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    Magnolia

    Aktiv seit: 05. November 2023
    "Hilfreich"-Bewertungen: 10
    197 Rezensionen
    BOX - Nimm dich in Acht vor dieser KI Alexa Linell
    BOX - Nimm dich in Acht vor dieser KI (Buch)
    23.11.2024

    Was kann KI?

    „BOX. Nimm dich in Acht vor dieser KI.“ Dieser aktuelle Wirtschaftsthriller über Künstliche Intelligenz ist am Puls der Zeit – an KI kommen wir nicht mehr vorbei bzw. wir sind schon mittendrin.
    Alles beginnt mit Danilos Trauerfeier, bei der auch Veda, seine Ex-Freundin, ihm die letzte Ehre erweist. Hier trifft sie auf ehemalige gemeinsame Kommilitonen, die - wie sie - an Danilos Selbstmord zweifeln. Im Gegensatz zu ihr, die nach dem ersten Staatsexamen in einer Kanzlei ihrem Chef zuarbeitet und dabei glücklich ist, hat es Danilo zum Staatsanwalt gebracht, urplötzlich allerdings hat er seinen lukrativen Job gekündigt. Als sie dann von Ralph, Danilos jüngerem Bruder, der im fernen Australien lebt, eine Mail mit der Bitte um Anruf erhält, erkennt sie, dass ihr Ex-Freund zu alten, ungeklärten Fällen recherchiert und einiges an Material zusammengetragen hat.
    Schon der Prolog mutet direkt surreal an, hier durchlebt einer sein Leben im Schnelldurchlauf. Lange, ganz lange kann ich mir nicht vorstellen, was das Ganze soll, wenngleich ich weiß, um wen es sich handelt.
    Vedas On-Off-Freund Philipp ist ihr eine große Stütze, denn natürlich lassen ihr Danilos Unterlagen, die sie über Ralph erhält, keine Ruhe. Es geht um Mord, auch in Serie, es geht um Selbstmord, um Selbstjustiz, um Gerechtigkeit und um Rache scheint es auch zu gehen. Irgendwann dann trifft Veda sich mit Talli, einer Kommissarin, die ihr zur Seite seht. Zwischendurch jedoch melden sich bei mir immer mal wieder leise Zweifel ob Tallis Integrität. Und nicht nur bei ihr bin ich skeptisch, auch anderen hier agierenden Personen begegne ich mehr oder weniger kritisch. All die Charaktere, angefangen von Veda und Philipp, haben Biss. Ihre Wesenszüge, ihr Verhalten in bestimmten Situationen erwecken meine Sympathie oder auch das Gegenteil davon, allesamt sind sie stimmig und authentisch dargestellt.
    Alexa Linells „BOX“ handelt von etlichen Kriminalfällen, Cold Cases, KI stets im Hintergrund. Künstliche Intelligenz – das durchgehende Thema, das sich gegen Ende zu immer mehr herauskristallisiert, ist erschreckend real. Jeder weiß darum, jeder ist damit konfrontiert. Die Story ist durchgehend spannend, sie fesselt, sie ist lange nicht so ganz durchschaubar. Kurzum – ein gelungener Thriller, der gelesen werden will.
    Verdorbene Saat (Thriller) Gunnar Schwarz
    Verdorbene Saat (Thriller) (Buch)
    19.11.2024

    Die Herbstzeitlose – eine allzu giftige Pflanze

    Giftpflanzen gibt es so einige in unseren Gärten, die Herbstzeitlose gehört dazu. Ihre Blüten sind rosa- bis lilafarben, sie ist leicht mit dem Krokus, dessen Blüten jedoch kräftigere Farben aufweisen oder auch mit dem Bärlauch zu verwechseln.
    Martina Siekers Leiche wurde im Garten vor ihrem Haus von ihrem Hund ausgebuddelt, der Ehemann hat daraufhin die Polizei verständigt. Schon der Prolog ist heftig, die Beschreibung direkt gruselig.
    Katharina Winkler, kurz Kat genannt, übernimmt den Fall, ihr zur Seite wird der als sehr pedantisch geltende Sebastian Fischer gestellt. Die beiden sind nicht unbedingt ein Dreamteam. Und doch müssen sie zusammenarbeiten, sich auf den anderen verlassen können, was nach anfänglichen Schwierigkeiten dann ganz gut klappt. Kats Eigenart, direkt am Ort des Geschehens Zeichnungen anzufertigen, ist schon oft zugute gekommen. Sie konzentriert sich vollends, versetzt sich in die Täterfigur, um sich den möglichen Vorgang filmisch vor Augen zu führen. Je mehr ich diese beiden Ermittler beobachte, desto näher sind sie mir. Kat sowieso, aber auch Sebastian entpuppt sich als durchaus cooler Typ.
    Bei der einen Toten bleibt es nicht, die nächste wird wiederum in einen Privatgarten gefunden. Dem Opfer wurde der Kiefer ausgerenkt, um für die Herbstzeitlose, die aus ihrem Mund zu wachsen scheint, Platz zu schaffen. Ihr Körper ist mit Schnitten übersät, darin finden sie Samen – welcher Sadist ist hier zugange?
    Es ist durchaus plausibel, dass sie den Täter im botanischen Bereich suchen und so wie es aussieht, haben sie es mit einem Serientäter zu tun. Auch stellt sich die Frage, wie lange er schon mordet. Das nähere Umfeld der Opfer wird durchleuchtet, was durchaus Sinn macht. Gunnar Schwarz geht dabei raffiniert vor, man wähnt die Ermittler des Öfteren kurz vor dem Durchbruch. Dabei legt er geschickt Fährten aus, die dann doch eher im Sande verlaufen. Die Spannung lässt nie nach, auch sind Kat und Sebastian näher dran, als es für sie gut ist. Was sich ihnen letztendlich präsentiert, hätte ich nicht für möglich gehalten und doch ist das ganze Ausmaß dessen, was alles ans Licht kommt, in sich schlüssig.
    Die „Verdorbene Saat“ hat es in sich, es ist ein fesselnder Thriller, wie nicht anders von Gunnar Schwarz zu erwarten. Und nun – am Ende angelangt - hoffe ich, dass ich noch mehr von diesem tollen Ermittlerduo lesen werde.
    Der Ruf des schwimmenden Gartens Tara Haigh
    Der Ruf des schwimmenden Gartens (Buch)
    18.11.2024

    Madeira Anfang des 20. Jahrhunderts

    Madeira ist für mich der Inbegriff einer Blumeninsel, ihren Ruf als schwimmender Garten im Atlantik verdankt sie einer botanikverliebten Engländerin, wie ich nun weiß. Tara Haigh hat mich mit ihrem Roman, der auf wahren Begebenheiten beruht, gedanklich auf diese zauberhafte Insel des ewigen Frühlings gelockt.
    Zunächst sind wir in Bremen, wir schreiben das Jahr 1914. Die junge Sofie ist im dortigen Krankenhaus aus Ärztin tätig. Als Frau und auch als Verfechterin von Hygienestandards ist sie ihren männlichen Kollegen ein Dorn im Auge. Über ihren Vater, einem Anwalt, erfährt sie von einem Krankenhaus mit Sanatorium auf Madeira, das kurz vor der Eröffnung steht. Das Angebot, dort die Tuberkulose-Station zu leiten, kommt genau richtig und da Richard Hauenstein, Vaters Kontakt, der sich um das Investment kümmert, zurück auf die Insel muss, schließt Sofie sich ihm an.
    Kaum angekommen, beobachtet Sofie eine unschöne Szene mit dem kleinen Camilo, einem Waisenjungen, der vom Kloster weggelaufen ist. Sie mischt sich ein, verspricht dem Jungen, dass sie ihn bald besuchen kommt, was sich aber als gar nicht so einfach erweist, denn das Kloster wird mit strenger Hand geführt. Im Verlauf der Geschichte machen wir auch Bekanntschaft mit mehreren Nonnen und mit Schwester Regine, die dem Kloster vorsteht.
    Nun, Sofie kommt bei der Familie Hauenstein unter. Auf dem Gutshof leben Vater und Sohn – Fritz und Richard - bestens versorgt von Rosa, ihrer Haushälterin. Da Fritz Geburtstag ansteht, wird neben vielen anderen Gästen auch Ludwig, der jüngere Sohn, erwartet. Der Globetrotter und Schriftsteller lebt überwiegend in London und wie sich bald abzeichnet, können die beiden Brüder so überhaupt nicht miteinander.
    Charmant und liebenswert sind die einen, aber auch ganz schön fies, intrigant und hinterhältig erweist sich so manch andere Figur. Allesamt sind sie charakterlich gut und lebensnah gezeichnet.
    Neben der fiktiven Familiengeschichte ist es der reale Bau des Krankenhauses, der von einer deutschen Aktiengesellschaft geplant und in die Tat umgesetzt wurde. Die Investoren hatten auch anderes im Sinn, was den Madeirern nicht gefiel. Rund um den Bau des Krankenhauses werden kriminelle Energien freigesetzt, in dessen Strudel auch Sofie gerät. Und nicht nur hier, auch im Kloster geht nicht alles mit rechten Dingen zu. Das teilweise von den Deutschen gebaute Hospital dos Marmeleiros in Funchal existiert noch heute, wie ich im sehr informativen Nachwort erfahre.
    Es war ein spannender, ein kurzweiliger Aufenthalt auf dieser zauberhaften Insel, den ich sehr genossen habe, in der es auch um Rivalität, um Intrigen und um die Liebe geht - angereichert mit Beschreibungen der Insel, die nicht nur von den Engländern dank ihres ausgeglichenen Klimas als angenehmer Kurort geschätzt wurde und auch heute noch geschätzt wird.
    Mordscoach Lilli Pabst
    Mordscoach (Buch)
    16.11.2024

