Gediegenes "Alterswerk"!
Vinylzeit! (Von Frank Rummeleit)
Stefan Kleinkrieg – „Die Sonne scheint für alle“
1984 – das 1. Solo-Album des Extrabreit Gründers und Gitarristen Stefan Kleinkrieg erscheint. „Nur für Jung‘s“. Doch das ist lange her… Discogs tituliert das als Hard Rock, heute rockt Stefan Kleinkrieg (ein paar Solo-Alben später) immer noch, mitunter lässt der Blues grüßen. Up-Tempo-Nummern und Balladen geben sich ein beseeltes Stell-Dich-Ein.
Mittlerweile in Ehren ergraut und mitunter dem Haupthaar beraubt sind Stefan Kleinkrieg und Fans einen langen Weg gegangen. Der Blick zurück ist weiter als der Blick zum Horizont. Zeit der Erinnerung. Von Nostalgie und Melancholie geküsst, ein Abtauchen in längst vergangene Welten, als manches tatsächlich besser war als heute und manches in nostalgischer Verklärung nur so scheint.
Und doch auch fest im Heute behaftet. Realistisch den Tatsachen ins Auge blickend, dabei oft ein Schuss Ironie augenzwinkernd injiziert.
Ein Album, entstanden in Zeiten einer Pandemie. In Zeiten der Entbehrungen und Ängste. Und als wäre das alles nicht schon endzeitmäßig genug, bricht ein nie für mögliche geglaubter Krieg in unsere reale Welt hinein…
„Torben macht sich Sorgen, dass die Welt sehr bald zerbricht.“ Torben ist mit seinen Sorgen nicht allein. Heuer sind wir fast alle Torben. Und da kommt ein Song wie „Glückshormon“ gerade recht. „Alle wollen Frieden, am liebsten jeden Tag.“ Und weiter: „Ich will ein Glückshormon mit Optimalfunktion.“ Eher u.a. gemünzt auf die erwähnte Pandemie, ist dieser Song wie Balsam für die Seele, wenn die Angst mit einem Achterbahn fährt.
Und so ist Optimismus oft ein guter Berater. Für Stefan Kleinkrieg hat diese positive Einstellung zu einem Stipendium des Landes NRW in den Coronajahren 2020 – 2021 geführt, das zum Teil dafür sorgte, dass dieses Album in den Backyard 76 Studios produziert und gemixt werden konnte.
Darüber hinaus ist „Die Sonne scheint für alle“ ein wunderbares Instrumentenalbum geworden, auf dem die Spielfreude aller Beteiligten hörbar wird. Nicht nur der Wunsch nach „Billigem Benzin“ für Antrieb sorgt, sondern eben Herzblut und diese Spielfreude.
„Autoscooter“ eine kernige Rock-Nummer, locker aus der Hüfte geschossen, die den Hörer zurück durch die Zeit nimmt in die bunte Kirmes-Welt, als „junge Männer zum Mitreisen gesucht“ wurden.
„Wilhelmsplatz“ entführt jeden Hörer an seinen eigenen Sehnsuchtsort, an dem er große Teile der Jugend verbracht hat und an dem die großen und kleinen Stories des eigenen Lebens geschrieben wurden. „Ein Bild verblasst in Sepia. Schließe ich die Augen, ist es da.“ Für Stefan Kleinkrieg ist es der „Wilhelmsplatz“, für mich das PC69 (Bielefeld).
„Manchmal habe ich das Gefühl, dieser Winter endet nie“, mit leichtem Trauerflor umrahmt, läuft dieser Song mit einem Schuss Wehmut in die Auslaufrille. Doch siehe da - „Die Sonne scheint für alle“, gibt es eine A-Seite, die man wieder auflegen kann und überhaupt, für die notwendige Dosis „Glückshormon“ sorgt jener Song, der sein optimistisches, wohltuendes Flair wie ein Deo über das ganze Album versprüht.
Einem 66jährigen Musiker darf man sicherlich zu einem wundervollem „Alterswerk“ gratulieren, singt er doch „Ich tu nie wieder, als sei ich jung“, aber auch auf folgendes hinweisen: „Mit 66 Jahren fängt das Leben an!“ Bedankt!