scheinbar wenig Platz. Doch mit Geduld und Beharrlichkeit ist es Brahem gelungen, seinem Instrument, das nur noch auf die Rolle des Begleitinstruments beschränkt schien, eine Nische zu schaffen. Dass heute viele junge Musiker die Laute als besonders ausdrucksstarkes Instrument betrachten, ist nicht zuletzt dem Vorbild Brahems und der irakischen Brüder Jamil und Mounir Bashir zu verdanken.
In Brahems Vorliebe für die türkisch beeinflussten, kosmopolitischen Formen der arabischen Musik offenbart sich einerseits seine Auffassung des Instruments, die eng verknüpft ist mit der Essenz der traditionellen Sprache, deren Melodiemodelle, die Maqamat, die übernationale Grenze dieser Musik bilden – und andererseits die organische Verwandtschaft der verschiedenen Exemplare der großen mediterranen Lautenfamilie. So weisen die Anspielungen auf Gitarre, Saz und Baglama diese Instrumente als echte musikalische Archetypen aus, heben aber gleichzeitig ihre Gemeinsamkeiten als Elemente einer komplexen Identität hervor.
Brahems Streben nach Osten – von Tunesien und der arabischen Welt nach Asien, von der Türkei nach Indien – zeugt von einer nie gestillten Rastlosigkeit. Sicherlich sind Strenge und Perfektionismus die bedeutendsten Wesenszüge der islamischen Kunstmusik. So sind auf der einen Seite die Neigung zu melodischer Geometrie und symmetrischer Anlage das „klassische“ Erbe Brahems, auf der anderen die Fähigkeit, Gegenwart, Geschichte und Materie zu abstrahieren und in seine Klangsprache einzubeziehen. Die Art und Weise, wie Brahem offene und geschlossene Formen miteinander verbindet, ist ein Schlüssel zu seiner Künstlerpersönlichkeit.
Fasziniert von Film, Theater und Tanz, sucht er nach musikalischen Zeichen in anderen künstlerischen Ausdrucksformen, um sie in reines Klangdestillat zu verwandeln: Eleganz, Transparenz, Schlichtheit und vor allem ein eigener, unverwechselbarer Stil und Klang. Die meisterliche Beherrschung seines Instruments erwarb er in einer hervorragenden, wenn auch wenig bekannten Schule: sein Meister Ali Sriti ist ein Repräsentant der „östlichen“ arabischen Musik, also der syrischen und ägyptischen Schule. Aus der subtilen Verknüpfung der unterschiedlichen modalen Eigenarten des Mashreq und des Maghreb mit komplexen Improvisationen entsteht Brahems faszinierende, sehr persönliche Vision der arabischen Musik, fern aller Stereotype und nostalgischen Orientalismen, die das musikalische Schaffen in diesem Bereich heute teilweise kennzeichnen. Seine Distanz zu dem gegenwärtigen Musikbetrieb in der arabischen Welt ist ein Bekenntnis zu künstlerischen Werten, deren Niedergang rasch und stetig voranschreitet.
Aber Brahem blickt nicht zurück, sondern nach vorn; seine Musik ist frei von aller „lokalen“ Gefälligkeit und meidet glücklicherweise willkürliche globalisierende Zusammenstellungen. Theoretisierenden Erklärungen und ästhetischen oder sozialen Rechtfertigungen abgeneigt, lässt er die Musik sprechen – mit überraschender und bewegender Kraft, Synthesen zu schaffen, und einer wunderbaren Prägnanz, in der alles ausgedrückt ist.
Die Titel und verstreuten Anmerkungen dienen lediglich als Vorwand für den musikalischen Schaffensprozess und beziehen sich auf ganz unterschiedliche Tatsachen und Ereignisse.
Die Musik von Anouar Brahem kann man hören, ohne seine Ursprünge und seine Kultur zu kennen, sie spricht unmittelbar an. Liebenswürdig und mit sanfter Beharrlichkeit wecken seine Themen Klangvorstellungen, die alle Grenzen überwinden. Hinter der scheinbaren Verhaltenheit seiner musikalischen Sprache ist eine große Stille, dahinter wiederum viele brennende Fragen.