    Sophie, die mordende Supervisorin

    „Mordscoach.“ Die Kurzbeschreibung klingt interessant, sie verspricht gute Unterhaltung, gespickt mit viel schwarzem Humor. Was liegt also näher, Sophie Stach eingehender in Augenschein zu nehmen. Sie stellt sich als Coachin und Psychoanalytische Supervisorin vor, die genaue Liste dessen, was sie alles ist und kann, ist um einiges länger, sie ist ihrer Meinung nach die eierlegende Wollmilchsau. Einen Ehemann hat sie natürlich auch, besser geht es gar nicht. Wären da nicht so einige ihrer unleidigen Patienten wie etwa Nils Bergmann, die fette Qualle, wie sie ihn insgeheim betitelt.
    Eines schönen Tages schneit Amelie in ihre Praxis. Vordergründig geht es ihr wegen des Todes ihrer Mutter schlecht, aber Sophie wäre nicht sie, würde sie nicht den wahren Grund für Amelies Erscheinen checken. „Sie sind viel hübscher, als Jakob erzählt hat“ meint Amelie lapidar. So ein hinterhältiges Biest aber auch! Sophie muss handeln.
    Handeln heiß bei ihr, unliebsame Gestalten zu beseitigen. Und das mit einer Leichtigkeit, die jeden Kriminalkommissar bloßstellt. Und ja, diesen Kommissar gibt es auch. Natürlich. Denn schließlich sind einige Todesfälle aufzuklären. Alle Spuren führen zu Sophie, diese aber weiß sich zu behaupten. Abwechselnd kommt bei ihr die Therapeutin und die Femme fatale durch - eine hochexplosive Mischung, die sich jedoch für sie als sehr erfolgreich erweist.
    Die Story beginnt amüsant, ich bin gespannt. Bald jedoch driftet sie ins Groteske ab, sie ist zu überzeichnet. Gut, man kann schon mal jemanden versehentlich um die Ecke bringen, um der Lust am Makaberen zu frönen, wir lesen schließlich Cosy Crime. Alles dreht sich um Sophie, der ich nicht zu nahe kommen möchte, selbst wenn ich von ihrem mörderischen Gen nichts weiß. Erfährt sie etwa von häuslicher Gewalt, verfolgt sie ihren ureigenen Therapieansatz und das Problem ist gelöst. Und die Polizei steht doof daneben.
    Lilli Pabst schreibt kurzweilig, das Buch ist unterhaltsam, es ist schnell gelesen. Wenngleich es schon sehr dick aufträgt. Sophie sammelt Leichen so wie andere Bücher, bestimmte Figuren, Steine, Muscheln o(der was auch immer) sammeln. Jeder hat so seine Leidenschaft, Sophies Sammelwut mutet dann doch sehr seltsam an. Gut, sie ist irgendwie hineingeschliddert, es war nicht beabsichtigt und dann hat sie Gefallen an dem „etwas anderen Hobby“ gefunden.
    Die Morde sind komödiantisch in Szene gesetzt, wobei sich diese Mordsgeschichte um Sophie Stach zunehmend im Unglaubwürdigen verfängt. Es ist eine gut zu lesende Zwischendurch-Lektüre, dessen Heldin auf den mörderischen Geschmack gekommen ist. Der schwarzen Witwe gleich – eine Spinne, die ihre Männchen frisst.
    Die Henkerstochter und das Vermächtnis des Henkers (Die Henkerstochter-Saga 10) Oliver Pötzsch
    Die Henkerstochter und das Vermächtnis des Henkers (Die Henkerstochter-Saga 10) (MP3)
    11.11.2024

    Einfach großartig

    Der ehemalige Schongauer Scharfrichter Jakob Kuisl hat von seinem früheren Weggefährten Nepomuk einen Brief erhalten, in dem er ihn bittet, dringend nach Passau zu kommen. Es geht um einen Schatz, den er mit Jakobs Hilfe bergen will. Dies kommt Jakob soweit gelegen, da er seiner Familie das sehr teure Bürgerrecht kaufen will, also macht er sich auf gen Passau. Sofia, seine 12jährige Enkelin, folgt ihm, was ihm zunächst so gar nicht recht ist. Wie sich jedoch später herausstellt, ist sie ihm eine große Hilfe. In Passau angekommen, muss er zu seinem Entsetzten feststellen, dass Nepomuk getötet wurde und er nicht der einzige ist, der nach Passau gelockt wurde.
    Derweilen sind Sofias Eltern Magdalena und Simon bei Hofe unentbehrlich. Die Kaiserin erwartet jeden Augenblick ihr nächstes Kind, Magdalena weicht nicht von ihrer Seite und Simon ist für die Gesundheit des Kaisers mitsamt seinem Gefolge zuständig. Kein leichtes Unterfangen, denn die Türken belagern Wien, auch Magdalena und Simons Söhne Peter und Paul sind involviert. Peter als Feldarzt, Pauls Schicksal indes ist ungeklärt. Keiner weiß, wo er sich aufhält oder ob er überhaupt noch am Leben ist.
    Das Hörbuch wird von Johannes Steck vorgetragen, er ist geradezu prädestiniert für die Henkerstochter-Saga. Er gibt jeder Figur seinen individuellen Charakter, wobei alle männlichen Rollen perfekt gesprochen sind und sie stimmlich gekonnt variieren, so gelingt dies bei den Frauenrollen nicht ganz so gut, was aber angesichts der brillanten Lesung vernachlässigbar ist. Es waren großartige, es waren kurzweilige Hörstunden, die viel zu schnell vorüber waren, trotzdem die gekürzte Version, die ich gehört habe, über 16 Stunden und 18 Minuten geht (das ungekürzte Hörbuch hat eine Spieldauer von knapp 18 Stunden).
    Der Autor, Oliver Pötzsch, hat einmal mehr bewiesen, dass er zur ersten Riege der historischen Erzähler gehört. Nicht nur seine Bücher um den Schongauer Henker und seiner Familie lasse ich mir nicht entgehen, auch seine anderen historischen Bücher sind für mich Pflichtlektüre. Wird es weitergehen? Wird er, der Nachfahr der Henkersfamilie, weiterhin über seine Vorfahren schreiben? Jakob Kuisl ist nicht mehr der Jüngste, gesundheitlich ist er auch ziemlich angeschlagen, aber er ist zäh und noch immer schmeckt so manches Mohnpfeifchen. Gerne würde ich noch mehr über ihn und die Seinen erfahren.
    Vielleicht hat das Leben Besseres vor Anne Gesthuysen
    Vielleicht hat das Leben Besseres vor (Buch)
    11.11.2024

    Zu bemüht, zu klischeehaft

    Anna von Betteray, die evangelische Pastorin in einer kleinen Gemeinde am Niederrhein, ist eine toughe Person, dem Standesdünkel ihrer Familie kann sie so gar nichts abgewinnen, sie mag es eher bodenständig. Sie ist eine der Hauptfiguren neben Heike und ihrer Familie.
    Heike Müller scheint am Ende ihrer Kräfte zu sein, sie ist rund um die Uhr für ihre Tochter da, geplagt von ständigen Schuldgefühlen. Von einer Sekunde auf die nächste war ihr Leben und das ihrer kleinen Tochter Raffaela ein anderes. Mit vierzehn Monaten hatte das Mädchen einen Unfall, dadurch waren ihre geistigen und motorischen Fähigkeiten eingeschränkt. Dank ihrer Mutter konnte sie aber einigermaßen damit leben – bis jetzt. Denn Raffaela – sie ist mittlerweile fünfzehn Jahre alt - wurde mehr tot als lebendig aufgefunden und nun liegt sie im Koma, die Ärzte haben wenig Hoffnung, was ihre Mutter nicht gelten lässt. Anna wird in ihrer Funktion als Notfallseelsorgerin zu ihr gerufen und wie sich herausstellt, kennen sich Anna und Heike von früher, die beiden Frauen kommen ins Gespräch.
    Raffaelas Geschichte zieht sich durchs Buch, unterbrochen von einem Spargelfest, von dem Disput über diskriminierende Liedtexte, auch Gendern wird aufs Korn genommen, ein schwuler Postbote darf nicht fehlen, um dessen „Anderssein“ das ganze Dorf weiß – außer seiner Mutter, bei der er nach wie vor lebt. Me too wird – natürlich - angesprochen und eine Liebesbeziehung unter Vierbeinern mit Folgen, in welche auch Anna mit einbezogen wird, sorgt für ganz schön viel Verwirrung.
    Nun, Raffaelas Unfall muss aufgeklärt werden, dafür ist der Herr Kommissar zuständig, der sich der Tratscherei im Dorf durchaus bewusst ist und sich dies zunutze macht. Sogar ein Beichtgeheimnis wird ausgehöhlt, allesamt sind sie ziemlich meschugge. Arg klischeehaft wird dies und noch so einiges mehr untergebracht, den „hinreißenden Witz“, mit dem das Buch beworben wird, habe ich vergeblich gesucht, mir kam es eher als zu krampfhaft, zu bemüht vor. Schade, denn von Anne Gesthuysen habe ich schon Besseres gelesen. „Vielleicht hat das Leben Besseres vor“ gehört nicht dazu.
    Endlich das ganze Leben Roberta Recchia
    Endlich das ganze Leben (Buch)
    10.11.2024

    Eine schicksalhafte Nacht

    Seit diesem Morgen in ihrem Ferienhaus am Meer ist nichts mehr so, wie es einmal war. Marisa ist schon wach, ihr Blick fällt auf den noch schlafenden Stelvio. Der Alltag hat sich mehr und mehr eingeschlichen, sie denkt zurück an eine Zeit voller Leidenschaft. Und bald weiß sie, dass etwas Schreckliches geschehen ist, das Leben davor gibt es nicht mehr.
    Roberta Recchia erzählt von der Familie Ansaldo, von Marisa und Stelvio und ihren Kindern Elisabetta, genannt Betta und ein wenig blitzt auch Ettore, der Sohn, durch die Erzählung. Wir sind in Rom der 1980er Jahre. Sie führen ein gut gehendes Feinkostgeschäft, das sie einst von Marisas Eltern Ettore und Letizia Balestrieri übernommen hatten, schon sie waren erfolgreich. In den 1950er Jahren war Stelvio bei Ettore angestellt und wie es das Schicksal so wollte, waren Stelvio und Marisa bald ein Paar, wenngleich es einige unschöne Umwege dazu brauchte. Auch von Emma, Marisas Schwester, erfahren wir so einiges, deren Leben eine ganz andere Richtung einschlägt. Unser Hauptaugenmerk jedoch bleibt vorerst bei Marisa, bei Stelvio und Betta.
    Das Davor beschreibt eine glückliche Familie, sie sind am Meer. Das Klima dort ist für Bettas Asthma eine Wohltat. Betta – eine junge, dem Leben zugewandte 16jährige. In diesem Sommer ist ihre gleichaltrige Cousine Miriam bei den Ansaldos zu Gast, ihre Mutter Emma ist als erfolgreiche Geschäftsfrau in der Welt unterwegs. Miriam wirkt im Gegensatz zu Betta eher kindlich, beide jedoch verstehen sich super. Bis eines nachts ein Unglück geschieht - Betta wird tot aufgefunden. Das Danach wirft sie alle aus der Bahn. „Und plötzlich gibt es ein Davor und ein Danach.“
    Auch wenn das Leben weitergeht, irgendwie weitergehen muss, so sollte keiner sein Kind überleben müssen. Die Eltern gehen unterschiedlich mit dem Leid um. Immer tiefer tauchen wir ein in die Familienstruktur, immer besser lernen wir sie alle kennen. Beurteilen, ja verurteilen zuweilen. Der Blick geht zu Miriam, die diese Nacht schwer traumatisiert überlebt hat. In dem Gelegenheitsdealer Leo findet so etwas wie einen Seelenverwandten, aber auch ihm verschließt sie sich. Keiner weiß um ihre seelische Not, keiner scheint etwas davon zu ahnen.
    Wie viel Leid kann ein Einzelner aushalten, wie viel eine Familie? Die Autorin zeigt auf, wie weit es kommen kann, wenn Sprachlosigkeit alles andere übertüncht. Viele Themen werden angesprochen, ausgehend von dem Drama dieser Nacht sind Drogen, Alkohol- und Tablettenmissbrauch im Spiel, die Vertuschung einer Tat und die damit einhergehenden gravierenden Folgen werden durchleuchtet. Es geht um Schuld, um Schuldgefühle und Suizid. Wir lesen von aufkeimender Hoffnung und Hoffnungslosigkeit über weite Strecken, beobachten ein Leben im falschen Körper.
    Mich hat das Buch sehr berührt. Im Danach liegt der Focus weitgehend auf Miriam, die seit jeher von den Eltern emotional im Stich gelassen wurde. Was hilft der finanzielle Hintergrund, wenn die Seele leidet? Auch Bettas Eltern Marisa und Stelvio, deren glückliches Leben abrupt endet, konnte ich in ihrer Trauer, mit der jeder anders umgeht, durchaus verstehen. Marisa war am Boden zerstört, sie konnte Stelvios Nähe nicht mehr ertragen – werden sie je wieder zueinander finden? Sich gegenseitig trösten können? Auch wenn ein Leben danach möglich scheint, so werden die Wunden dieser Nacht nie ganz heilen, sie werden immer schmerzen.
    „Endlich das ganze Leben“ ist ein aufwühlender Roman. Die Autorin nimmt ihre Leser mit in ein Italien wie wir es kennen und schätzen. Lebendig geht es zu, das Miteinander und später dann das Aufarbeiten des unvorstellbaren Unglücks, mit dem sie fertig werden müssen, beschreibt sie echt, ihre Charaktere sind allesamt glaubwürdig, wenngleich die Story zuweilen klischeehafte Züge trägt. Dabei geht sie sehr behutsam vor, sie beobachtet wertfrei. Ein fesselnder, ein sehr lesenswerter Debütroman.
    Der König Jo Nesbø
    Der König (Buch)
    09.11.2024

