Enttäuscht
Frankreich 1940, die Nazis sind einmarschiert und ein Weingut in der Champagne wird in den Widerstand einbezogen.
Frankreich 2019, die 99-jährige Amerikanerin Edith kommt mit ihrer Enkelin Liv nach Frankreich und besucht die Champagne.
Ich fange mit dem Positiven an. Das Buch spielt auf zwei Zeitebenen und die kurzen Kapitel wechseln sich ab. Zur Vereinfachung steht über jedem Kapitel noch die Jahreszahl sowie die „Hauptperson“, um deren Sicht es in diesem Kapitel geht. Das alles ist gut lesbar und verlangt überhaupt keine Mühen, kein Nachdenken, keine geistige Anstrengung. Einfache Unterhaltung pur. Das Cover ist schön gestaltet – für das Genre sehr typisch. Passt aber nicht unbedingt zum Inhalt des Buches, speziell zu den Zeiten des II. Weltkrieges.
Damit bin ich aber schon fertig, denn der Rest ist absolut enttäuschend. Ich habe etwas anderes erwartet, ein Buch mit Tiefgang, der besonders der Zeit des Widerstandes gerecht wird. Statt dessen bekam ich eine – Entschuldigung – Schmonzette (ich verstehe das Lob über die Autorin überhaupt nicht). Da ist Michel, der Weingutsbesitzer, der sich aufführt wie ein hochedler Adliger und eine Frau sucht, die eine dumme Tussi (auch wenn es den Begriff da noch gar nicht gab) ist. Schön aussehend, im Kopf nicht sehr hell – mehr wird nicht verlangt. Und Ines ist genau das. Eltern gestorben, sie lebt bei einer Freundin, die mit ihrem Mann ein Bistro führt. Trotzdem arbeitet Ines nur ab und zu mal mit, wenn sie gerade Geld braucht. Ansonsten führt sie das Leben einer verwöhnten Prinzessin und Michel ist der Mann der Träume, denn sie kann weiterleben, ohne was zu tun. Ein Jahr nach der Heirat ist Frankreich im Krieg und plötzlich verlangt Michel, dass Ines arbeitet. Oh Gott – warum das denn nun? Und sie soll auch noch in kürzester Zeit alles richtig lernen und können, nur keiner gibt ihr die Zeit. Wie realistisch ist das auf einmal? Er dreht total durch, als sie nach einem halben Jahr plötzlich das Auto nimmt und ihre Freundin besucht (mal ganz davon abgesehen, dass mich gewundert hat, dass die Franzosen noch über Jahre ihre Privatautos besaßen, herumfahren konnten und das Benzin auch nicht rationiert war). Nicht dass die Frau am nächsten Tag fehlt – nein, das Auto wird dringend gebraucht. Großer Krach – wie kann sie nur! Und so unrealistisch und so klischeebehaftet geht es weiter. Keine der Hauptfiguren ist ein wenig realitätsnah und sympathisch. Leider kann ich das nicht näher ausführen, ohne zu spoilern.
Und selbst in der Gegenwart: die Großmutter wird als exzentrisch beschrieben, eigentlich ist sie aber ein ziemliches Ekel. Und die erwachsene Enkelin nimmt alles klag- und widerspruchslos hin. Und dann kommen noch solche Sätze wie: sein Blut tränkte die Erde des Weinberges. Sorry – würg.
Mit viel gutem Willen und Zugeständnissen an das Genre vergebe ich meine Punkte.