Bitte noch viele Zugaben, Frau Roos!
Sie ist niemals Mainstream – auch wenn sie in Deutschland oft als Schlagersängerin bezeichnet wird – Nur eines kommerziellen Erfolges wegen hat sie niemals Musik gemacht. So auch mit dem jetzt erscheinenden Album „Ab jetzt nur noch Zugaben“.
Zugegeben, der Hörer braucht ein wenig Geduld. Es handelt sich nicht Hintergrund- oder Fahrstuhlmusik, die die Künstlerin präsentiert. Es sind Alltagsgeschichten auf sehr hohem Niveau sowohl von der Komposition als auch vom Text. Mit der Nummer „Discozeitmaschine“ verhält sich Mary Roos angenehm antizyklisch. Der Musikstil der 1980 er Jahre wird hier wunderbar ins Hier und Jetzt gerückt. Sollten viele Fans schon geglaubt haben, dass diese Melodien längst verklungen sind, werden sie jetzt angenehm berührt sein. „Stein auf Stein“ ist ein Herzenssong für die Sängerin, sie wollte schon immer den Frauen ein Denkmal setzen, die sich nach Krieg unter schwerster körperlicher Anstrengung für den Wiederaufbau eingesetzt haben. Denen wurde fast nie gedankt und das tut Mary Roos jetzt mit dieser Ballade, die so hinreißend von Pe Werner geschrieben wurde.
Man merkt dem Album einfach an, dass hier eine Interpretin steht, die Gelassenheit ausstrahlt, aus dem Bauch heraus lebt vor allem mit dem Lied „Ich hab‘ Zeit“. „Auch der Titel „C’est la vie“ greift das Thema auf, leichte Country Klänge verbinden sich im Refrain mit einem langsamen Walzer. „Deine Welt ist keine Insel“ ist ein Mut machendes Lied und kann als Aufruf zu mehr Toleranz in unserer Zeit verstanden werden, was sehr wichtig ist. Eine fast ganz neue Mary Roos erlebt der Hörer mit dem Chanson „Sie kann es tragen“, die Interpretation hätte eine Juliette Greco nicht besser machen können. „Parkplatz“ kommt schlagerhaft daher, ist aber durch die Zusammenarbeit von Johannes Oerding, Tom Albrecht und Sven Bünger nicht zu unterschätzen. Die kleinen Maleschen des Alltags werden hier aufgegriffen, die uns bei den großen Dingen immer wieder behindern.
„Keine Abschiedstour“ ist eine Synonym für den Titel des Albums. Mary Roos gehört nicht zu den Kollegen, die immer wieder ihr absolut letztes Konzert annoncieren. Sven Bünger ist es mit der Komposition gelungen, jeglichen Abschiedsschmerz musikalisch flockig zu verpacken. Auch der Song „Nicht nötig“ stammt zum Teil aus seiner Feder mit dem Mary Roos gelassen auf zum Teil taktlose Bewunderer schaut.
Ob es nun wirklich ab jetzt nur noch Zugaben gibt bleibt abzuwarten. Es wäre sehr schade, wenn eine solche Ausnahmekünstlerin die Showlandschaft verlässt und sich ins Private zurückzieht. Momentan sieht es nicht so aus. 2018 ist sie weiterhin mit „Nutten, Koks und frischen Erdbeeren“ unterwegs, das Fernsehen scheint ohne sie nicht auszukommen. Im April unternimmt sie eine Tournee mit Kollegen.
Bitte, machen Sie weiter, Frau Roos! Es gibt noch viel zu entdecken.