    Der König von Os und die Dämonen der Vergangenheit

    Roy und Carl Opgard – zwei Brüder, die sich in- und auswendig kennen. Zwei Brüder, die vom Tourismus leben. Dem kleinen Ort Os im Norden Norwegens droht das Aus, denn ein geplanter Tunnel würde die Tourismusströme direkt am Ort vorbeilenken. Da heißt es, rechtzeitig gegenzusteuern.
    Roy beitreibt eine Tankstelle – so weit, so normal. Er hat jedoch hochfliegende Pläne. Eine Achterbahn soll die Attraktion überhaupt sein, also gilt es, den Tunnel mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern. Und Carl sieht sich schon als zukünftigen Besitzer einer Wellnessanlage, die sein Hotel zusätzlich aufwerten würde. Es kursieren die wildesten Gerüchte über die Brüder. Beide wissen das, beiden ist dies ziemlich egal. „Die Leute glaubten so viel und wussten so wenig. Für uns war das in Ordnung. Sagen wir es so: Es war besser, sie zerrissen sich das Maul über Opgard und nahmen das Schlimmste an, denn schlimmer war nur die Wahrheit.“
    Jo Nesbø lässt Roy diese Geschichte erzählen. Es geht um Bestechung, um Unterschlagung und Körperverletzung bis hin zu so manchem Todesfall und um noch so einiges mehr, dabei spielt auch die Vergangenheit eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die Gier nach Macht scheint unendlich zu sein, dafür ist jedes Mittel recht. Einer der wenigen Vorteile, weniger feinfühlig zu sein, hat seinen Ursprung in der Vergangenheit - so denkt Roy, auch in Zusammenhang mit dem noch immer ungeklärten Tod der Eltern und nicht nur deren Ableben wirft heute noch Fragen auf, auch andere mysteriöse Todesfälle kommen wieder zur Sprache. Sie sind gerissen, die Opgard-Brüder, nicht nur ihre „schlagenden Argumente“ kommen zum Einsatz.
    „Der König“ ist das zweite Buch um die beiden Brüder. Trotzdem ich absoluter Jo Nesbø-Fan bin, ich gefühlt alle seine Bücher gelesen habe, so ist mir doch „Ihr Königreich“, das erste Buch um die Gebrüder Opgard, entgangen. Nun, mittlerweile liegt es vor mir, ich werde es natürlich lesen. Der Einstieg in Buch zwei ist mir etwas schwer gefallen, die vielen Namen haben mich zunächst verwirrt, also habe ich mir eine Personenliste erstellt und fortlaufend ergänzt. Man kann also durchaus mit Band zwei beginnen, denn zwischendurch hat Nesbø – natürlich - die notwendigen Infos aus dem Vorgängerband mit einfließen lassen.
    Der Erzähler Roy ist mir trotz seiner gewalttätigen Art dennoch sympathisch. Der Autor lässt seine Leser ganz nah an diesen Typen heran, er ist ein sehr vielschichtiger Charakter mit auch durchaus angenehmen Zügen. Und nicht nur er, auch die anderen hier Agierenden sind jeder für sich gesehen ganz individuelle Persönlichkeiten. Mal mehr, mal weniger vertrauensselig - für die meisten hier trifft Zweiteres eher zu. Abgründe tun sich auf, es geht auch um Missbrauch, um Vergeltung, um Rache und dem Streben nach Macht und dies alles vor der malerischen Kulisse Norwegens.
    Auge um Auge, Zahn um Zahn – diese Redewendung, die auf die Bibel zurückgeht, hat sich mir beim Lesen immer wieder aufgedrängt. Sobald ich mich in die Story eingelesen hatte, hatte Jo Nesbø mich mitsamt seinem Protagonisten Roy fest im Griff. „Zwei Brüder, eine Stadt – nur einer kann hier König sein!“ Wer das denn sein wird? Um das herauszufinden, lohnt sich das Lesen so was von!
    Die Lungenschwimmprobe Tore Renberg
    Die Lungenschwimmprobe (Buch)
    06.11.2024

    Der Beginn der modernen Rechtsmedizin

    Der Norweger Tore Renberg hat mit „Die Lungenschwimmprobe“ einen historischen Roman über Rechtsmedizin vorgelegt, dem ein wahrer Fall zugrunde liegt. In seiner Nachschrift benennt er zwei Hauptquellen, die es ihm ermöglicht haben, den Fall Anna Voigt in den Mittelpunkt des Romans zu stellen. Es sind dies Christian Thomasius, seines Zeichens privat praktizierender Rechtsanwalt zu Leipzig, der in seinen 1720 erschienenen „Erinnerungen über allerhand auserlesene Juristische Händel“ über Anna Voigts Fall berichtet und Johannes Schreyer und seiner 1690 veröffentlichten Schrift über die Lungenschwimmprobe. Der Autor hat sich auch anderer Schriften bedient, die er nicht unerwähnt lässt. Auch lässt er so manch historische Figur auferstehen, neben den bereits benannten Personen ist es unter anderem auch der Leipziger Scharfrichter Christoph Heintze, dem wir hier umständehalber immer wieder begegnen. Und – wie es ein Roman so an sich hat, ist zuweilen auch Fiktion im Spiel.
    Wir sind in Sachsen im Jahre 1681. Die 15jährige Anna wird beschuldigt, ihr Neugeborenes getötet zu haben. Amtmann Abraham Walther geht von einem vorsätzlichen Tötungsdelikt aus, der Mediziner und Wissenschaftler Johannes Schreyer wird gemäß amtlicher Anordnung zur Inspektion einer Leiche gerufen. „Wir haben es hier mit einer dieser ewigen Kindsmörderinnen zu tun“ meint der Amtmann zu wissen. Der kleine Körper weist Stichwunden auf, Blut jedoch ist nicht zu sehen. Schreyer ist skeptisch, der wendet zur Sicherheit eine neue Methode an - die Lungenschwimmprobe. Dabei wird die Schwimmfähigkeit der Lunge des Neugeborenen im Wasser überprüft. Sinkt diese, hat es nie geatmet, es war also eine Totgeburt. Schwimmt sie oben, so ist bereits Luft in den Lungenbläschen, was auf ein Atmen nach der Geburt schließen lässt. Schreyers Verfahrensweise begründet den Beginn der modernen Rechtsmedizin. Zu Annas Zeiten war die Lungenschwimmprobe Neuland, bleibt die Frage, ob dieser Umstand die minderjährige Anna Voigt gerettet hat.
    Da dieser Roman im 17. Jahrhundert angesiedelt ist, war die Sprache für heutige Ohren doch etwas sperrig. Sie wurde unserem Empfinden angepasst, mit eingeflossen sind zeittypische Gepflogenheiten, Redewendungen und ähnliches. Der Roman ist so viel mehr als „nur“ der Fall Anna Voigt, die wir über quälende sechs Jahre begleiten und dabei tief in diese Zeit eintauchen.
    Renberg lässt historischen Figuren lebendig werden, er blickt in die Gesellschaft, man spürt die Diskrepanz zwischen den einfachen Leuten und denen da oben, lässt religiösen Fanatismus ebenso mit einfließen wie unter vielem anderen auch Foltermethoden und erwähnt dabei die Constitutio Criminalis Carolina, kurz Carolina, die als erstes allgemeines deutsches Strafgesetzbuch gilt und auf Karl V zurückgeht. Eine Hinrichtung war anno dazumal ein gar schauriges Ereignis, das die Menschen anzog. Tore Renberg lässt seine Leserschaft nicht nur an diesem schauderhaften Akt teilhaben, er benennt auch die zuvor angewandten Foltermethoden, die dazu angetan waren, den Angeklagten zum Reden zu bringen. Danach hat gar manch Unschuldiger lieber gestanden und dem nahen Tod ins Auge geblickt.
    Unterteilt ist dieser historische Roman in sechs Bücher, die den Kapiteln vorangestellt einen ersten Eindruck über den Inhalt vermitteln. Am Ende des Buches dann findet man den QR-Code mit einem ausführlichen Register der historischen Personen, historischen Karten und Illustrationen sowie einem Literatur- und Quellenverzeichnis. Das umfangreiche, bestens recherchierte Werk liest sich trotz der gerade anfangs ein wenig gewöhnungsbedürftigen Sprache bald relativ flüssig. Um den Fall Anna Voigt entspinnt sich ein facettenreiches Bild über die Anfänge der modernen Rechtsmedizin. Ein lesenswertes Buch, für das man sich jedoch die dafür notwendige Zeit nehmen sollte.
    Hey guten Morgen, wie geht es dir? Martina Hefter
    Hey guten Morgen, wie geht es dir? (Buch)
    05.11.2024

