Eine veritable Einspielung!
Alexandra Sostmann (*1970) hatte sich als Bach-Interpretin
bereits einen Namen gemacht, bevor sie sich entschloß,
fast exakt 300 Jahre nach der Entstehung des ersten Teil des
„Wohltemperierten Klaviers“ eine neue Einspielung zu
veröffentlichen; angesichts der langen diskografischen
Rezeptionsgeschichte dieses Mammutwerks keine einfache,
aber gleichzeitig auch enorm lohnende Aufgabe.
Sie erklimmt den 'Gipfel der Klavierkunst', erschließt
sich dies Kompendium musikalischer Vielfalt in probater Weise:
ausgerüstet mit unbeschränktem technischen Können und
einer sehr differenzierten Anschlagskultur, erweist sich
ihre Fähigkeit, Überblick auch in virtuoser Polyphonie zu
bewahren, dabei Themen akustisch herzuvorheben und jedem
Präludien- und Fugen-Paar eine variantenreiche
Klanggebung und treffende Charakteristik zuzumessen, als
Königsweg bei dem Versuch, diesem spezifischen
Ausdruckskosmos gerecht zu werden.
Sie bedarf dazu keiner artikulatorischen Akrobatik, es
ist eher eine vernunftgeprägte Klarheit am Werk, die in
der glücklichen Lage ist, Ausdruckstiefe und Anmut
widerspruchsfrei zu verbinden. Unwiderstehlich sind viele
ihrer perlenden Läufe; strukturelles Musizieren ist ihr sichtlich
ein Anliegen, nur DEN Schluß lassen ihre präzise Figurationen
zu. Sie setzt das Bach'sche Lehrbuch durch originelle
Einbewältigung erfrischend um und so erklärt sich auch
auf fassliche Weise, wie es zu dem starken Impuls kommt,
nach dem Ende der letzten Fuge erneut den Start-Knopf des
CD-Spielers drücken zu wollen.