Wie bewertet man unsere Gegenwart?
“Wie hat Ihnen das Anthropozän bis jetzt gefallen?” – So heißt John Greens Buch mit „Notizen zum Leben auf der Erde" für den deutschsprachigen Leser. Der Titel der Originalausgabe lautet: "The Anthropocene Reviewed. Essays on a Human-Centered Planet"
Für mich war dieses Buch meine erste Begegnung mit dem Autor. Das wundert mich nicht, sind doch seine mehrfach ausgezeichneten Werke eher für jugendliche Leser.
Da ich mit dem Begriff „Anthropozän" zunächst nichts anzufangen wußte, möchte ich gleich mit einer Definition beginnen:
„Der Begriff Anthropozän ist die vorgeschlagene Bezeichnung für das gegenwärtige geologische Zeitalter, in dem der Mensch den Planeten und seine Biodiversität grundlegend verändert hat.“ (S. 15)
Es ist faszinierend, wie Green seine Gedanken, seine Erlebnisse, seine persönlichen Erfahrungen in kleine Geschichten verpackt, sie sinnvoll mit der Gegenwart, der Vergangenheit, mit Personen u.s.w. in Beziehung bringt und sie verständlich formuliert.
Was er z. B. gleich im ersten Kapitel (insgesamt sind es 44 Kapitel) „You´ll Never Walk Alone“ alles zusammenträgt! Ich kannte nur die Geschichte, dass es der Song des Liverpool Football Club ist. So geht es immer weiter. Er leitet interessante, manchmal auch ungewöhnliche Gedanken ab von seinen Themen. Jede Überschrift ist wie eine Wundertüte! Fast jedes Mal bin ich am Ende erstaunt über seine Ableitungen! Ab und zu kommt er auch mal von „Höckchen auf Stöckchen". Ich finde dieses Buch ungewöhnlich. Es fällt aus dem Rahmen durch die besondere Herangehensweise an Themen, die den Autor bewegen.
Was und wen er zitiert, finde ich treffend. Seine Gedankenexperimente, die sich selbstverständlich aus Greens persönlichen Leben und aus seinem Umfeld ergeben, führten mich oft dazu, das meine zu reflektieren. Green äußert Gedanken von philosophischer Tiefe, die viele Menschen auch so betreffen. Im Kapitel "Academic Decathlon" schreibt er etwas über seinen Freund Todd, was mich sehr berührte – ja, auch ich habe solche Freunde.
Im nächsten Kapitel „Sonnenuntergänge" sinniert er über die Sonne...und die Frage nach Gott und wie er sie beantwortet, trifft sich fast deckungsgleich mit meinen Ansichten. Der Vergleich mit seinem Hund, wenn es um Vertrauen geht. Er zeigt seinen Bauch und macht sich schutzlos. Einfach herrlich! S. 113
Es sind keine komplizierten, aber wunderbare Gedanken, die er dann in seiner eigenen Sterne-Bewertung gipfeln läßt. Klasse!
John Green macht sich viele Gedanken über Krankheiten und Schmerzen, die sie verursachen und die uns der Sprache berauben. Insgesamt läßt er den Leser recht tief in seine persönliche Welt eintauchen. Er gibt eine Menge von sich selbst preis. Es gibt viele Abschnitte in dem Buch, über die ich länger bzw. erneut nachdenken musste. Auch aus dem Grunde ist es ein Werk, dass sich (für mich!) nicht hintereinander weglesen läßt. Ich behaupte, dass es ein Buch ist, welches sich eignet zum Wieder- und Wiederlesen.
Fazit:
Es ist ein intelligent geschriebenes, autobiographisch geprägtes Sachbuch voller sehr guter Textstellen, Metaphern, Vergleichen, wunderbaren Zitaten zum Leben, zur Schönheit der Welt, das aber auch von Ängsten und Panikattacken, das Verhältnis zur Familie, zu Freunden und von vielen persönlichen Erfahrungen erzählt...ein Buch voller Ehrlichkeit und Empathie...
Mir gefällt die humorvolle, geistreiche Wissensvermittlung und die Bewertung der Faktenlage in Rezensionsmanier, mit Sternen.
Green vermittelte mir mit seinen geistreichen Beiträgen, auch über hin und wieder sehr amerikanische Dinge, viele Denkanstöße. Er regte mich sogar zum tieferen Nachdenken an.
Ich empfehle dieses Buch mit der Höchstbewertung!