Großartiger Ansatz schlecht umgesetzt
In der Nähe einer Militärbasis in England taucht aus dem Nichts ein hellerleuchtetes amerikanisches Diner auf, dem jedoch Stromanschlüsse und anderes Wesentliches fehlt - und bald darauf wird eine Leiche gefunden. Die beiden Agenten Adam Rubenstein und Sunil Rao, der für den Auftrag sogar aus dem Gefängnis geholt wird, werden mit der Aufklärung beauftragt und zu einem amerikanischen Geheimlabor geflogen, wo sie sich bald als Teil von Experimenten wiederfinden und Nostalgie zu einer Waffe wird ....
Die Autorin und Wissenschaftshistorikerin Helen Macdonald hat mit der Autorin und Musikerin Sin Blaché gemeinsam ihren - für beide Autorinnen - ersten Roman geschrieben und sich ein genresprengendes Werk als Ziel gesetzt, das vom Klappentext und Leseproben her vielversprechend klang.
Trotz der flüssigen Sprache war beim Lesen höchste Aufmerksamkeit erforderlich, denn die ständigen Wechsel in Ort und Zeit, Rückblicke, Erklärungen und Gedanken, alle ohne jegliche Kennzeichnung in den Kapiteln, machen den Fortgang unübersichtlich. Überhaupt ist nicht konzeptibel, in welcher Zeit die Handlung spielt: Während man teilweise einen Zukunftsroman vermutet, könnten sich jedoch die geheimen Forschungen und Versuche durchaus in der Gegenwart abspielen, was ein zusätzliches Unbehagen auslöst.
Die wissenschaftlichen Fantasien zeigen eine bedrohliche Realität auf und zwingen zu einer Beschäftigung mit wichtigen gesellschaftlichen Themen. Allerdings bleibt meiner Meinung nach hier vieles unausgesprochen und viel zu vage, um ernsthaft aufrütteln zu können. Zusammenhänge bleiben im Unklaren, Machtverhältnisse werden lediglich angedeutet und ich vermisste oftmals weitere Informationen oder eine gewisse Logik in den Zusammenhängen. Hier hätte meiner Meinung sehr viel mehr aus der grundsätzlich großartigen Grundidee gemacht werden können!
Während der Einstieg und die zugrunde liegenden Gedanken sofort mein Interesse weckten und Spannung hervorriefen, folgten den Großteil des Buches über langatmige Beschreibungen und Dialoge, die weder Story noch ZUsammenhänge nicht wirklich weiterbrachten und ich kämpfte damit, überhaupt noch weiterlesen zu wollen. Erst ein Showdown mit teils schon surrealen Elementen konnte mich wieder halbwegs fesseln, bevor ich mit einem schrägen Ende "belohnt" wurde.
Die Figuren des stoischen, mysteriösen Geheimagenten Colonel Adam Rubenstein und dem oftmals sowohl chaotischen als auch übersensiblen Spezialisten Sunil Rao als wandelndem Lügendetektor, die das durch die Droge "Prophet" ausgelöste Chaos erkunden sollen und letztlich Teil des Forschungsprojekts werden, bildeten ein interessantes Ermittlerduo. (Andeutungen über vorhergehende gemeinsame Einsätze könnten auf ein früheres Buch verweisen, das es jedoch nicht gibt.) Ihre Beziehung zueinander ist durchaus spannend und zeigt eine Anziehung zueinander; allerdings empfand ich die Anrede Adams als "mein Herz" durchaus sperrig und fragte mich, ob damit im englischen Originaltext eine andere Bedeutung zugrunde liegen könnte. Die im Klappentext angekündigte queere "mitreißende Liebesgeschichte" konnte ich allerdings nicht entdecken; die wahre Bedeutung der beiden Geheimagenten füreinander wurde lediglich im Schlusskapitel thematisiert.
Wenngleich auch sehr deutlich wurde, was "Prophet" eigentlich ist und wie es wirkt - und sich sogar erschreckenderweise weiterentwickelt - , erschließt sich mir leider nicht die Bedeutung des Titels. Da das griechische Wort Prophet "Voraus-Sager" bedeutet, die Droge hier jedoch einen RÜCKBlick (Nostalgie) verursacht, sehe ich hier einen Antagonismus, dessen Divergenz das Surreale unterstreicht.
"Prophet" von Helen Macdonald und Sin Blaché konnte meine Erwartungen leider überhaupt nicht erfüllen, lässt mich unbefriedigt zurück, und ich kann das Buch auch nicht wirklich anderen Lesern empfehlen.