Berauschend gut geschrieben
Charlotte Roth, Literaturwissenschaftlerin und Autorin, ist mit dem vorliegenden Buch etwas ganz Besonderes und absolut Bewundernswertes gelungen. Und zwar eine romanhafte, poetisch erzählte Biographie, die so viel mehr als eine Biographie ist. Eher ein Erspüren, ein Nachspüren dessen, was Michael Ende ausmachte. Eine Roman-Biographie also als etwas Er-Dichtetes, als etwas Ver-Dichtetes im direkten Wortsinn. Nein, Charlotte Roth ist keine Biographin, sondern eine künstlerische Gestalterin eines Lebens, in das sie tief, tief eingedrungen ist und das sie mit ihrer persönlichen wunderbar poetischen Sprache wiedergibt. Und womöglich kommt Charlotte Roth und mit ihr somit auch der Leser dem Menschen Michael Ende dadurch sehr viel näher als jegliche theoretische, chronologische Auflistung an Lebens- und Werkfakten es je leisten könnte.
Der Titel (ein Zitat aus „Momo“) könnte gar nicht treffender sein, aber verkaufsfördernd ist er vermutlich nicht, denn für den oberflächlich schweifenden Blick eines Menschen in einer Buchhandlung ist er zu lang. Oder wirkt er vielleicht gerade deshalb anziehend? Wie auch immer, hinter dem Titel verbirgt sich ein Buch, das zu lesen mich begeistert hat wie schon lange keines mehr und dem ich viele vorurteilsfreie Leser wünsche.
Über den Inhalt muss man nicht viel erzählen. Der Roman beginnt mit dem Elternhaus von Michael Ende. Sowohl der Vater, Edgar Ende, eine schwierige Künstlerpersönlichkeit, als auch die Mutter Luise, erfüllt von geradezu besitzergreifender Liebe zu Michael, lernen wir sehr ausführlich kennen, was dem Leser ein gewisses Grundverständnis für die Persönlichkeit Michael Endes schenkt. Wir verfolgen seinen Lebensweg, sein verzweifeltes Ringen, sein permanentes Suchen, unterbrochen von nur kurzen Zeiten des entspannten Zurücklehnens, des wachsenden Erfolges. Wir erleben mit Michael Ende Lüge und Betrug, Neid und Profitgier und am schlimmsten schmerzend viel Unverständnis.
Der Schreibstil der Autorin ist sensibel, inhaltsreich, psychologisch klug, mit großer emotionaler Kraft, deshalb nichts für oberflächliche Schnellleser. Zuviel steckt in den Sätzen. Ihre intensiven Beschreibungen, ihre Wortbilder wirken an manchen Stellen fast so surreal wie die Bilder von Edgar Ende, dem Vater. Allein schon wie es Charlotte Roth gelingt, sich in das Kind Michael einzufühlen, das zwischen Verzärtelung, bitterer Armut, Elternstreit und politischer Zeit-Verzweiflung aufwächst, mit einer Mutter, „die nach innen weint“, das ist unfassbar gut und psychologisch tief. Sie schreibt poetisch, bilderreich, intelligent, einfühlsam, mit Kopf und Herz gleichermaßen, ohne je zu werten, in den ihr eigenen intensiven Sprachbildern. Eine Roman-Biographie von großer sprachlicher Kraft über einen lebenslang verzweifelt Suchenden, berauschend gut geschrieben.