Eine Salzburger Sternstunde
Diese Salzburger Aufführung hält mühelos das Niveau ihrer großen Vorgänger in den 50er Jahren, als da wären Furtwängler 1953 und Mitropoulos 1956. Eine solche Über-alles-Qualität wurde seitdem kaum mehr erreicht, geschweige denn übertroffen.
Da Karajan Leontyne Price als Donna Elvira wollte, aber auf Elisabeth Schwarzkopf nicht zu verzichten bereit war, "erbte" diese die Donna Anna von Elisabeth Grümmer. Auch als Donna Anna ist sie eine Ohrenweide. Was Leontyne Price angeht, so sind einige Schreckmomente zu überstehen. Ihr Auftritt "Ah! Chi mi dice mai" lässt den Eindruck entstehen, diese Riesenstimme mit dem ausgeprägten Vibrato sei ein Fremdkörper im Ensemble. Gott sei Dank aber ändert sich dies im weiteren Verlauf ziemlich schnell, sie fügt sich stilistisch nahtlos ein. Cesare Valletti ist ein Don Ottavio ersten Ranges, er hält den Vergleich mit anderen Fachkollegen dieses Niveaus mühelos aus. Léopold Simoneau bei Mitropoulos jedoch hat in einer anderen Liga gesungen.
Walter Berry bestätigt seinen Ruf, aller Leporellos Bester zu sein. Die Sänger von Zerlina, Masetto und Komtur halten durchgängig das hohe Niveau.
Bleibt Eberhard Waechter, der Sänger der Titelpartie. Er war in diesen Jahren auf den internationalen Bühnen en vogue und hat den Giovanni im Vorjahr unter Giulini für die Schallplatte aufgenommen. So weit, so schön. Aber: Der Giovanni war und ist eine Partie für einen basso cantante und nicht für einen lyrischen Bariton. So verführerisch er Zerlina auch umschmeichelt, wenn's dramatisch wird, stößt er deutlich an seine Grenzen, wird die Stimme grell. Eine dunklere und größere Stimme hätte besser gepasst; wenn schon nicht Siepi, der im besten Sängeralter gewesen wäre, dann wenigstens George London.
Trotz dieser Einwände: Die positiven Aspekte überwiegen, für Mozart-, Stimm- und Karajan-Liebhaber ein Muss.