Kalifornisch-mexikanische Meisterleistung
Zunächst war ich skeptisch. Nur zwei Songs, # 4 (Lord tell me why) und # 8 (El corrido de Jesse James) aus Ry Cooders zur Zeit des Konzertmitschnittes aktuellem Studioalbum "Pull up some dust and sit down"? Die anderen zehn Songs aber 'richtig alt', nämlich aus den ersten elf Jahren seiner 1970 begonnenen Karriere?
Lohnt sich das? Ja, es lohnt sich, und wie!
Mit 73 Minuten Spielzeit ist diese CD nicht nur erfreulich lang (und bei 12 Songs bedeutet das natürlich ausgiebige Versionen), sie ist auch voll mit absolut großartiger Musik. Alle Songs sind mit neuem Leben erfüllt. Blues, amerikanischer Folk, Gospel, TexMex-Polkas und -Walzer, dazu eine Prise Rock / Rock'n'Roll. Und so abgemischt, daß man der CD ihre zwei Aufnahmeabende gar nicht anmerkt, sondern das Gefühl hat, einem einzigen, ungeschnittenen, ungeschönten und rundum gelungenen Konzert zu lauschen.
Ry Cooder wie gewohnt ein absoluter Meister der Gitarre, auch bei seinen Soli immer in den Gesamtklang des Ensembles integriert; die Band und der Chor selbstverständlich hervorragend (Sänger Terry Evans und Akkordeonist Flaco Jimenez waren schon auf Cooders 1976 aufgenommenen Live-Album "Show Time" und seither auf unzähligen Konzerten dabei); dazu mit La Banda Juvenil eine Gruppe aus zwei Percussionisten und acht Bläsern, die sicher nicht so perfekt wie die Tower of Power Horns oder die Bläser von Earth, Wind & Fire spielen, dafür einen ausgesprochen lebendigen, satten, mexikanischen Gesamtklang erzeugen. Kurze Soli auf dem Bass-Saxophon bei # 1 (Crazy 'bout an automobile) und # 9 (Wooly Bully) sind klangliche Farbtupfer, die man selten hört. Der akustische Kitsch von 'Volver volver' (#10) wird durch den hingebungsvollen Gesang von Juliette Commagere und den schmachtenden Breitwandklang der Bläser auf die Spitze getrieben - und eben dadurch wunderschön. In der kurzen Einleitung zu 'El Corrido de Jesse James' macht Ry Cooder, der sich in den letzten Jahren noch deutlicher und kritischer als früher zu politischen und sozialen Themen äußert, keinen Hehl daraus, wie sehr ihn das Gebaren der Wall Street anwidert. Meine beiden Lieblingsstücke und somit Anspieltips auf diesem Album sind, auch wenn es mir nicht leicht fällt, überhaupt einzelne Songs hervorzuheben (und ich mir - ich kanns nicht lassen- gerne ein paar mehr Stücke aus jüngerer Zeit gewünscht hätte), El Corrido de Jesse James und Vigilante Man.
Ry Cooder, Gesang & Gitarre / Terry Evans, Gesang / Arnold McCuller, Gesang / Juliette Commagere, Gesang / Joachim Cooder, Schlagzeug / Robert Francis, Bass / Flaco Jimenez, Akkordeon
La Banda Juvenil: Edgar Castro, Timbales & Snare / Everardo Rodriguez, Basstrommel / Pablo Molina, Sousaphon / Carlos Gonzalez, Trompete / Arturo Gallardo, Klarinette, Alt- & Bass-Saxophon / Julian Diaz, Trompete / Abel Guerra, Posaune / Alonso Chavez, Althorn / Gilberto Carbajal, Trompete / Willie Jimenez, Klarinette