Enttäuschend in mehrerer Hinsicht
Dass Beziehungen nicht immer gut tun und man manchmal seine eigenen Wünsche über die des Partners stellen sollte, ist mit Sicherheit nichts neues und schon lange kein Geheimnis mehr.
Wenn also Imogen Crimp eine solche toxische Beziehung in den Mittelpunkt ihres Romans rückt und dem altbekannten Schema "junge, unsichere Frau trifft auf älteren, gut betuchten Mann und lässt sich von ihm einwickeln" nichts Neues mehr abgewinnen kann, ergibt das letztlich einen sehr langen, etwas ermüdenden Roman, der mich nicht wirklich hinter dem Ofen hervorlocken kann.
Die junge Opernstudentin Anna trifft eines Abends bei ihrem Job als Jazzsängerin in einer Bar auf Max, einen älteren, distinguierten Börsenmakler. Und obwohl er scheinbar kein gesteigertes Interesse an ihr hegt und sie von Anfang an kaum ernst zu nehmen scheint, beginnt sie "etwas" mit ihm.
Von Anfang an schreinen alle Signale, dass dieses Kennenlernen nicht zu einer gesunden Beziehung auf Augenhöhe führen kann. Das sieht jeder, der dieses Buch liest. Warum um alles in der Welt das Anna nicht sieht und sich immer weiter in eine Beziehung hineinsteigert, die nie als Beziehung bezeichnet wird- weder von ihr noch vom ihm- wird mir auf keiner Seite des Romans klar.
Allein dieses Nicht-verstehen-können der Handlunsgweise der beiden enttäuscht mich über die Maßen. Weder erhält man Einblicke in Max' Gefühlsleben und kann dadurch auch nur ansatzweise verstehen, warum er Anna so behandelt wie er es tut. Noch versteht man auch nur irgendwie, warum sie bei im bleibt, obwohl er sie permanent zurückstößt, ihr jegliche Bestätigung verweigert und sie am langen Arm verhungern lässt.
Die größte Enttäuschung ist jedoch das Ende, das (ohne hier allzu viel verraten zu wollen) mich mit den größten Fragezeichen zurücklässt.
Dazwischen stellt sich mir immer wieder die Frage, warum man eine solch nichtsagende Geschichte auf fast 500 Seiten zerren musste. Und ich spreche hier wirklich von Zerren, denn zwischendurch zieht sich das Ganze wie Kaugummi.
Es fehlt an jeglichen Gefühlen oder wenigstens Anziehung zwischen den Figuren. Vielleicht fällt es deshalb auch so schwer, der Handlung zu folgen, weil die Beweggründe für die Handlungsweise der beiden nicht spürbar ist, nicht nachvollzieh- oder erlebbar. Man kann nicht mitfiebern, weil es kein Fieber gibt.
Das trägt mit Sicherheit auch dazu bei, dass beide Figuren unheimlich blass bleiben und sehr schablonenhaft wirken. Über Max erfährt man weiter nichts, als das er ein manipulatives Arschloch ist, dem es gefällt seine Freundin nach seiner Pfeife tanzen zu lassen, den es aber gleichzeitig auch ärgert wenn sie es tut. Und Anna wirkt mit der Zeit immer rückgratloser, ihrer Ziele und Träume beraubt (von denen man sich aber auch recht unsicher ist, ob sie sie jemals hatte).
Insgesamt reicht das Thema einfach nicht aus, den Roman über 450 Seiten zu tragen. Fesselnder fand ich da tatsächlich die (viel zu kurz gekommenen) Schilderungen des Alltags im Opern-Showbiz.