Ein echtes Meisterwerk ostdeutscher Rockkultur mit Songs die definitiv erwachsen geworden sind.
IC Falkenberg – Staub
Ein echtes Meisterwerk ostdeutscher Rockkultur mit Songs die definitiv erwachsen geworden sind.
Wer kennt seine Lieder nicht? Der einstige Rockstar der DDR, Ralf Schmidt, Mitglied von Stern Meißen, IC Falkenberg, dessen Alben und Songs schon damals eine ganze Generation beflügelt haben, hat ein neues Album geschaffen – „Staub“. Doch es ist so viel mehr, als der Titel erwarten lässt, doch dazu später mehr.
Ein Album das der Künstler selbst als Art „Testament“ bezeichnet und eine Sammlung seiner Songs aus 17 Studioalben ist. Jeder einzelne Song wurde neu arrangiert und produziert.
Wer jetzt eine Art „Best of“ erwartet liegt jedoch falsch, denn es wurden die Songs gewählt, die den „Moment der Entstehung des jeweiligen Albums am besten manifestieren“.
Mit dem ersten Titel des Albums – Taufrisch - eröffnet IC Falkenberg den Einblick in eine klare, akustisch starke „neue Welt“. Die einstigen Synthesizer sind klassischen Instrumenten gewichen, das Tempo des Songs langsamer, intensiver und voller Klarheit. Die Stimme, nicht mehr die eines Teenies, sondern die eines erwachsenen Mannes, echt, authentisch und wundervoll. Jedes Wort, jede Zeile, jeder Satz berührt die Seele und klingt wie die poetische Beschreibung des Erlebten- des Gelebten. Weg von Oberflächlichkeit – Hier gibt es Tiefgang bis ins Herz der Seele.
Der zweite Titel, der „Mann in Mond“ ist den Träumen eines jungen Mannes entwachsen. Nur das Glockenspiel erinnert noch an die Leichtigkeit des einstigen Riesenhits, das Märchen aus dem Osten, denen wohl zigtausenden Mädchen zu Füssen lagen. Jetzt klingt der Song in einem anderen Licht. Die Wünsche, es sind die gleichen und doch wirken Sie diesmal so erfahren, so weise, so echt. „…ich wünsche mich, ein Leben ohne Hass und Gier…das Leben ist kurz, ein Mensch so klein“. Gerade in der heutigen Zeit aktueller denn je. Ob sich IC Falkenberg wohl schon damals der Tragkraft seiner Texte und Worte bewusst war? Die Stimme so unfassbar passend, glasklar und kräftig – es klingt fast nach einem Gebet.
Eine Nacht – eine Nacht die kaum wiederzuerkennen ist. Aus dem einstig beschwingten Lied, einer Hymne – wie im Fieber – ist eine Offenbarung geworden. Eine Ballade, dessen wundervoller, poetischer Text jetzt ganz klar im Vordergrund steht. Warum der Künstler selbst von einem „Testament“ spricht, wird mir gerade bei diesem Song immer klarer. Die gleiche Aussage wie vor Jahren und doch wieder nicht die gleiche Aussage. Es ähnelt einem Paradoxon, zwei gleiche Lieder werden eins und bleiben doch zwei. Sowas habe ich bisher in der Musik noch nie erlebt. Einfach berauschend.
Dein Herz – in traumhafter Klavierbegleitung, fast schon unplugged.
Der einstige Kuschelsong mit lieblich weicher Stimme und Saxofon ist vor den Spiegel getreten. „Alles um dich rum ist kalt“, ja man kann hören, dass das Gesungene oft erlebt wurde. „Fühlst du dein Herz, es kämpft um dich…“. In einer Zeit in der Depressionen und Selbstzweifel, schon fast an der Tagesordung stehenden - gerade während der Corona Pandemie - ein so kräftiges, starkes Statement. Gib nicht auf! Schrei es laut heraus! Fühl dein starkes Herz!
Da wo die Abenteuer sind beginnt mit einem sanftem Glockenspiel und dem Rauschen und Knistern einer alten Vinylplatte. Klänge der Kindheit, eines Gute-Nacht-Lieds, die der Hörer wohl lange nicht mehr vernommen hat. Es fühlt sich an wie ein Kindheitsttraum, der wohl nie in Erfüllung gegangen ist. Ein alter, fast vergessener Traum, den wohl jeder von uns schon einmal hatte, doch an dem uns der Mut zu Verwirklichung fehlte. Leben, Glück, Freiheit und Liebe, die uns verwehrt blieben aus Kraftlosigkeit und fehlender Stärke. Ein Lied sehr Sehnsucht.
Die „Piraten“ bringen frischen Wind auf das Album und fordern zu längst überfälligen Taten auf. Ein Lied der Stärke, des Aufbruchs zu neuen und altbekannten Ufern. In meinen Ohren der einzige Song, der kein neues Gewand bekommen hat, da der Text und die Musik selbst mit den Jahren nicht älter und reifer werden konnten, abgesehen von der Stimme. Wie sagt man es noch mit Männern und gutem Wein?
Das „Land“ mit herrlicher klassischer Akkustikgitarre und Klavier, bei der man fast schon den Wind und die Kälte des Landes unter dem Eis spüren kann. Die wundervolle Symbolik kaum zu überbieten. Wo ist das Land? Laufen wir alle nur mit wehenden Fahnen betäubt im Kreis? Ein ganz besonderer Song in meinen Augen, der trotz des kurzen Textes so viel sagt: so viel hinterfragt. Sind wir auch verreist? Melancholie pur!
