Die Vision von Europa im Bauch eines Brathähnchens, Adenauer auf dem Weg zu de Gaulle auf dem Abstellgleis und Hektik beim Brexit
Die Idee der Europäischen Union, wurde im Sommer 1941 (!) mit dem Ruß abgebrannter Streichhölzer von 3 Visionären auf Zigarettenpapier als Manifest aufgeschrieben und dann im Bauch eines Brathähnchens von der italienischen Insel Ventotene auf das Festland Europas geschmuggelt. Das klingt zunächst mal aberwitzig oder fast schon verschwörungstheoretisch. Keineswegs, denn so anekdotisch es klingen mag, es ist durch Fakten belegt. So geht es weiter durch das ganze Buch, unterhaltsam geschrieben, dokumentiert Christoph Driessen die historischen Stationen der Europäischen Union bis heute. Ob es die zwiespältige Annäherung Deutschlands an Frankreich ist, die schwierige Gründung der Europäischen Institutionen oder die Aufnahme Großbritanniens in die EG, es wird schon in frühen Jahren deutlich, wie kompliziert dieses Projekt ist, schlußendlich aber doch gelingt. Trotz Brexit und Euro-Krise. Das Buch ist unterhaltsam, detailreich geschrieben, daß man den Eindruck hat, der Autor selbst wäre bei all den Ereignissen persönlich dabei gewesen. Beispielsweise als Adenauer auf dem Weg zu de Gaulle von Nachrichten über die Niederschlagung des Volksaufstands in Ungarn und einen aufziehenden Konflikt am Suez Kanal informiert wird, seinen Zug nach Paris erstmal zur weiteren Überlegung auf das Abstellgleis stellen läßt. Situationen, wie diese sollten sich im weiteren Verlauf hin zur EU wiederholen. Dies sind nicht nur Anekdoten am Rande, sondern Tatsachen, die zum Verständnis der historischen Entwicklung beitragen. Der Autor belegt all dies durch gute Recherche, die im kommentierten Literaturverzeichnis dokumentiert ist.
In den einzelnen Kapiteln gibt es Stichwörter, die die wichtigsten handelnden Akteure von Monnet über Hallstein bis hin zu Angela Merkel portraitieren und die Europäischen Institutionen mit ihren Funktionen vorstellen.
Der Europäische Gedanke, als Friedensprojekt nach dem 2. Weltkrieg entwickelt, wird einem bei der Lektüre des Buches bis in die Abschnitte der heutige Zeit immer deutlicher. Es ist ein Verdienst des Autors dieses auch deutlich herauszuarbeiten. Nie wieder soll von europäischem Boden Krieg ausgehen, der in geostrategischen oder wirtschaftspolitischen Vorteilsüberlegungen sein Ursache findet. „Der Griff nach den Sternen“ ist eine kurzweilige Lesereise durch die Geschichte der Europäischen Union mit all ihren Rückschlägen und Krisen und endet am Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine. Einem Land, das sich zuvor in Richtung EU bewegt hat. Allen Zweiflern am europäischen Gedanken, allen die irgendwo Verschwörung wittern und allen die meinen wir brauchen Europa nicht, kann ich nur empfehlen, sich die Mühe zu machen, es zu lesen. Europa ist im Wahljahr.