Der Versuch, einen direkten Bezug zwischen den in den Titeln beschworenen Orten herzustellen – von Kleinasien zum Kaukasus, von Turkmenistan nach Tansania, vom Balkan nach Aserbaidschan –, birgt die Gefahr, den Hörer irrezuführen, der gewöhnt ist, nach Verbindungen zwischen dem Werk und der Biografie des Künstlers zu suchen. Das Anregendste an Brahems Kunst ist gerade die gelungene Einbeziehung der zeitgenössischen Dimension in die Welt der Lautenmusik. Seine Musik nimmt die Zeichen der Zeit wahr, um sie zugleich zu transzendieren; und vieles, was in internationalen Zeitungsberichten während der letzten beiden Jahre die Gemüter erregte, scheint, vielleicht unbewusst, in seiner Musik anzuklingen.
Über allen Betrachtungen und Erklärungen steht das Instrument. Der Oud, die arabische Kurzhalslaute, ist der Inbegriff der arabischen Musik, ihr Topos, ihre Essenz, Synthese und Evolution. An ihm wurde die Theorie der Modi entwickelt und gelehrt. Aus seinen Saiten erwuchsen Legenden und ganze Welten. Seine Klänge wurden den menschlichen Temperamenten gleichgesetzt. Der Lautenspieler ist Schöpfer einer musikalischen Vision, in der sich Technik, Form und Inspiration in ungewöhnlichem Gleichgewicht vereinen.
Allgegenwärtig in Brahems instrumentalem Schaffen ist das Modell des Takht, eines kleinen Solistenensembles, das mit seinen Improvisationsspielen sich und das Publikum gleichermaßen berauscht. Die Klarinette von Barbaros Erköse ist nicht nur eine Klarinette, sie verkörpert eine Region, durchzieht wie eine Linie den ganzen Balkan und besingt ihn in einem Lied ohne Worte von seltener Eindringlichkeit. Brahem und der von Zigeunern abstammende türkische Musiker begegneten sich erstmals 1985 bei einem Projekt mit dem Namen Rencontre 85, das in der tunesischen Szene große Resonanz fand. Es bildete den Anfang einer Reihe von musikalischen Projekten, die Brahems Ruf als vielversprechendster und originellster Künstler seines Landes begründeten. Später gehörte Barbaros Erköse auch dem Instrumentalquartett der wunderschönen Platte Conte de l’incroyable amour von 1992 an. Das Timbre der Klarinette wird zum idealen Partner für die melodischen Streifzüge der Laute, und Brahem engagiert häufig einen der Brüder Erköse für seine Konzerte. Die Luzidität und Präzision des tunesischen Perkussionisten Lassad Hosni, der ebenfalls immer wieder an Brahems verschiedenen Projekten beteiligt ist – schaffen eine vollkommene Balance zwischen Begleitung und den musikalischen Ideen.
An die Stelle der elliptischen und anspielungsreichen Titel seiner bisherigen Aufnahmen tritt dieses Mal die Vorstellung eines Cafés: als Ort der Begegnungen, des flüchtigen Zusammentreffens und des kurzen Verweilens, aber auch als geistigen Ort, der das kulturelle Gedächtnis der Länder und Völker bewahrt und an dem sich überlieferte Traditionen erhalten.
Die vorliegende CD enthält neben neuen Kompositionen auch Bearbeitungen für das Trio aus Laute, Klarinette und Schlagzeug. So entsteht ein Portrait des Künstlers, das unterschiedliche Aspekte seiner kreativen Arbeit seit der zweiten Hälfte der achtziger Jahre zusammenfasst: beispielsweise die Titelmusik zu Ferid Boughedirs Film Halfaouine, der das Leben in dem gleichnamigen Arbeiterviertel von Tunis beschreibt, aus dem auch Brahem stammt; Parfum de gitane, das die untrennbare Verbindung zwischen der iberischen und der maghrebinischen Kultur thematisiert; Interpretationen einiger „Klassiker“ der arabisch-ottomanischen Tradition, die seit jeher im Zentrum seines Interesses stehen und mehr oder weniger deutlich als Paten einiger Stücke dieser Aufnahme erkennbar sind.
