Eine meisterhaft erzählte Fortsetzung voller Spannung, Intrigen, Überraschungen und atmosphärischem Zeitgeist
„Wer mir die Hand reicht, den ziehe ich unter die Erde. Früher oder später. Irgendwann klopfe ich auch an deine Türe, Johann.“ (S. 44)
Meine Meinung:
„Der Lehrmeister“ ist die Fortsetzung des sehr empfehlenswerten Romans „Der Spielmann“, in dem Bestsellerautor Oliver Pötzsch einer der wohl geheimnisvollsten Personen der deutschen Geschichte, Doktor Johann Georg Faust(us) (geboren vermutlich 1478), ein eigenes Denkmal gesetzt hat. Die Ereignisse knüpfen an Band 1 an und ich würde niemandem empfehlen, den „Lehrmeister“ zu lesen, ohne den „Spielmann“ zu kennen.
Mittlerweile scheint Faust von einer rätselhaften Krankheit befallen zu sein, die ihn immer mehr zu einem Schatten seiner selbst werden lässt. Gleichzeitig hat der Papst persönlich, Medici-Sprössling Leo X, seinen Gesandten Viktor von Lahnstein geschickt, um Faust nach Rom zu schaffen. In einer spektakulären Aktion entkommen Faust, seine Tochter Greta und sein getreuer Adlatus Karl Lahnstein, denn Faust fürchtet, dass ihm in Rom der Prozess gemacht werden soll. Daraufhin entspinnt sich eine Odyssee quer durch das Europa des 16. Jahrhunderts, auf der es mehr als einmal brandgefährlich, sehr düster und oft sehr knapp für Faust und seine Gefährten wird.
Wie schon in Band eins hat mich auch dieses Buch wieder sofort tief in seinen Bann gezogen. Auch diesmal gelingt es Autor Oliver Pötsch scheinbar ganz mühelos, eine unglaublich spannende und immer wieder überraschende Geschichte mit einem faszinierenden und extrem atmosphärischen Bild der damaligen Zeit zu kombinieren, in der die Menschheit zwischen dem dunklen Mittelalter und der aufkeimenden Neuzeit steht. So begegnen einem als Leser auch in diesem Buch wieder allerhand Namen bedeutender Zeitgenossen, wie etwa Martin Luther, Raffaello Santi, Heinrich dem VIII, Franz I oder auch Leonardo da Vinci, dem in diesem Buch sogar eine tragende Rolle zukommt! Pötzsch hat sich also einen extrem faszinierenden Protagonisten in einer sehr spannenden Zeit ausgesucht! Dazu kommt ein sehr geschicktes Händchen für geheimnisvolle und mythenumwobene Schauplätze.
Erneut war ich begeistert davon, wie Oliver Pötzsch historisch belegte Fakten mit Fiktion verknüpft und mit Mystery-Elementen versieht. Waren in Band 1 die Mystery-Elemente nur geschickt angedeutet, sind diese nun nicht mehr „wegzudiskutieren“ – was mir persönlich aber sehr gut gefallen hat und einen runden Bogen über die Geschichte schlägt. Zum Ende krönt die Geschichte ein wahrhaft infernales Setting und Faust läuft einmal mehr zu Höchstform auf.
Neben dieser unglaublich bewegten und fesselnden Lebensgeschichte besticht dieses Buch aber auch durch seine liebevolle Gestaltung mit Lesebändchen und farbigen Karten auf den Umschlaginnenseiten (vorne Europa mit den wesentlichen Handlungsorten und hinten eine Karte Roms) sowie insbesondere durch den wunderbaren Schreibstil des Autors, der sich mitunter einer ausgefallenen Wortwahl bedient (z.B. gravitätische Bewegungen) und es immer wieder schafft, die Atmosphäre mit treffenden Worten zu transportieren und – oft sehr düstere – Bilder im Kopf entstehen zu lassen („Das Unheimlichste aber waren seine Augen, sie waren schwarze Löcher, uralte, tiefe Krater, auf deren Grund das Böse schimmerte wie eine ölige Pfütze.“ - S. 164).
Ein wahres Lesevergnügen, vielen Dank, Oliver Pötzsch!
FAZIT:
Anders als Shakespeare hat Oliver Pötzsch es geschafft, eine fantastische Fortsetzung zu „Faust 1“ zu schreiben!