    Ein eher distanzierter Blick hinter die Kulissen

    Sie ist noch nicht alt, aber jung ist sie auch nicht mehr. Juno Isabella Flock. Als freiberufliche Performancekünstlerin verdient sie mal mehr, mal weniger Geld. Mit über fünfzig ist sie nicht mehr ganz so gefragt. Wäre da noch Jupiter, ihr Mann, der im Rollstuhl sitzt, der auf Hilfe angewiesen ist. Als Paar gibt es sie eher als Pflegebedürftigen und als Pflegerin. Er ist an Multipler Sklerose erkrankt, sein Bewegungsradius erschöpft sich weitgehend zwischen Pflegebett und Rollstuhl, sie hingegen lebt ihren Bewegungsdrang beim Tanzen aus. Und nachts, wenn sie nicht schlafen kann, chattet sie im Internet. Hier tummeln sich auch die Love-Scammer. Männer, die sich einsame Frauen herauspicken, ihnen Liebe vorgaukeln. Männer, deren Profilbild viel verspricht, deren Interesse jedoch ausschließlich monetärer Natur ist. Soweit, so bekannt. Wie wäre es, den Spieß einfach umzudrehen? Juno schreibt mit ihnen, beamt sich in eine Welt voller Lügen, auch sie erfindet Traumwelten. Ihre Wirklichkeit verschweigt sie.
    Und dann trifft sie auf Benu, der im fernen Nigeria sitzt. Die Gespräche werden intensiver, beide wissen um die Lügen des anderen und doch bleiben sie in Verbindung. „Manchmal muss man lügen. Das geht nicht anders. Jeder lügt…“ Sätze, die Benu ihr schreibt, die aber auch von ihr kommen könnten.
    „Hey guten Morgen, wie geht es dir?“ Schon der Titel kommt leichtfüßig daher, er verspricht unterhaltsame Stunden, auch war ich neugierig auf das Gewinnerbuch des Deutschen Buchpreises 2024. Martina Hefter stellt die Chats in den Vordergrund, sie lässt darüber hinaus den ganz normalen Alltag mit einfließen. Häusliche Pflege und die Überforderung dessen etwa. Sie vergisst schon mal, wichtige Arzneien für Jupiter zu besorgen, ist irgendwann auch tagsüber am Chatten. Diese Gespräche, auch Video-Calls, nehmen immer mehr Raum ein. Juno lässt sich Tattoos stechen, berichtet von Hexen, der Walpurgisnacht und Voodoo-Priestern, bringt in ihren Chats mit Benu Lars von Triers „Melancholia“ ins Spiel.
    Martina Hefter zeigt eine Frau, die nach mehr an Leben lechzt. Dieses Mehr findet sie in einer Scheinwelt zwischen ihrem künstlerischen Dasein und der Pflege von Jupiter. Sowohl die Chats als auch das Drumherum, der berufliche und der privaten Alltag, lassen mich ein wenig ratlos zurück. Es ist ein autofiktionales Buch, vielleicht gewährt die Autorin auch deshalb diesen eher distanzierten Blick auf das Private, lässt nicht zu viel Nähe aufkommen. Und doch kann ich nur das bewerten, was bei mir ankommt. Die Themen sind eher angerissen, Juno und Jupiter und auch Benu blieben mir weitgehend fremd. Es ist ein durchaus unterhaltsamer Roman, der aber eher an der Oberfläche kratzt.
    Last Line of Defense, Band 2: Die Bedrohung. Die Action-Thriller-Reihe von Nr. 1 SPIEGEL-Bestsellerautor Andreas Gruber! Andreas Gruber
    Last Line of Defense, Band 2: Die Bedrohung. Die Action-Thriller-Reihe von Nr. 1 SPIEGEL-Bestsellerautor Andreas Gruber! (Buch)
    01.11.2024

    Durchgehend fesselnd

    „Die Bedrohung“ - der von mir lang ersehnte zweite Band von Andreas Grubers dreiteiliger Action-Thriller-Reihe „Last Line of Defense“ – ist Action pur. Nichts anderes habe ich erwartet, nachdem ich den ersten Band geradezu am Stück verschlungen habe.
    Team Omega ist das jüngste Team der Last Line of Defense. Das sind Jaden D. Knoxville, Erik Tuomi und Lenny Zarakis. Sie sind die letzte Verteidigungslinie, eine streng geheime Organisation der britischen Regierung. Sie sind immer dann zur Stelle, wenn alle anderen versagen. Dementsprechend hart und anspruchsvoll ist ihre Ausbildung, nicht einmal der MI6 weiß von ihnen.
    Schon der Prolog lässt meinen Puls nach oben schnellen. Ken Garrison vom Team Alpha der LLoD macht sich für den Absprung über der gut gesicherten Insel Hell Island bereit. 7 km im freien Fall liegen vor ihm. Er sondiert die Lage, sein Job sollte in einer Stunde erledigt sein, danach sollte ihn die Defense One mit dem Datenmaterial, das für den Undercover-Einsatz für das Team Omega notwendig ist und sofort ausgewertet werden muss, nach England zurückbringen.
    Hell Island ist eine ehemalige portugiesische Strafkolonie, die einem Hochsicherheitstrakt gleicht. Ein herankommen auf dem Seeweg ist nahezu ausgeschlossen, denn die Insel ist vermint, auch das Innere der Insel wird geradezu militärisch überwacht. Warum diese komplette Abschottung? Und wie sind die Besitzverhältnisse? Durchgesickert ist, dass sie vor fünf Jahren verkauft wurde, weiteres ist weder bekannt noch nachvollziehbar.
    Dass hier auf Hell Island irgendetwas im Gange ist, hat der strategische Aufklärungsdient der Last Line of Defense herausgefunden. MOEBIUS, eine skrupellose Verbrecherorganisation, hat Teenager rekrutiert. Dreiundzwanzig junge Erwachsene aus allen Ecken der Welt sind zur Insel unterwegs, Briten jedoch sind nicht darunter. Alle Zeichen stehen untrüglich auf Alarm, was den Einsatz von Team Omega geradezu herausfordert. „Ihr seid zwar erst im zweiten Jahr eurer Ausbildung, aber da ihr euch bei eurem letzten Einsatz bewährt habt, möchten wir euch auf dieser Insel einsetzen.“ Auch altersmäßig passen sie perfekt zu den übrigen Teenagern, also bereiten sich Jaden, Erik und Lenny auf ihren Einsatz vor. Und der hat es in sich. Sie haben einen klaren Auftrag. Sobald sie über das Vorhaben von MOEBIUS Bescheid wissen, haben sie auf einer sicheren Route zurückzukehren, gleiches gilt auch dann, wenn Gefahr droht. Ob das so einfach sein wird? Lassen wir uns überraschen.
    Action pur – ja, es geht auch hier, im zweiten Band von Andreas Grubers Thriller-Trilogie, rasant und äußert nervenaufreibend zur Sache. Die actionreiche Story ist durchgehend fesselnd, es gibt keine Längen, es peitscht mich regelrecht durch die Seiten. Das junge Team Omega ist auch hier extrem gefordert, dank ihrer gnadenlos harten Ausbildung sind sie zäh und widerstandsfähig. Ich bin immer direkt im Geschehen und wenn es zum besseren Verständnis notwendig erscheint, gibt es kurze Rückblenden, sodass ich dem Ganzen ohne Probleme folgen kann. Jaden, Erik und Lenny – alle drei sind sie mir wohlbekannt, sie sind gewitzt, sie sind intelligent, sie sind bestens geschult, sie wissen genau, was sie tun und – tolle Typen sind sie sowieso. Nun habe ich mit ihnen zum zweiten Mal mitgefiebert, ich habe um sie gebangt, denn zwischendurch war ganz schön brenzlig. Und nun bin ich gespannt, was das finale dritte Buch zu bieten hat. „Der Crash“ verspricht schon mal nichts Gutes – ich lass mich überraschen.
    Die Nacht der Bärin Kira Mohn
    Die Nacht der Bärin (Buch)
    28.10.2024

    Ein erschütternder Roman um häusliche Gewalt, sehr einfühlsam erzählt

    Fast dreißig Jahre war Anna nicht mehr hier, sie wollte auch nie mehr zurückkommen. Auch als sie die Nachricht erreicht, dass ihre Mutter gestorben ist, ist sie noch festentschlossen, nicht zur Beerdigung zu fahren. Annas Tochter Jule hat ihre Großmutter nie kennengelernt, es kamen lediglich nichtssagende Karten zu Festtagen, die Jule schnell zur Seite gelegt hat. Was ist damals passiert? Jule erreicht zumindest, dass sie und Anna zu dem Haus fahren, das an die Gemeinde verkauft werden soll. Die beiden Frauen sichten Papiere, legen für den Notar einige Sachen beiseite und kommen ins Gespräch.
    Jasper, Jules Freund, hat sie gestoßen, er hat nach ihr getreten. Das wollte sie eigentlich für sich behalten, nur ein paar Tage Abstand halten. Japers Anrufe ignoriert sie, überlegt aber dennoch, mit ihm zu reden. „Es wird dabei aber nur ihm besser gehen“, meint ihre Mutter.
    Häusliche Gewalt hat viele Gesichter, Kira Mohn erzählt davon. Von der zwölfjährigen Anna und ihrer vier Jahre jüngeren Schwester Maja. Der nahe Wald und der See sind ihre Rückzugsorte, ihre Feen wohnen hier, sie sehen die Bärin und ihre Jungen, es ist ihre Welt voller Glückseligkeit und Abenteuer.
    Kira Mohn wechselt die Perspektiven, sie ist immer wieder im Gestern, erzählt von Karl Siegburg, Annas Vater und von ihrer Mutter Marjanna und den beiden Mädchen. Dabei wird zunehmend klar, dass sie alle unter Vaters Gewaltausbrüchen zu leiden hatten. Bestrafungen und Schläge waren an der Tagesordnung, und das nicht zu knapp. Anna und Maja flüchten sich in ihre Traumwelten, so ist dieses Martyrium zumindest kurzzeitig auszuhalten. Er war ein Psychopath, war jähzornig, war unberechenbar. Und die Mutter schweigt dazu, sie hat nicht die Kraft, ihn zu verlassen, auch sie bekommt seine Wut zu spüren.
    „In diesem Haus war es nicht gut, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen“ sagt Julias Mutter, als sie ein Fotoalbum hervorkramen und die Erinnerungen hochkommen. Sie öffnet sich ein Stück weit und je mehr sie von damals erzählt, desto eher versteht Julia ihr langjähriges Schweigen.
    Der Roman ist nicht anklagend und doch klar und deutlich, die Kapitel sind mit prägnanten Sätzen überschrieben wie etwa „Du tust, was ich dir sage“ oder auch“ Denkst du etwa, mir macht das Spaß.“ Diese Aussagen werden noch sehr viel derber, sehr viel verletzender. Das Nachwort legt die Finger nochmal in die Wunde. Wer einmal schlägt, wird es in ähnlichen Situationen wieder tun. Hier geht es um Gewalt gegen Frauen. Häusliche Gewalt trifft vor allem sie, wenngleich gemäß den bekannten Zahlen auch 18 Prozent der Gewaltopfer Männer sind, die sich danach noch seltener als Frauen Hilfe suchen. „Würde mir das passieren – ich wäre sofort weg.“ Es beginnt schleichend, mir Worten, mit Vorwürfen, denen ein Rempler folgt, ein Hieb – und dann eine halbherzige Entschuldigung.
    „Die Nacht der Bärin“ erschüttert, auch das Nichtgesagte, das zwischen den Zeilen Sichtbare, ist schlimm, zu schlimm, es geht an die Nieren. Es fesselt, es lässt einen nicht los, es wirkt nach, bleibt im Gedächtnis. Und das ist auch gut so. Ein wichtiges Buch, das jeder lesen sollte.
    Im Warten sind wir wundervoll Charlotte Inden
    Im Warten sind wir wundervoll (MP3)
    28.10.2024