Sein Bedürfnis, aus der Tradition herauszutreten – für ihn die Summe erkennbarer klanglicher Erfahrungen und Gesten – und neue Grenzen zu erkunden, brachte ihn auch in Kontakt mit anderen Musikern, Interpreten von Musik verschiedener Epochen und Kulturen, von der Renaissance bis zum Flamenco, vom Jazz bis zur klassischen indischen Musik. Als der Dialog zwischen verschiedenen Musikbereichen noch nicht durch Eitelkeiten belastet war, suchte Brahem Begegnungen, die seine Fähigkeit zu Assimilation und Auseinandersetzung reifen ließen. Aus der tiefen Spannung zwischen den traditionellen Modellen und seinem Wunsch nach Innovation, die im übrigen auch die größten und berühmtesten Meister der Vergangenheit auszeichnet, entstanden Stücke, wie sie in Astrakan café zu hören sind.
Die Qualität dieser Aufnahme ist nicht zuletzt der ausgewogenen Akustik eines sakralen Ortes zu verdanken, der den Klang der drei Instrumente in vollkommener Weise wiedergibt. Brahems Laute lässt uns eine Welt entdecken, die, obgleich sie vertraut klingt, immer wieder fasziniert und mit neuen Details überrascht.
"Anouar Brahem’s oud playing is expressive, entrancing and beautyful. It’s so moving and anthemic it’s hard to believe any listener wouldn’t be frequently overwhelmed by Brahem’s brilliance. While one can debate whether Brahem’s music should be considered jazz or world or some hybrid of the two, there’s no denying the songs on Astrakan Café rank among the most lyrical and elegant in any genre. Brahem blends elements of traditional Arab and Islamic religious and popular music with just a slight nod to the American improvising tradition. ... Barbaros Erköse, on clarinet, and Lassad Hosni, on percussive instruments bendir and darbouka, prove equally exciting players." (Ron Wynn, Jazztimes)
"It's a fearsomely powerful album, unremitting in terms of its virtuosity and almost puritanical intensity of sound. All through their meanderings these three musicians rely solely on their instruments to recreate the required mood and sense of place. There are no vocals, samples or guest musicians to disturb their meditative focus. The music delineates the mournful beauty of a desert landscape from a myriad different angles. Brahem takes the torch from the late, great oud master Munir Bachir and makes sure that it continues to burn brightly and vividly." (Andy Morgan, Songlines)
Die Laute ist symbolträchtig wie kaum ein anderes Instrument. Wie eine klingende Ikone verkörpert sie das Zusammenfließen Asiens, Europas und Afrikas in der unregelmäßigen Küstenlinie des Mittelmeeres. Ein Oud-Spieler, der die verborgensten Winkel des Klanges erforscht und sich in langer, liebevoller Reflexion in die Geschichte der arabischen und ganz allgemein der islamischen Kunstmusik versenkt hat, wird Zeuge tiefgreifender und vielschichtiger kultureller Wandlungen.
Dass Anouar Brahems Musik schwierig einzuordnen ist, zeichnet seinen künstlerischen Werdegang aus. Als Musiker, der in keine Schublade passt, auf den vom Jazz bis zur Weltmusik alle möglichen Definitionen zuzutreffen scheinen, hat er sich eine für sein musikalisches Umfeld ungewöhnliche Freiheit des Ausdrucks geschaffen. Zwischen Schlagern und aufgeblähten Riesenorchestern ist für einen Solisten scheinbar wenig Platz. Doch mit Geduld und Beharrlichkeit ist es Brahem gelungen, seinem Instrument, das nur noch auf die Rolle des Begleitinstruments beschränkt schien, eine Nische zu schaffen. Dass heute viele junge Musiker die Laute als besonders ausdrucksstarkes Instrument betrachten, ist nicht zuletzt dem Vorbild Brahems und der irakischen Brüder Jamil und Mounir Bashir zu verdanken.