Weiter geht es im „Osten3.1“ unter der Milchglas Sonne, die stolz bis in den Westen scheint. In meinen Augen ein Liebeslied an eine, wenn auch beschränkte gute alte Zeit, in der die Welt noch „eine Scheibe“ war. Ein ehrlicher Song, der das Erlebte und Gefühlte der Wende für viele „Ostdeutsche“ auf den Punkt bringt. Jedoch nicht nur für „Ossis“, denn auch „Wessis“ ist das Gesungene sehr bekannt. Eine alte, schmutzigere Zeit, die noch heile zu sein schien, wurde von einer Gesellschaft der Profitgier abgelöst. Ein Thema das aktueller denn je ist.
Selbst das „Wetter“ wird auf dem neuen Album zum klaren politischen Statement und man kann sich immer wieder nur wundern, wie aktuell die „alten“ Songs sind. Gesellschaftskritisch, unverschnörkelt und doch so grandios poetisch. Die Unsicherheit des Morgens, die wir alle empfinden, gerade in einer Zeit, wo sich kaum noch einer seiner Zukunft sicher sein kann. Melodisch kommt das Wetter jedoch mit einer Leichtigkeit daher - wie eine rethorische Frage nach dem Wetter, oder auch der Briefmarkensammlung - die nicht wirklich einer Antwort bedarf. Was für ein künstlerisches Meisterwerk.
Das Piano und die klassische Gitarre nehmen uns mit ans Ende der Euphorie. Ein Song der Wellen des Lebens, des Auf und Abs…. und so klingt auch „Am Ende der Euphorie“. Ein Leben voller erster Male, bis irgendwann der sprichwörtlich letzte Vorhang fällt. Ob die Euphorie als solches auch wirklich wörtlich gemeint ist, kann ich in keiner der beiden Versionen manifestieren, da überschwänglich positive Gefühle so gänzlich anders klingen. Das ist Kunst in Vollendung.
„So nah vom nächsten Meer“ öffnet musikalisch die Sehnsucht. In der ursprünglichen Version noch eine Symbiose aus elektronischen und klassischen Musikelementen, wir hier nun klassisch, mit Gitarre und Streichern, die Kernaussage herrlich melodisch auf eine Linie gebracht. Lohnt sich der beschwerliche Weg, um eigene Ziele zu erreichen, wo es doch so viel einfacher ist sich treiben zu lassen? Warum sind die letzten Schritte zum Ziel immer die Schwersten? Lohnt es sich? So viele Fragen, die aufkommen. Ein Song der direkt unter die Haut und rein ins Herz geht mit dieser herrlich maskulinen Stimme.
„Still und schön“ mit Mundharmonika in der originalen Version von 2010 wurde künstlerisch in eine neue Version mit Klavier, Cembalo und Gitarre verwandelt, die auch bei den Instrumenten das Früher und Heute gar nicht besser darstellen könnte. Das ist wahre künstlerische Größe musikalisch, sowie textlich.
Das Liebeslied „Immer bei mir“, seine Hommage an die verstorbenen Eltern strahlt aus dem Album hervor. Die Leichtigkeit der Unsterblichkeit bedingungsloser Liebe melodisch so weich und sanft und doch textlich so stark, positiv und kraftvoll beseelt. Ein Song der Ewigkeit für die Ewigkeit grandios für das Album gewählt.
„Staub“, so wie der Titel des Album wirbelt zwischen Erkennen, Erkenntnis und Selbsterkenntnis „über den Wellen“ mit klaren politischen und emotionalen Ansagen und Aussagen. Gedanken die fliegen, Gefühle die frei sind. Musikalisch mit doppelten Vocals zu klaren melodischen Klängen.
„Tunnel unter den Brücken“ der erste Song mit Synthie Klängen des Album, spiegelt in Perfektion die Disharmonie zwischen dem, was die Seele braucht und dem realen unbefriedigten Leben wieder. Ich denke in diesem Song wird sich jeder irgendwo erkennen. Gerade an Tagen an denen mal nicht die Sonne scheint, wenn sich das Leben, das Erlebte irgendwie falsch anfühlt.
„Brot und Beton“ hat in der neuen Version seine harte Dunkelheit beiseitegelegt und erstrahlt mit neuer Klarheit und zuversichtlicher Stimme Licht in die Dunkelheit der kryptischen Lyrik. Reine Poesie, die zum Nachdenken anregt und den Verstand aufrüttelt. Keine leichte Kost für Jedermann.
Der letzte Song „Vollmond Federn und Sand“ runden dieses musikalische Meisterwerk mit Metaphern und Symbolen, bei dem wohl jeder Zuhörer ganz andere Bilder im Kopf und Gefühle entwickelt, perfekt ab. Es fühlt sich wie ein Freilassen der Seele mit fliegenden Gedanken an.
Mein Fazit :
Das Album „Staub“ als eine Aneinanderreihung alter Songs zu empfinden, trifft komplett ins Leere. Es fühlt sich an, als wären die Songs schon immer füreinander bestimmt gewesen. Wie eine Art Fügung, als hätte es so sein müssen. Einzigartige Kompositionen aus herrlicher Musik, Poetik und Kunst in allerhöchster Form - in neue Gewänder gehüllt, die selbst sehr alten Titeln eine ganz neue Bedeutung und Emotion verleihen. Ein Album das eine echte OFFENBARUNG ist.