    Zwei Frauenschicksale

    Luise Adler ist eine jener jungen Frauen, die sich während der Besatzungszeit in einen amerikanischen Soldaten verlieben. Eine Liebe, die nicht gerne gesehen war. Weder von den Deutschen - die Kriegsbräute wurden von ihren Landsleuten verachtet - noch von den Amis, die vor zu viel Nähe gewarnt wurden. Und doch gab es sie, die Liebe über Grenzen hinweg.
    Charlotte Inden erzählt davon, von den War Bridges. Luise ist eine davon, sie findet mit Jo Hunter ihre große Liebe. An einem Dezembertag des Jahres 1948 sind deutsche War Bridges an Bord eines Flugzeuges, sie sind auf dem Weg zu ihren Verlobten, auch Luise ist eine von ihnen. Nach der Landung auf amerikanischem Boden wartet sie jedoch vergeblich, sie wird nicht abgeholt. Die Presse greift ihre Geschichte nur zu gern auf. Siebzig Jahre später sitzt wieder eine junge Frau in einem Flugzeug über den großen Teich, es ist Luises Enkelin Elfie. Mit Stephen, einem Reisejournalisten, der den Platz neben ihr einnimmt, kommt sie ins Gespräch. Die beiden verstehen sich sehr gut, sie fängt an, die Geschichte ihrer Großmutter zu erzählen.
    „Im Warten sind wir wundervoll“ beruht auf einer wahren Geschichte, die beiden Hauptcharaktere Luise und Else dagegen sind fiktiv. Zwei Zeitebenen wechseln sich ab, wobei mir Luises Schicksal sehr viel näher war. Sie ist eine zupackende junge Frau, die 1945 den amerikanischen Soldaten Joseph Hunter und seinen Freund Wilson kennenlernt. Sie verliebt sich in Jo und er sich in sie, ihre Zeit jedoch ist begrenzt, Hunter muss zurück in die Heimat.
    Die beiden Geschichten werden im Wechsel erzählt, wobei sie oftmals ineinanderfließen. Mag Luises Part noch angehen, so war mir Elfie, deren Geschichte in der heutigen Zeit angesiedelt sein dürfte, sowas von Gestern, zu klebrig, zu klischeebehaftet. Ihre Geschichte hätte ich nicht unbedingt gebraucht. Ich mag Geschichten, die in zwei Zeitebenen erzählt werden und meist ist es diejenige, auf die wir zurückblicken, die wesentlich mehr Potential hat und auch hier ist es so. Gerne wäre ich bei Luise geblieben, ihre Geschichte hat mich interessiert, sie hat mich berührt, ich habe sie gerne gehört…
    …gerne gehört, ja - dabei hat Julia Nachtmann, die Hörbuchsprecherin, ihren Anteil. Ihre angenehme Stimme, die sie sehr gekonnt einsetzt, gibt jeder einzelnen Figur ihre Charakteristik. Mag auch die Story zuweilen ins allzu Seichte abgleiten, gerade bei Elfies Part, so fängt sie mit ihrem perfekten Vortrag diese Sequenzen geschickt auf. Der vierte Stern, den ich für diesen Roman vergebe, gebührt somit ihr.
    All die kleinen Vogelherzen Viktoria Lloyd-Barlow
    All die kleinen Vogelherzen (Buch)
    25.10.2024

    Wundervoll erzählt

    Sunday befindet sich in diesem Sommer vor drei Jahren in einer ausgeprägten Phase weißer Lebensmittel, die etliche Varianten umfasst, je nachdem, was sie gerade zu sich nehmen kann. Es gibt Tage, die nur trockene Nahrung erlauben und dann gibt es wieder solche, in denen sie auch ein Ei in abwandelbarer Form – wie etwa Rührei oder Omelette - essen kann. Sie ist in vielerlei Hinsicht anders als andere, ihr Autismus prägt ihr Leben und logischerweise auch das ihrer 16jährigen Tochter Dolly.
    Viktoria Lloyd-Barlow zeichnet ein Bild einer autistischen Frau, die sich sehr bemüht, nicht unangenehm aufzufallen. Eine Benimmregel für Damen, um in Gesellschaft zu bestehen, liefert ihr dazu wertvolle Tipps. Sunday ist in dem Gartenbaubetrieb ihrer Ex-Schwiegereltern beschäftigt wie auch der gehörlose David, mit dem sie sich gut versteht. Ihr Leben ändert sich, als im Haus nebenan Vita und Rollo einziehen. Vita ist so anders, sie ist eine schillernde Persönlichkeit, sie ist forsch, sie ist charismatisch, dazu ohne jegliche Scheu, sie kommt im Schlafanzug, bittet um ein Glas Milch, setzt sich zu ihr – und bleibt. Einfach so, obwohl sie sich noch nicht kennen. Sunday ist fasziniert von ihr. Sie zerlegt die Worte, die sie aus Vitas Mund hört, betont die Silben, zieht sie in die Länge, wiederholt sie. „Vita spricht nicht, sie trilliert… wie ein kleiner Vogel.“ Sunday ist von Vitas Art sehr angetan, sie wird von ihr regelrecht umgarnt, umschmeichelt. Und bald schon zieht Vita Dolly an sich.
    Ich staune, ich lese die ersten Seiten voller Neugier. Aus Sunday Sicht entwickelt sich die Geschichte um das Anderssein, um Freundschaft und Familie bis hin zur Übergriffigkeit, die jegliche Grenzen sprengt. Die Ich-Erzählerin ist sanftmütig, dazu scheint sie keinerlei Argwohn zu hegen, obwohl dies durchaus angebracht wäre. Ihre Welt ist geradlinig, Hinterlist erkennt und versteht sie nicht. Schon als Kind wird ihre Schwester ihr in jeglicher Hinsicht vorgezogen, diese Zurücksetzung zieht sich durch ihr Dasein und nun ist es diese Vita, die sich in ihr Leben drängt.
    Es ist ein sehr berührender Roman, die Autorin bietet einen detaillierten Blick in Sundays Welt. Der schöne Schein gerät ins Wanken, Dolly entgleitet ihr, dunkle Kräfte sind am Werk. Die Story ist eher bitter, die Charaktere vielschichtig – von ehrlich und aufrichtig bis hin zu manipulativen und sehr eigennützigen, rücksichtslosen Personen. „All die kleinen Vogelherzen“ haben mich sehr berührt. Es ist trotz des ernsten Themas ein wunderbares Buch in einer wunderschönen Sprache, das bezaubert und auch nachdenklich macht. Ein Buch, das ich gerne gelesen habe und das ich sehr gerne weiterempfehle.
    Happy End Sarah Bestgen
    Happy End (Buch)
    25.10.2024

    Absolut lesenswerter Thriller

    Gerade eben war ihre kleine Welt noch in Ordnung, die kurze Zeit später krachend einstürzt. Für einen kurzen Moment ist Isa aus dem Zimmer gegangen, in dem Ben, ihr viermonatiger Sohn, in sein Spiel vertieft war und nun – ist er verschwunden. Wie kann das sein? Die Türen sind verschlossen, die Fenster zu und außerdem kann Ben noch nicht mal krabbeln. Das muntere, fröhliche Baby dreht sich altersgerecht um seine eigene Achse, das wars dann aber auch.
    Florian Simons und sein Kollege Thorsten Schwarz von der Vermisstenstelle der Kripo Köln sind für die Eltern die Ansprechpartner, die Soko ist eingerichtet, die Suche nach dem kleinen Ben hat oberste Priorität. Die Nachbarn werden befragt, keiner scheint von der Entführung etwas bemerkt zu haben. Ben ist wie vom Erdboden verschluckt, auch gibt es keine Lösegeldforderung, die Ermittlungen stocken. Und dann, nach Monaten ohne jegliche Spur von ihrem Baby überbringt Simons der verzweifelten Isa die ersehnte Nachricht: „Wir haben ihn, er lebt.“
    Wahnsinn! Die ganze Story ist wahnsinnig gut, sie ist sehr lange nicht durchschaubar. Isas aufkommende Zweifel sind dabei so nachvollziehbar, so normal dargestellt trotz dieser abnormen, dieser irrwitzigen Situation, dass ich gar nicht anders konnte, als mich an die Story festzubeißen. Isa kann Ben wieder in ihre Arme schließen und doch kommt ihr alles falsch vor. Für ihren Mann, für ihre Psychologin, die ihr eine Freundin empfohlen hat, für beinahe ihr ganzes Umfeld ist ihre innere Zerrissenheit immer weniger begreiflich. Aber es kommt noch schlimmer, sehr viel schlimmer. Der Albtraum scheint kein Ende zu nehmen.
    HAPPY END kling so leicht, so positiv, das Cover dagegen ist mit Dornenzweigen durchwirkt, was diese Düsternis, diese Ausweglosigkeit, in der sich Isa befindet, erahnen lässt. Sarah Bestgen lässt in psychische Abgründe schauen, ihr Erstlingswerk hat mich vollkommen überzeugt, auch – oder gerade deswegen - weil sie mir eine durchlesene, schlaflose Nacht bereitet hat, denn ein Weglegen des Buches war keine Option. Es ist ein in jeder Hinsicht gelungener Psychothriller, den ich jedem Thriller-Fan ohne Wenn und Aber empfehle.
    Am Fluss der Zeiten Ulrike Renk
    Am Fluss der Zeiten (Buch)
    23.10.2024

    Das Leben einfacher Bauern im 16. Jahrhundert – eindrucksvoller Auftaktband

    „Am Fluss der Zeiten“ ist der Auftakt eines historischen Mehrteilers, der im 16. Jahrhundert angesiedelt ist. Er basiert auf einer wahren Geschichte mit Personen, die damals gelebt haben. Das besondere daran ist, dass es die Vorfahren der Autorin waren, sie lebten auf dem Hof Kalmule, den es auch heute noch gibt, jedoch hat dieser mit Ulrike Renks Familie nichts mehr zu tun. Fiktionale Momente mischen sich mit den sorgfältig recherchierten Verhältnissen der damaligen Zeit.