In Brahems Vorliebe für die türkisch beeinflussten, kosmopolitischen Formen der arabischen Musik offenbart sich einerseits seine Auffassung des Instruments, die eng verknüpft ist mit der Essenz der traditionellen Sprache, deren Melodiemodelle, die Maqamat, die übernationale Grenze dieser Musik bilden – und andererseits die organische Verwandtschaft der verschiedenen Exemplare der großen mediterranen Lautenfamilie. So weisen die Anspielungen auf Gitarre, Saz und Baglama diese Instrumente als echte musikalische Archetypen aus, heben aber gleichzeitig ihre Gemeinsamkeiten als Elemente einer komplexen Identität hervor.
Brahems Streben nach Osten – von Tunesien und der arabischen Welt nach Asien, von der Türkei nach Indien – zeugt von einer nie gestillten Rastlosigkeit. Sicherlich sind Strenge und Perfektionismus die bedeutendsten Wesenszüge der islamischen Kunstmusik. So sind auf der einen Seite die Neigung zu melodischer Geometrie und symmetrischer Anlage das „klassische“ Erbe Brahems, auf der anderen die Fähigkeit, Gegenwart, Geschichte und Materie zu abstrahieren und in seine Klangsprache einzubeziehen. Die Art und Weise, wie Brahem offene und geschlossene Formen miteinander verbindet, ist ein Schlüssel zu seiner Künstlerpersönlichkeit.
Fasziniert von Film, Theater und Tanz, sucht er nach musikalischen Zeichen in anderen künstlerischen Ausdrucksformen, um sie in reines Klangdestillat zu verwandeln: Eleganz, Transparenz, Schlichtheit und vor allem ein eigener, unverwechselbarer Stil und Klang. Die meisterliche Beherrschung seines Instruments erwarb er in einer hervorragenden, wenn auch wenig bekannten Schule: sein Meister Ali Sriti ist ein Repräsentant der „östlichen“ arabischen Musik, also der syrischen und ägyptischen Schule. Aus der subtilen Verknüpfung der unterschiedlichen modalen Eigenarten des Mashreq und des Maghreb mit komplexen Improvisationen entsteht Brahems faszinierende, sehr persönliche Vision der arabischen Musik, fern aller Stereotype und nostalgischen Orientalismen, die das musikalische Schaffen in diesem Bereich heute teilweise kennzeichnen. Seine Distanz zu dem gegenwärtigen Musikbetrieb in der arabischen Welt ist ein Bekenntnis zu künstlerischen Werten, deren Niedergang rasch und stetig voranschreitet.
Aber Brahem blickt nicht zurück, sondern nach vorn; seine Musik ist frei von aller „lokalen“ Gefälligkeit und meidet glücklicherweise willkürliche globalisierende Zusammenstellungen. Theoretisierenden Erklärungen und ästhetischen oder sozialen Rechtfertigungen abgeneigt, lässt er die Musik sprechen – mit überraschender und bewegender Kraft, Synthesen zu schaffen, und einer wunderbaren Prägnanz, in der alles ausgedrückt ist.
Die Titel und verstreuten Anmerkungen dienen lediglich als Vorwand für den musikalischen Schaffensprozess und beziehen sich auf ganz unterschiedliche Tatsachen und Ereignisse.
Die Musik von Anouar Brahem kann man hören, ohne seine Ursprünge und seine Kultur zu kennen, sie spricht unmittelbar an. Liebenswürdig und mit sanfter Beharrlichkeit wecken seine Themen Klangvorstellungen, die alle Grenzen überwinden. Hinter der scheinbaren Verhaltenheit seiner musikalischen Sprache ist eine große Stille, dahinter wiederum viele brennende Fragen.
