Große Freude
Das war ein langes Warten. Vier Jahre sind vergangen seit "Keep It Simple", Morrisons letztem Album mit neuen Songs. Es gab nur einmal eine ähnlich lange Wartezeit: nach "Veedon Fleece", als nach drei Jahren das ziemlich enttäuschende "A Period Of Transition" (der Name sagte alles!) erschien.
Diesmal ist alles wesentlich erfreulicher, die Wartezeit hat sich gelohnt. Mit "Born To Sing: No Plan B" (der Titel ist wirklich das Schwächste vom Ganzen) legt Morrison nach langer Zeit wieder einmal eine durchweg gelungene Sammlung von Songs vor.
Nicht, daß er Neuland betreten würde. Das ist bei ihm, verwurzelt in allen Spielarten traditioneller Formen vom Blues über Folk bis Soul und klassischem Jazz, natürlich nicht zu erwarten.
Aber er zeigt sich durchweg auf exzellentem Niveau, spielt mit einer kleinen, virtuosen Band, die diesmal im wesentlichen von Klavier und Bläsern dominiert wird. Die Tendenz geht ganz eindeutig zum Trad-Jazz. Morrison verzichtet auf modische Arabesken, auf Gitarrensoli, auf Backgroundsänger (eine Wohltat!) und gibt seinen Songs wieder die Ruhe und Tiefe früherer Zeiten. Und die Stimme trägt diese kritischen und meditativen Betrachtungen, wirkt diesmal weniger zornig als nachdenklich. Dabei gibt es sich kritischer denn je, beklagt den Verlust ethischer Werte und sieht die zunehmende mediale Verdummung ("Educating Archie") ebenso wie die Folgen von grenzenloser Gier ("If In Money We Trust", "End Of The Rainbow"). Textlich ist das so einfach wie wirkungsvoll.
Und daß die Rettung im Rückzug ("Retreat And View"), in der Musik (die herrliche Blues- und Hooker-Hymne "Pagan Heart") und im Eigensinn liegt, das ist auch typisch Morrison.
Also: nichts Neues, aber das Alte ein wenig variiert und so gut und klug wie nur möglich.