    Zunächst möchte ich auf die Personenliste am Ende des Buches hinweisen, gegliedert nach den einzelnen Höfen, der Burg Kakesbeck, dem Haus Senden und der Domkurie Münster. Gerade anfangs ist es sehr hilfreich, hier immer mal wieder nachzuschauen und auch das Glossar danach war für mich unverzichtbar.

    Elze lebt mit ihren Eltern, ihrer jüngeren Schwester Nele, ihren drei Brüdern sowie ihrer Vaterschwester Stine auf Hof Kalmule und seit ihr ältester Bruder Drees seine Käthe geehelicht hat, lebt auch sie hier. Sie sind Eigenbehörige – der Begriff war mir fremd. Sie waren unfrei, sie standen in einem engen Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Grundherrn mit allen Pflichten, die sie dadurch hatten. Auch so manch andere Benennungen und Ausdrücke, die diesen Roman so authentisch machen, waren mir nicht geläufig und so habe ich auch erfahren, dass eine Hofübernahme, für welche Zahlung – und das nicht zu knapp - geleistet werden musste, als Auffahrt bezeichnet wurde. Im Prolog erfahren wird, dass Drees auf Hof Kalmule auffahren will, sein Vater ist alt und angeschlagen und wird aufs Altenteil gehen. Den ersten Seiten ist auch zu entnehmen, dass Amtmann Valcke die siebzehnjährige Elze zum Gesindedienst nach Münster verplichtet. Drees Einwand, dass sie auf dem Hof gebraucht wird, lässt Valcke nicht gelten, er duldet keinen Widerspruch. Bis dahin mag es noch ein Weilchen dauern, denn nach dem kurzen Prolog gehen wir ein Jahr zurück. Die Bauern sind mitten in der Ernte, die Trockenheit hat die Böden hart gemacht und nun ist der Damm gebrochen, die Stever steigt, auch der Kleuterbach tritt über die Ufer, das Wasser kommt in die Höfe. Wir sind mittendrin im ganz normalen Alltag der einfachen Leute und ihres arbeitsreichen Daseins. Alle müssen mit anpacken, alles wird verwertet, sie sind weitgehend Selbstversorger.

    Vom Sommer 1551 bis ins Frühjahr 1553 begleiten wir Elze und die ihren ein Stück ihres Weges. Es sind Tage voller Arbeit, so mancher Schicksalsschlag in der Familie ist schwer zu verkraften, auch spielt der Aberglaube mit hinein. Die Reformationsbewegung, die Zeit der Widertäufer und deren Auswirkungen sind Thema, aus Stines Sicht lässt uns die Autorin daran teilhaben. Das Bild vom finsteren Mittelalter drängt sich mir unweigerlich auf. Auch war das Wissen der Kräuterfrauen sehr gefragt, lesen und schreiben konnten die wenigsten, geheiratet wird nicht nur aus Sympathie und doch spielen auch Zuneigung und die ersten zarten Bande eine Rolle.

    Ulrike Renk hat das Leben der einfachen Bauern gut eingefangen. Sie lässt Geschichte lebendig werden, sie nimmt ihre Leser mit auf eine Reise ins fünfhundert Jahre zurückliegende Gestern. Der Auftaktband der Trilogie um Hof Kalmule macht Lust auf mehr – ich bin auf die Fortsetzung gespannt.
    Café Hawelka Maria Wachter
    Café Hawelka (Buch)
    22.10.2024

    Rund um das Hawelka - eine Melange auf zwei Zeitebenen

    Die Reihe „Cafés, die Geschichte schreiben“ wird mit dem dritten Band um das „Café Hawelka“ fortgesetzt. Wer kennt es nicht, dieses Wiener Kaffeehaus, in dem sich die Berühmtheiten seit jeher wohl fühlen. Maria Wachter schrieb als Wienerin dieses Buch mit großen Vergnügen, wie sie in ihrem Nachwort verrät.
    „Nicht grandios und glamourös, aber gemütlich ist es bei uns. Deshalb kommen sie alle – Dichter, Maler, Literaten, Schauspieler, Studenten genauso wie die Reichen und die Mächtigen…“ schwärmt Jutta von „ihrem Hawelka“, ihrem zweiten Wohnzimmer. Alle sind sie gleich viel wert, alle sind sie willkommen.
    Endlich – der Krieg ist aus. Gerade noch war Else mit Fritzi im Luftschutzkeller und nun hört sie es, seit drei Tagen schon soll er vorbei sein. Aber wo ist Fritzi, ihre kleine Schwester, die sie notgedrungen aufzieht, da ihre Mutter bei Fritzis Geburt gestorben ist und Vater in den Krieg musste. Auf der Suche nach Fritzi begegnet ihr Frau Hawelka, die ihr gut zuredet, die ihr Mut macht und sie mitnimmt in ihr Kaffeehaus, denn in ihr Zuhause kann Else nicht mehr – Wien ist ein einziger Trümmerhaufen und doch steht das Café Hawelka noch, völlig unbeschadet.
    Es ist so viel mehr als nur die Geschichte um das Hawelka, die Maria Wachter in ihrem Roman in zwei sich abwechselnden Zeitebenen so wundervoll erzählt: Von 1945, als Leopold und Josefine Hawelka alles dran setzten, um ihr Kaffeehaus trotz Mangel wiederzueröffnen, was ihnen trotz den nicht zu unterschätzenden Gefahren des Schwarzmarktes und der zerstörten Infrastruktur mit viel Improvisationstalent gelingt. Im Nachkriegs-Wien begleiten wir Else. Wien ist in vier Zonen eingeteilt, es gibt praktisch nichts und doch kämpfen sie alle ums Überleben und nicht nur das – Else ist jung, sie ist pflichtbewusst und auch ein wenig lebenshungrig, sie geht tanzen, sie verliebt sich. 1968 dann, im zweiten Erzählstrang, ist es Jutta, der wir folgen. Sie will heiraten und braucht dafür Papiere, die Ihre Mutter Else in der Dokumentenmappe der Familie sicher verwahrt. Jutta ist bald einem gut gehüteten Geheimnis um ihre Familie auf der Spur, es wird an die Kriegswirren, die Judentransporte und auch die Überzeugungstäter und an noch so vieles mehr erinnert. Juttas eckt an, ihr Sinn für Gerechtigkeit ist nicht jedem genehm. Auch wird der Zeitgeist gut eingefangen, sie tragen wieder Pelzmäntel – um nur eine kleine, wie dazwischengeschobene Anekdote zu benennen - was heutzutage gar nicht mehr geht.
    Maria Wachter ist es bestens gelungen, rund um das Hawelka die Geschichte einer Familie zu erzählen und dabei sehr viel Historisches mit einfließen zu lassen. Ihre Melange aus wahren Biographien, dem gut recherchierten geschichtlichen Hintergrund und den fiktiven Charakteren habe ich sehr genossen.
    Der längste Schlaf Melanie Raabe
    Der längste Schlaf (Buch)
    18.10.2024

    Über Schlaflosigkeit, über prophetische Träume und mehr

    Mara Lux ist gebürtige Deutsche, lebt aber schon lange in London. Schon früh hat sie ihre Eltern verloren, hat dann aber in ihrer Pflegefamilie viel Zuwendung bekommen, deren Tochter Roxi ihr zur Schwester und besten Freundin geworden ist. Mara ist Wissenschaftlerin, ihr Gebiet ist der Schlaf und die Schlaflosigkeit, an der sie selber leidet.
    Einen Frankfurter Notar soll sie anrufen – diese Nachricht findet sie neben anderen in ihren eMails, was ihr äußerst seltsam erscheint. Denn außer mit Roxy hat sie keine Verbindung nach Deutschland. Nach kurzem Zögern ruft sie dennoch die hinterlegte Nummer an. Eine Schenkung, ein Herrenhaus, frei von Schulden und ähnlichen Verbindlichkeiten, wartet auf sie. Der Notar nennt ihr den Namen des ihr völlig Unbekannten. Sie lehnt ab, bedankt sich und beendet das Telefonat. Und doch geht ihr diese absonderliche Sache nicht mehr aus dem Kopf und beschließt, sich das Haus vor Ort anzusehen.
    Dazwischen lesen wir von einem Geschwisterpaar, deren Geschichte ich nicht vorweg nehmen möchte.
    Es geht um Schlaf und Schlaflosigkeit und von prophetischen Träumen lesen wir auch. Es sind mehrere Handlungsstränge, die jeder für sich rational nicht greifbar sind. Nicht nur in besagtem Herrenhaus geschehen seltsame Dinge – oder ist dies eher Einbildung? Vor allem nachts ist alles ein Stück weit unheimlicher und wenn man sich dann an einem Ort befindet, der einen nicht vertraut ist, hört sich jedes Geräusch zusätzlich bedrohlich an. Die Story driftet zuweilen ins Mystische ab, was dem Ganzen Spannung verleiht, den märchenhaften Elementen, die sich später dann dazwischenschieben, kann ich jedoch nicht viel abgewinnen. So manche Figur bleibt oberflächlich, andere verlieren sich zu sehr ins Phantastische. Trotzdem habe ich das Buch gerne gelesen, was nicht zuletzt dem einnehmenden Schreibstil geschuldet ist - es war meine erste Begegnung mit Melanie Raabe.
    Das Parfüm des Todes Katniss Hsiao
    Das Parfüm des Todes (Buch)
    18.10.2024

