Von schweren Schicksalen, verschiedenen pädagogischen Vorstellungen und Neuanfängen - leichte, kurzweilige Unterhaltung
„Sie hatten mehr gemeinsam, als er gedacht hatte. Sie saßen alle im selben Boot. Jeder in diesem Raum hatte eine grauenvolle Geschichte hinter sich. Wenn sie sie überstehen wollten, mussten sie zusammenhalten.“
Nachdem ihr Mann Gustav nicht mehr aus dem Krieg heimgekehrt ist, führt Greta 1924 den Haushalt ihrer Schwester Emma und kümmert sich um Tochter Gisela. Beim Spazierengehen macht sie die Bekanntschaft von Melanie, die sich für die Erzieherinnenschule im Schloss Schönbrunn bewirbt. Spontan entschließt sich auch Greta zur Ausbildung. Die Arbeit mit den Kindern im Kinderheim Schönbrunn macht ihr Freude, sie hört ihnen zu und bemüht sich, den Kindern, das zu geben, was sie brauchen. Das wird nicht von allen Kolleginnen gleichermaßen gewürdigt. Ausbilder Michael Brenner hingegen ist von Greta und ihrem Engagement begeistert, auch Greta mag ihn mehr als ihr lieb ist. Doch sie kann Gustav nicht vergessen.
Beate Maly erzählt in flüssiger, klarer Sprache. Der Roman lässt sich sehr angenehm und leicht lesen.
Greta, die sich anfangs von der Gesellschaft zurückzieht und zufrieden damit ist, einen Haushalt zu führen, wandelt und entwickelt sich im Verlauf der Geschichte. Sie erkennt, dass sie Qualitäten im Umgang mit Kindern hat, von denen sie bisher noch gar nichts wusste. Mit den Kindern im Kinderheim Schönbrunn geht sie sensibel, verständnisvoll und sehr geduldig um. Kein Wunder, dass sie das Vertrauen ihrer kleinen Schützlinge rasch gewinnt.
Schwester Emma und Schwager Julius halten Greta den Rücken frei, kümmern sich um deren Tochter Gisela und unterstützen sie auch sonst, wo sie nur können. Melanie, Gretas neue Freundin, bringt frischen Wind in Gretas Leben, regt sie an, etwas lockerer und offener zu sein. Und dann ist da noch Michael Brenner, Gretas Lehrer, der sich sehr für Greta interessiert. Die Figuren sind insgesamt zwar nachvollziehbar, aber recht eindimensional und schlicht gezeichnet, haben wenige Ecken und Kanten.
Neuanfänge nach dem Krieg: Dass im ehemaligen Kaiserschloss Schönbrunn zeitweise ein Kinderheim und eine Erzieherschule untergebracht waren, habe ich vorher nicht gewusst. Es war sehr interessant, über Gretas Erlebnisse dort zu lesen. Das Schicksal der Kinder, die teilweise so viel Schlimmes durchgemacht haben, mit ihren Erfahrungen nicht umgehen können und daher verständlicherweise Schwierigkeiten haben, sich zu integrieren, hat mich berührt. Auch wenn in der Theorie im Kinderhaus eine verzeihende, straffreie Pädagogik vorgesehen ist, unterscheidet sich die Praxis gewaltig davon. Greta bemängelt dies und versucht selbst ihre eigenen Vorstellungen von Erziehung umzusetzen. Dabei geht sie nicht dogmatisch vor, sondern setzt auf Verständnis, Geduld und ein vertrauensvolles Miteinander. Mich beeindruckt die Art, wie sie ihre Arbeit im Kinderheim ausfüllt, dass sie im Umgang mit Kindern weniger nach politischen Idealen als einfach nach ihrer Intuition und ihrem Bauchgefühl handelt. Auch dass die Kinder nach und nach und ganz behutsam einen Zusammenhalt entwickeln, weil sie merken, dass es das leichter macht, alles zu überstehen, fand ich sehr schön zu lesen.
Ein wenig mehr Tiefe und Raffinesse hätte den Figuren und der Handlung sicher nicht geschadet, aber insgesamt habe ich den leichten, unterhaltsamen historischen Romanen über Aufbrüche und Neuanfänge, unterschiedliche Vorstellungen von Erziehung, schwierige Kinderschicksale, Freundschaft und Liebe gerne gelesen. Der Band lässt sich auch unabhängig vom Vorgänger lesen.