Ein neues Werk voller ehrlich, erdiger Intensität!
Nach vier Jahren Funkstille gibt es mit "A trip a stumble a fall down on your knees", wieder ein knurriges und rumpeliges Lebenszeichen des 73-järhrigen Amerikaners, der seit vielen Jahren in Norwegen lebt.
Er stammt wohl aus komplizierten, zerrütteten familiären Verhältnissen, saß schon im Gefängnis und hat einige Zeit auf der Straße und als Hobo gelebt.
In einem Interview war außerdem kürzlich zu lesen das er mal als Tontechniker gearbeitet hat und auch sein eigenes, aber erfolgloses Tonstudio betrieben hat.
Es ist somit recht schwer genau herauszubekommen was über Seasick Steve wahr ist und was nicht. Es wurde so viel über das frühere Leben des Folk-/Blues-Veteranen geschrieben, dass es unmöglich ist, Wahrheit von Fiktion zu unterscheiden. Zumindest ist das in den Jahren der Fall, bevor er 2006 den britischen Markt eroberte, indem er in Jools Hollands Fernsehshow auftrat und eine karrierebegründende Performance mit seiner ramponierten dreisaitigen Gitarre ablieferte.
Schon ein Blick auf die Albumtitel gibt eine Vorstellung davon, worum es bei Steve Wold (das ist angeblich sein offizieller Nachname) geht. Von seinem Debütalbum "Cheap" aus dem Jahr 2004, über "Dog House Music" aus dem Jahr 2006, das humorvolle, aber wahrscheinlich wahre "I started out with nothin’ and still got most of it left" (2008) bis hin zu "Hubcap Music", "You can’t teach an old dog new tricks", "Keepin’ the horse between me and the ground" und seinem vielleicht offenherzigsten Album "Man from another time" aus dem Jahr 2009 bekommt man einen Eindruck vom selbstironischen Witz dieses eigenwilligen Musikers.
Damals brachte Steve dann auch seine aus dem Bauch kommende, Mississippi-Bayou-rockende Roots-Musik aus den kleinen Clubs zum Crossover-Publikum, bei großen Open-Air-Konzerten, von denen viele vielleicht noch nie so rohen und ehrlichen Blues gehört hatten, wie er ihn serviert.
Allein 2007 spielte er auf mehr großen Festivals in Großbritannien als jeder andere Künstler.
Er nimmt sowohl Solo auf und spielt aber auch mit einer kompletten Band und serviert seinen authentischen, unverfälschten Blues, Rock und Folk in unterschiedlichen, aber allesamt ihn ausmachenden Dareichungsformen.
Auf "A trip a stumble a fall down on your knees" macht er eine 180-Grad-Wende gegenüber seinem Solo-Akustik-Album aus dem Jahr 2020, dass passenderweise "Blues in Mono" heißt. Hier und im Jetzt mischt er rockigen, vernetzten Bluesrock mit einigen abgespeckten Folk-Einlagen aus der Wildnis.
Eine Mischung aus Musikern unterstützt ihn, während er von dem düsteren, spätabendlichen, Jazz-beeinflussten "Trip and a stumble", das aus Willy DeVilles Katalog sein könnte, zu stampfenden Monstern im Led Zeppelin-Stil, wie "Soul good" wechselt. Dazwischen wirft er einen herrlichen langsamen Blues im Stil von "Stormy Monday" ein, der von weiblichen Soul-Sängerinnen im Hintergrund verstärkt wird und von seiner Liebe zur Westküstenmusik handelt ("San Francisco Sound 67"), eine brodelnde, rumpelnde Portion Hooker-artiger Güte ("Let the Music talk") mit von John Bonham beeinflusstem Stampfen und sogar einen Teller voll Funk ("Funky Music"), der seine tiefere Blues-Denkweise in neue Gefilde ausweitet. Es gibt eine leckere Portion treibenden Boogie beim "Backbone slip" und "Cryin‘ out loud" geht Gitarrenmäßig ab der Mitte auch mächtig ab und ist mein persönliches Lieblingsstück des Albums – und da wo der sumpfige, von Creedence durchdrungene Song "Move to the country" in den dritten Gang schaltet, ist klar, dass dieser Typ es wirklich ernst meint.
Alles wird von einem schroffen tiefen Grummeln im Stil von Billy F. Gibbons angetrieben, das so deutlich zu hören ist, wenn er „Have mercy!“ bellt, dass man denkt, Steve würde jeden Moment in "La Grange" übergehen. Textlich und das ist keine Überraschung ist er altmodisch, singt über die Abschaffung von Mobiltelefonen ("Move to the Country"), den Abschied vom Internet ("Internet Cowboys") und das Hören von Musik auf Vinyl ("Let the Music talk"). Die Produktion ist analog, straff und lebendig und mit genügend Ecken und Kanten, um den Groove immer scharf zu halten.
Es ist seine ehrliche, mutige Intensität, die dieses Werk, das er persönlich für sein Bestes hält, bis zur langsam brennenden, schönen Ballade "Elisabeth" am Ende lodern lässt, bereichert durch Mickey Raphaels weinende Mundharmonika.
Er klingt, als hätte er genauso viel Spaß daran, dieses bluesig angehauchte Festmahl zuzubereiten, wie der geneigte Zuhörer hat es zu verschlingen.