    Sie riecht den Tod

    „Vor ein paar Wochen hast du eigenständig einen Auftrag angenommen, stimmt´s? Yang NIng erinnert sich an den Kunden, der schon etwas seltsam war. Der Anrufer hatte es eilig, in wenigen Stunden sollte der Auftrag erledigt sein. Es schien perfekt zu laufen - der Schlüssel war an der angegebenen Stelle, das Geld hinterlegt, alles war so wie besprochen. Ihr Chef war nicht begeistert, als er erst hinterher davon erfahren hat, auch wenn der Job sehr gut bezahlt wurde. „Die Polizei geht von einem Mord aus. Und du warst vor ihnen am Tatort“ eröffnet ihr Haoyang, ihr Anwalt und ehemaliger Lebensgefährte. Nun wird Yang Ning klar, warum die Polizei sie verdächtigt, denn sie hatte sämtliche Beweise beseitigt, einen nach dem anderen. Als Tatortreinigerin ist dies nun mal ihr Job, hier aber wurde sie in eine fiese Falle gelockt. Wie soll sie beweisen, dass sie mit dem Mord, der ihr zur Last gelegt wird, nichts zu tun hat?
    Yang Ning ist ihr absoluter Geruchssinn abhanden gekommen, nur in bestimmten Situationen, an berüchtigten Orten, ist er wieder da. Ihr feines Näschen konnte zuvor sämtliche Aromen aufschlüsseln, jede einzelne Substanz identifizieren und sie bei Bedarf aus dem Gedächtnis abrufen. Und nun ist es der Gestank des Todes, dem sie als Tatortreinigerin im Einsatz begegnet, der ihr diese Gabe zurückgibt, wenngleich er nicht anhält.
    In drei Teilen berichtet „Das Parfüm des Todes“ vom „Tatort“, zeigt das“ Täterprofil“ auf und endet in einem „Raunen“. Die Autorin lässt sich zunächst viel Zeit, sie stellt die einzelnen Figuren vor, wobei ich um das Personenverzeichnis am Ende des Buches sehr dankbar war, denn die taiwanisch-chinesischen, ähnlich geschriebenen Namen, sind schon eine Herausforderung. Man begegnet hochgradig gestörten Wesen, wir lesen von Pädophilie, von Fetischismus und von Gerüchen, die uns anhaften. Es wird Anleihe an Grenouille genommen, was mir jedoch so gar nicht gefällt. Süßkinds Grenouille hat den perfekten Geruchssinn, ist aber selber ohne jeden Eigengeruch. Diese Tatsache mal ausgeblendet, hat „Das Parfüm des Todes“ durchaus Thrillerqualitäten, wenngleich nicht durchgängig. Zuweilen verliert sich die Story in zu vielen Details, sie wartet aber schon mit brutalen Szenen auf – zu zartbesaitete Leser werden hier aufstöhnen. Der Schluss dann hat mich nicht abgeholt, er ist für meine Begriffe etwas seltsam geraten.
    Lindt & Sprüngli (Lindt & Sprüngli Saga 1) Lisa Graf
    Lindt & Sprüngli (Lindt & Sprüngli Saga 1) (Buch)
    13.10.2024

    Vom Zuckerbäcker zum Chocolatier – ein exquisiter Lesegenuss

    Die Lindt & Sprüngli AG ist ein international agierender Schweizer Schokoladenhersteller, deren Ursprung auf Rudolf Sprüngli und seinen Schokoladenmanufakturen zurückgeht.

    Einst erlernte Rudolf von seinem Vater David den Beruf des Zuckerbäckers. Gerade ausgelernt, nach seinem Gesellenstück, ging er auf Wanderschaft. Dabei traf er auf den Chocolatier François-Louis Cailler und auf Philippe Suchard, beide waren sie Vorreiter in der Herstellung feinster Schokolade. Inspiriert davon, mit neuen Ideen im Kopf, zog es ihn wieder heimwärts nach Zürich in die Marktgasse, in die Konditorei seines Vaters. David Sprüngli & Sohn firmierten sie nun. Auch wenn David den Höhenflügen seines Sohnes nicht allzu viel abgewinnen konnte, so ließ sich Rudolf, unterstürzt von seiner Frau Katharina, nicht davon abhalten, Neues auszuprobieren. Er suchte nach Geldgebern, expandierte, der Erfolg gab ihm recht.

    Lisa Graf führt ihre Leser zunächst ins Jahr 1826, Rudolf ist gerade mal zehn Jahre alt. Zum Apotheker Flückinger hat er seit jeher eine starke Verbindung und zu ihm geht er nun, da er für seine kranke Mutter Medizin holen muss. Neben den Tropfen, die sie schon länger nimmt, hat Rudolfs väterlicher Freund noch etwas ganz besonderes. Er experimentiert schon länger mit Kakaobohnen, mit Zucker fein gemahlen, angereichert mit etwas Öl , gepresst als Taler gibt er Rudolf zwei Stück mit, sie sollen die Mutter kräftigen. Und - sie wird wieder gesund. Von da an war der kleine Rudolf angefixt, diese Kakaobohnen, aus denen mit etlichen Zutaten etwas Feines hergestellt werden kann, lassen ihn nicht mehr los.

    Die Autorin erzählt von den Anfängen des Familienunternehmens. Den zehnjährigen Rudolf begleiten wir, er lernt bald seine zukünftige Frau kennen, lernt von den schon etablierten Chocolatiers, probiert selber aus, erweitert sein Sortiment, er weiß schon in ganz jungen Jahren, was er will. Dabei fließt wie nebenbei – aber doch sehr präsent – das Zürich von damals mit ein. Wir lesen von dem Feuerturm, von den Gaslaternen, von den Lebensumständen auch der ärmeren Bevölkerung, den Arbeitsbedingungen, den Zünften und von noch so viel mehr. Kurzum – die damalige Zeit habe ich beim Lesen direkt vor Augen, ich bin mittendrin, bin von dem Gelesenen tief beeindruckt.

    Die historischen Fakten sind bestens recherchiert, die Personen und ihr jeweiliger Charakter gut eingefangen, die Geschichte drumherum ist ein unterhaltsames, ein kurzweiliges Lesevergnügen. Die 470 Seiten waren viel zu schnell gelesen. Der Anhang sei noch erwähnt, er bietet eine Liste mit den wichtigsten Personen inklusive Kurzbeschreibung und auch das Glossar mit einigen schweizerischen Begriffen ist hilfreich. Den süßen Einstieg ins Buch bietet das Rezept einer Tarte au Chocolat, das die Leser beim Aufschlagen des Buches erwartet - ein ganz besonderer Genuss.

    Dieser erste Band der Lindt & Sprüngli Saga umfasst die Jahre 1826 bis 1863. Nun kenne ich Rudolf Sprünglis Werdegang und möchte am liebsten sofort weiterlesen, jedoch muss ich mich noch ein Weilchen gedulden. Es ist ein rundum gelungener Start in die Lindt & Sprüngli Trilogie, ein interessanter Einblick in die Anfänge des Unternehmens.
    Everything We Never Said - Liebe lässt uns böse Dinge tun Sloan Harlow
    Everything We Never Said - Liebe lässt uns böse Dinge tun (Buch)
    12.10.2024

    Gefährliche Liebschaften - düster, manipulativ, dramatisch

    Obwohl für mich das Cover eher zweitrangig ist, hat mich doch zunächst das Äußere dieses Buches in seiner Komplettheit (sowohl die Farbgebung als auch der Buchschnitt) angezogen. Und nun, nachdem ich es beendet habe, bin ich auch von diesem Romantic Suspence, wie sich dieses Genre auf Neudeutsch nennt, positiv überrascht. Aber nun zum Wichtigsten, zum Inhalt…
    …der hauptsächlich die Sicht von Ella und von Sawyer wiedergibt, dazwischen sind Hayleys Tagebucheinträge zu lesen.
    Ella fühlt sich schuldig. Sie war es, in deren Auto Hayley mitgefahren ist. An den Unfall kann Ella sich nicht mehr erinnern, aber während sie immer noch da ist, ist Hayley, ihre beste Freundin, tot. Auch Sawyer, Hayleys Freund, geht es nicht gut. In ihrer Trauer um ihre Freundin kommen sich Ella und Sawyer näher, sehr nahe sogar.
    Zunächst fühlt sich das Geschriebene an wie eine typische YA-Story. Neben Ellas Schuldgefühlen und der Trauer um den Verlust ihrer besten Freundin thematisiert Sloan Harlow die Liebe, die durchaus toxisch sein kann, auch Eifersucht, Wut, Kontrolle und Kontrollverlust spielen mit hinein. Die Charaktere – allen voran Ella und Sawyer – überzeugen, wobei mir er im Gegensatz zu Ella eher fragwürdig erscheint, da ihn eine Düsternis umgibt, die des Öfteren an seiner Redlichkeit zweifeln lässt. Die Handlung wird zunehmend intensiver, die Story gut nachvollziehbar und deren Ende so ganz anders, als es lange den Anschein hatte - obwohl ich dies ab einem gewissen Punkt geahnt hatte.
    Ein emotionaler, ein durchaus düsterer Thriller über Schuld und Schuldgefühle, über Liebe und toxische, manipulative Beziehungen. Ein Thema, das eher verschwiegen wird. Ein Jugendbuch, das durchaus auch den älteren Leser anspricht.
    Der lange Schatten Celia Fremlin
    Der lange Schatten (Buch)
    11.10.2024

    Ein Albtraum schlechthin - grandios in Szene gesetzt

    Celia Fremlin beschreibt in ihrem erstmals 1975 erschienenen und nun neu aufgelegten Roman „Der lange Schatten“ nuanciert und fein austariert einen Albtraum, dem sich keiner aussetzen möchte und dem sie doch nicht entrinnen können.
    „Sie wissen das auch, Mrs Barnicott, und zwar besser als jede andere, denn Sie haben ihn ja umgebracht.“ Mit zitternden Händen legt Imogen den Hörer weg. „Ein Irrer“, denkt sie entsetzt über den Anrufer.
    Imogens Ehemann ist noch nicht lange tot, ein Autounfall auf nächtlicher Straße war ihm zum Verhängnis geworden. Und nun, kurz vor Weihnachten, ist sie von diesem schockierenden Anruf zutiefst erschüttert und nicht genug damit, erscheinen Ivors erwachsene Kinder Robin und Dot nebst Anhang. Und als ob sie sich abgesprochen hätten, taucht auch Ivors Ex-Frau Cynthia auf, gefolgt von Piggy, einer jungen Frau, die Robin angeschleppt hat. Sie alle nisten sich bei Imogen ein.
    Es geschehen seltsame Dinge. Man könnte direkt meinen, als ob Ivor im Haus herumgeistert. Imogen findet Zettel mit seiner Handschrift, die Tinte ist noch nicht ganz trocken. Immer wieder scheint es, als ob von Geisterhand Ivors Gewohnheiten nachgestellt würden. Eine düstere, eine zuweilen bedrückende Atmosphäre liegt über ihnen allen.
    Die Frage, ob Imogen denn wirklich Ivors Tod verschuldet hat, habe ich während des Lesens immer im Hinterkopf. Es könnte aber auch ganz anders sein, ich denke abwechselnd an den Anrufer oder dann wieder an einen der Hausgäste. Ist es der ganz normale (Familien)Wahnsinn, wenngleich es nicht nur Familie ist, die hier mitmischt. „Der lange Schatten“ hat mich ab sofort gefesselt, die durchweg spannende Story und die eigenwilligen, sehr speziellen Charaktere verleihen dem Ganzen einen gespenstischen Hauch. Der Albtraum im beileibe nicht Alltäglichen ist meisterhaft in Szene gesetzt und ist es auch – fünfzig Jahre danach – unbedingt wert, gelesen zu werden.
    Die Mitford Schwestern Marie Benedict
    Die Mitford Schwestern (Buch)
    10.10.2024

