Aus dem Geiste der Musik
Nietzsche ("ein Leben ohne Musik ist möglich aber sinnlos") schrieb einst einen Essay "Über die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik". Ich dachte, es könnte mir gelingen, aus dem Geiste der Musik wenigstens ein paar kleine Essays nieder zu schreiben, die aus der Stimmung jener Songs erwachsen, die ich seit Jahrzehnten in kleinen Musik-Pubs vortrage. Zum Beispiel sang ich immer gern den "Preachin' Blues" von Son House. Er handelt von einem Pastor, der alles hin schmiss, weil er sich wie ein Fisch im falschen Aquarium fühlte. Genau so war es auch in meinem Leben passiert. Und während ich Song für Song aus meinem Repertoire durchging, entstand Kapitel um Kapitel. Ich hoffe, Leser inspiriert mein Buch ebenso stark wie mich.
P.S.: Ich freue mich sehr, dass meine Bücher hier, auf einer Musik-Plattform, zu finden sind!
Beispiel-Kapitel:Son House (1902-1988) war im Alter von 20 Jahren als Baptistenprediger tätig.
Seine Trunksucht und seine Affären mit Frauen liefen jedoch den moralischen Verpflichtungen seines Berufs zuwider.
Im Alter von 25 Jahren kehrte er der Kirche den Rücken und arbeitete fortan als Bluesmusiker.
Der Blues-Text von Son House hat mich immer besonders amüsiert, weil ich mit 20 Jahren auch Theologie studiert habe.
Ich war zutiefst überzeugt von dem Konzept der Entmythologisierung, das von dem deutschen Theologen Bultmann popularisiert wurde. Historische Forschung, Psychoanalyse, Soziologie und Politikwissenschaft versprachen ein neues Verständnis der biblischen Erzählungen.
Aber ich werde nie eine Diskussion mit einer Gruppe amerikanischer Theologiestudenten vergessen, die meine Universität in Münster besuchten.
Sie sagten mir (in einem natürlich freundlichen Ton), meine Idee der Entmythologisierung würde in den USA niemals funktionieren. Aber sie würden eine Prophezeiung wagen: auch nicht in Deutschland!
In der Tat war die Kirchen-Bürokratie viel zu konservativ und gar nicht erfreut über diese Entwicklung. Ich fühlte mich als Theologiestudent zunehmend ausgegrenzt.
Nach einigen giftigen Gesprächen mit den offiziellen Kirchenvertretern beschloss ich, das zu studieren, was mir richtig und wesentlich erschien: Soziologie, Psychoanalyse, Geschichte und politische Philosophie.