Der Versuch, einen direkten Bezug zwischen den in den Titeln beschworenen Orten herzustellen – von Kleinasien zum Kaukasus, von Turkmenistan nach Tansania, vom Balkan nach Aserbaidschan –, birgt die Gefahr, den Hörer irrezuführen, der gewöhnt ist, nach Verbindungen zwischen dem Werk und der Biografie des Künstlers zu suchen. Das Anregendste an Brahems Kunst ist gerade die gelungene Einbeziehung der zeitgenössischen Dimension in die Welt der Lautenmusik. Seine Musik nimmt die Zeichen der Zeit wahr, um sie zugleich zu transzendieren; und vieles, was in internationalen Zeitungsberichten während der letzten beiden Jahre die Gemüter erregte, scheint, vielleicht unbewusst, in seiner Musik anzuklingen.
Über allen Betrachtungen und Erklärungen steht das Instrument. Der Oud, die arabische Kurzhalslaute, ist der Inbegriff der arabischen Musik, ihr Topos, ihre Essenz, Synthese und Evolution. An ihm wurde die Theorie der Modi entwickelt und gelehrt. Aus seinen Saiten erwuchsen Legenden und ganze Welten. Seine Klänge wurden den menschlichen Temperamenten gleichgesetzt. Der Lautenspieler ist Schöpfer einer musikalischen Vision, in der sich Technik, Form und Inspiration in ungewöhnlichem Gleichgewicht vereinen.
Allgegenwärtig in Brahems instrumentalem Schaffen ist das Modell des Takht, eines kleinen Solistenensembles, das mit seinen Improvisationsspielen sich und das Publikum gleichermaßen berauscht. Die Klarinette von Barbaros Erköse ist nicht nur eine Klarinette, sie verkörpert eine Region, durchzieht wie eine Linie den ganzen Balkan und besingt ihn in einem Lied ohne Worte von seltener Eindringlichkeit. Brahem und der von Zigeunern abstammende türkische Musiker begegneten sich erstmals 1985 bei einem Projekt mit dem Namen Rencontre 85, das in der tunesischen Szene große Resonanz fand. Es bildete den Anfang einer Reihe von musikalischen Projekten, die Brahems Ruf als vielversprechendster und originellster Künstler seines Landes begründeten. Später gehörte Barbaros Erköse auch dem Instrumentalquartett der wunderschönen Platte Conte de l’incroyable amour von 1992 an. Das Timbre der Klarinette wird zum idealen Partner für die melodischen Streifzüge der Laute, und Brahem engagiert häufig einen der Brüder Erköse für seine Konzerte. Die Luzidität und Präzision des tunesischen Perkussionisten Lassad Hosni, der ebenfalls immer wieder an Brahems verschiedenen Projekten beteiligt ist – schaffen eine vollkommene Balance zwischen Begleitung und den musikalischen Ideen.
An die Stelle der elliptischen und anspielungsreichen Titel seiner bisherigen Aufnahmen tritt dieses Mal die Vorstellung eines Cafés: als Ort der Begegnungen, des flüchtigen Zusammentreffens und des kurzen Verweilens, aber auch als geistigen Ort, der das kulturelle Gedächtnis der Länder und Völker bewahrt und an dem sich überlieferte Traditionen erhalten.
Die vorliegende CD enthält neben neuen Kompositionen auch Bearbeitungen für das Trio aus Laute, Klarinette und Schlagzeug. So entsteht ein Portrait des Künstlers, das unterschiedliche Aspekte seiner kreativen Arbeit seit der zweiten Hälfte der achtziger Jahre zusammenfasst: beispielsweise die Titelmusik zu Ferid Boughedirs Film Halfaouine, der das Leben in dem gleichnamigen Arbeiterviertel von Tunis beschreibt, aus dem auch Brahem stammt; Parfum de gitane, das die untrennbare Verbindung zwischen der iberischen und der maghrebinischen Kultur thematisiert; Interpretationen einiger „Klassiker“ der arabisch-ottomanischen Tradition, die seit jeher im Zentrum seines Interesses stehen und mehr oder weniger deutlich als Paten einiger Stücke dieser Aufnahme erkennbar sind.