    Aristokratische It-Girls und die Nazis

    Marie Benedict hat mit „Die Mitford Schwestern“ den nunmehr sechsten Band aus der Reihe „Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte“ vorgelegt. Im Nachhinein kann ich es gar nicht glauben, dass mir diese Schwestern total unbekannt waren, denn sie lieferten Schlagzeilen zur Genüge.
    Als Hitlers Groupie hat der Spiegel die Britin Unity Mitford einst bezeichnet, aristokratische It-Girls hat Marie Benedict sie in der Schlussanmerkung ihres neuesten Buches „Die Mitford Schwestern“ genannt - sie und ihre sechs durchaus exzentrische Schwestern.
    Es ist Nancy, die Älteste, die erzählt. Von sich, von Diana und von Unity. Ein wenig auch von den anderen Schwestern und von der Familie an sich, wenngleich diese hier eher als Nebendarsteller fungieren. Diana ließ sich von dem Brauereierben Bryan Walter Guinness zugunsten des Faschistenführers Mosley scheiden, dem sie regelrecht verfallen war. Mit Untiy, die Hitler schon in München kennengelernt hatte, ging sie 1933 nach Nürnberg zum Reichsparteitag der NSDAP. Beide waren sie glühende Anhängerinnen des Faschismus und des Nationalsozialismus und vor allem schien Unity Hitler verfallen zu sein. Schon lange schwärmt sie für ihn und nun, da sie ihm endlich nahe war, lässt sie dem Wagner-Verehrer wissen, dass ihr zweiter Vorname Valkyrie ist. Für ihn lernt sie Deutsch, sie bezeichnet sich selbst als eine Faschistin und bringt ihren Hass auf die Juden und zugleich die Lobpreisung von Herrn Hitler zum Ausdruck. Nancy steht dem Idealismus ihrer Schwestern kritisch gegenüber. Sie, die Schriftstellerin, gibt die Jahre der Nazi-Herrschaft von 1932 bis 1941 wieder.
    Es waren schillernde Persönlichkeiten, über die Marie Benedict schreibt. Gerne glaube ich ihr, dass es für sie persönliche eine Herausforderung war, sich selbst zurückzunehmen und die geschichtlichen Fakten sprechen zu lassen. Den Fanatismus und die sehr persönliche Sichtweise von Unity und auch den von Diana hat sie eindringlich geschildert, die beiden waren glühende Nazis ohne jegliches Unrechtsbewusstsein. Dieser Massenmörder, dieser Schwerverbrecher kam mir dabei aber allzu menschlich rüber. Gut, sie schreibt von diesem Monster A. H., das sie durch die Augen von Diana und Unity in positives Licht gesetzt hat. Eine Gratwanderung, die für mich persönlich nicht so ganz gelungen ist. Und doch hat sie mir ein Stück Geschichte nähergebracht, von dem ich bis dato nichts wusste.
    Herrliche Zeiten - Die Himmelsstürmer Peter Prange
    Herrliche Zeiten - Die Himmelsstürmer (Buch)
    09.10.2024

    Von grenzenloser Freundschaft und noch sehr viel mehr

    Peter Prange hat mit „Herrliche Zeiten – Die Himmelsstürmer“ den ersten Band seiner neuen Duologie vorgelegt. Er lässt neben der fiktiven Geschichte um Liebe und Freundschaft viel Historisches mit einfließen.
    Vicky hat zu ihrem siebzehnten Geburtstag eine Europareise geschenkt bekommen. Wir schreiben das Jahr 1871. Sie, die junge Londonerin, trifft in Karlsbad auf zwei charmante junge Männer, wenngleich die beiden sich zunächst ganz schön angiften. Nun gut, die drei verabreden sich zum Picknick und natürlich lässt es sich Auguste Escoffier, ein französischer Koch aus Leidenschaft, nicht nehmen, seine neu gewonnen Freunde, zu denen neben Vicky auch der deutsche Ingenieur Paul Biermann zählt, mit den köstlichsten Speisen zu verwöhnen. Den gelungenen Tag lässt Vicky mit je einem Glückspenny ausklingen, damit ihre Träume sich erfüllen mögen.
    Von 1871 bis zur Jahrhundertwende 1900 begleiten wir die drei jungen Leute, deren Lebensweg neben den familiären Einflüssen und Zwängen auch geprägt wird vom gesellschaftlichen Leben, von Politik und dem technischen Fortschritt dieser Zeit. Die Idee zur Untertunnelung des Ärmelkanals geht auf diese Jahre zurück, auch wenn er – wie allseits bekannt - erst sehr viel später verwirklicht wird. Auch nimmt Bismarcks Gedanke, den Berlinern eine Prachtstraße zu hinterlassen, Gestalt an - der Kurfürstendamm soll vor allem die Überlegenheit des Kaiserreichs demonstrieren. Paul Biermann ist in beide Projekte involviert. Der technische Forstschritt schreitet voran, Telegrafen verbreiten Nachrichten um die Welt und das in Windeseile, das Automobil verdrängt bald die Pferdekutsche, es ist eine Epoche des Aufbruchs.
    Daneben tauchen wir ein in den Kolonialismus und die damalige Denkweise darüber, wir begegnen Karl Marx, nehmen unsere vorzüglichen, von Auguste Escoffier kreierten Köstlichkeiten in den besten Lokalen Frankreichs und Englands (in denen, nebenbei bemerkt, August als Chefkoch brilliert) zumindest gedanklich zu uns, César Ritz spielt dabei ganz vorne mit. Zu Gast sind viele Berühmtheiten wie etwa die gefeierte Schauspielerin Sarah Bernhardt, auch den lebensfrohen Bertie, der damals noch Prince of Wales war, war gern gesehen. Oscar Wild reiht sich mit ein wie viele andere, alle sind sie uns heute noch mehr oder auch mal weniger ein Begriff.
    Peter Prange lässt auch hier Geschichte lebendig werden. Eingebettet in den historischen Hintergrund erzählt er die Lebenswege von Vicky, Paul und Auguste, die sich nie ganz aus den Augen verlieren. Ihre weit verzweigten Familiengeschichten haben mich so sehr in ihren Bann gezogen, dass ich einfach weiterlesen musste. Die kurzen Kapitel, die wechselseitig von den dreien erzählen, sind so mitreißend, so spannend, ihre Wünsche, ihre Träume und ihr unbedingter Wille zum Durchhalten absolut nachvollziehbar. Der so einnehmende Schreibstil und die so nahbaren Hauptakteure - und nicht nur diese, auch die anderen so vielschichtig beschriebenen Charaktere - machen das Lesen zu einem ganz besonderen Genuss.
    Ein wunderbares Buch ist ausgelesen, am liebsten möchte ich sofort weiterlesen, der zweiten Band der Duologie erscheint jedoch erst im Herbst 2025 – ich freu mich schon drauf und schwelge einstweilen in „Herrlichen Zeiten“.
    In Zeiten des Todes Luca D'Andrea
    In Zeiten des Todes (Buch)
    05.10.2024

    Spannend, tiefgründig, nach einem wahren Kriminalfall

    „In Zeiten des Todes“ wird in zwei Teilen erzählt und begibt sich direkt auf „die tödliche Spur des Monsters von Bozen“, beginnend in der Nacht des 7. Januar 1992. Das Monster führt sich mit der Leiche einer jungen Prostituierten ein, auch wenn wir lange nicht wissen, wer dieses mordende Wesen denn sein soll. Freudenmädchen-Killer nennen sie es irgendwann, denn natürlich ist die Presse an vorderster Front mit dabei, diese Art Story verkauft sich blendend. Auch Jo, der Chefreporter von Voce delle Alpi, schickt den noch nicht sehr erfahrenen Alex Milla, um möglichst reißerische Fotos zu machen. Was dieser zunächst auch liefert, denn noch ist er ein ganz kleines Licht in der Zeitung. Und dann beginnt er, sich mehr mit diesem Serienmörder zu beschäftigen.
    „24 Messerstiche, keine Beziehung zum Opfer, keine Anzeichen von Reue oder Panik. Das ist kein Mord wie alle anderen.“ Dessen ist sich Luther Krupp sicher, auch wenn Ispettore Lopez, genannt das Rattengesicht, dies anders sieht. Lopez gilt als Commissario Levadas rechte Hand, der Mord an einer Nutte ist es in deren Augen nicht wert, sich darum zu viele Umstände zu machen. Nun, Krupp ist jung und voller Enthusiasmus, er übernimmt diesen Fall, mit Arianna Lici an seiner Seite. Diesem ersten Mord folgt ein zweiter, auch hier handelt es sich um eine junge Prostituierte, auch sie wurde mit einem Messer traktiert, sie wurde regelrecht abgeschlachtet. Der Fundort kann auch hier nicht der Tatort sein.
    Der zweite Teil dann ist mit „Der Zweifel“ übertitelt, es sind dreieinhalb Jahre ins Land gezogen. Davor und auch jetzt werden so etliche Monate, dann auch Jahre, im Schnelldurchlauf abgehandelt. Krupp ist nicht mehr der, der er einmal war. Dafür haben er und Arianna zu viel gesehen. Und sie stolpern über frühere, ähnlich gelagerte, bis heute nicht aufgeklärte Fälle. Was haben diese gestrigen und die jetzigen Verbrechen miteinander zu tun? Ist es gar derselbe Täter?
    Es ist ein Buch, das seine Leser ganz haben will - Luca D’Andrea hat mich mit seinem einnehmenden Schreibstil sofort gehabt. Seiner komplexen Story, die an einen wahren Kriminalfall angelehnt ist, konnte ich nicht entkommen. Gut, er verliert sich dann und wann in einer zu detaillierten Erzählweise, die durchaus hätte ein wenig gestrafft werden können. Und doch braucht es diese Ausführlichkeit, zumindest weitgehend, um dem Ganzen folgen zu können. Neben der Welt der Prostitution, dem Drogensumpf und den damit einhergehenden Vorurteilen, auch in Polizeikreisen, sind es seine Hauptfiguren Krupp, Arianna und Milla, denen ich gespannt folge, die sich während der schwierigen Ermittlungsarbeit weiterentwickeln – jede auf seine ureigene, nicht vorhersehbare Art.
    Der Autor fordert seine Leser. Von einem schnellen, ein oberflächlichen Drüberlesen ist abzuraten, denn dann entgeht einem zu viel. Die Morde, die Frauen und deren Leben, ihr Umfeld, ihre Ängste und Zweifel greifen ineinander über, sie werden multidimensional geschildert. Es sind auch verpasste Chancen, die den Menschen prägen, in welche Richtung auch immer. Es ist ein spannendes, ein tiefgründiges Buch, dem man sich ganz widmen sollte, das zu lesen es sich lohnt.
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