Sein Bedürfnis, aus der Tradition herauszutreten – für ihn die Summe erkennbarer klanglicher Erfahrungen und Gesten – und neue Grenzen zu erkunden, brachte ihn auch in Kontakt mit anderen Musikern, Interpreten von Musik verschiedener Epochen und Kulturen, von der Renaissance bis zum Flamenco, vom Jazz bis zur klassischen indischen Musik. Als der Dialog zwischen verschiedenen Musikbereichen noch nicht durch Eitelkeiten belastet war, suchte Brahem Begegnungen, die seine Fähigkeit zu Assimilation und Auseinandersetzung reifen ließen. Aus der tiefen Spannung zwischen den traditionellen Modellen und seinem Wunsch nach Innovation, die im übrigen auch die größten und berühmtesten Meister der Vergangenheit auszeichnet, entstanden Stücke, wie sie in Astrakan café zu hören sind.
Die Qualität dieser Aufnahme ist nicht zuletzt der ausgewogenen Akustik eines sakralen Ortes zu verdanken, der den Klang der drei Instrumente in vollkommener Weise wiedergibt. Brahems Laute lässt uns eine Welt entdecken, die, obgleich sie vertraut klingt, immer wieder fasziniert und mit neuen Details überrascht.
Rezensionen
"Anouar Brahem’s oud playing is expressive, entrancing and beautyful. It’s so moving and anthemic it’s hard to believe any listener wouldn’t be frequently overwhelmed by Brahem’s brilliance. While one can debate whether Brahem’s music should be considered jazz or world or some hybrid of the two, there’s no denying the songs on Astrakan Café rank among the most lyrical and elegant in any genre. Brahem blends elements of traditional Arab and Islamic religious and popular music with just a slight nod to the American improvising tradition. ... Barbaros Erköse, on clarinet, and Lassad Hosni, on percussive instruments bendir and darbouka, prove equally exciting players." (Ron Wynn, Jazztimes)
"It's a fearsomely powerful album, unremitting in terms of its virtuosity and almost puritanical intensity of sound. All through their meanderings these three musicians rely solely on their instruments to recreate the required mood and sense of place. There are no vocals, samples or guest musicians to disturb their meditative focus. The music delineates the mournful beauty of a desert landscape from a myriad different angles. Brahem takes the torch from the late, great oud master Munir Bachir and makes sure that it continues to burn brightly and vividly." (Andy Morgan, Songlines)
Rezensionen
W. Dulisch in stereoplay 12/00: "Der Tunesier Lassad Hosni füllt mit Handtrommeln unaufdringlich das Aufnahmestudio - als solches wurde von Produzent und ECM-Chef Manfred Eicher das österreichische Kloster St. Gerold ausgewählt. In dieser Umgebung blüht die nordafrikanische Kurzhalslaute Oud zu voller Klangschönheit auf und erlaubt dem tunesischen Virtuosen Anouar Brahem, dem Klang jeder einzelnen Saite nachzulauschen und die Gedanken wandern zu lassen. Wenn diese drei Musiker im ostarabischen Tonfall improvisieren, überzeugen sie weniger durch akrobatische Finessen als durch sanft hypnotisierende Melodien und Rhythmen."- Tracklisting
- Mitwirkende
Disk 1 von 1 (CD)
- 1 Aube rouge à grozny
- 2 Astrakan café (1)
- 3 The Mozdok's Train
- 4 Blue Jewels
- 5 Nihawend lunga
- 6 Ashkabad
- 7 Halfaouine
- 8 Parfum de gitane
- 9 Khotan
- 10 Karakoum
- 11 Astara
- 12 Dar es salaam
- 13 Hijaz pechref
- 14 Astrakan café (2)
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Anouar Brahem (geb. 1957)
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