Paulo Coelho als Mata Hari
Kleines Büchlein, edler roter Einband, typisches Cover mit Bild und Schrift darunter. Alles wie gewohnt im rennomierten Diogenes-Verlag.
Nur, dass Paulo Coelho diesmal selbst als seine Hauptfigur auftritt.
Er ist in die mystisch schillernde Persönlichkeit Mata Haris geschlüpft und berichtet per Brief über deren Leben als weltberühmte, verführerisch exotische Tänzerin und vermeintliche Spionin. Letzteres hat ihr den Tod durch Erschießen, ausgerechnet in ihrem Lieblingsland Frankreich, eingebracht. Ersteres zunächst Ruhm und wichtig(tuerische) Kontakte, dann die Erkenntnis an Wert und Popularität zu verlieren, zu altern.
Aber eigentlich wollte sie ein eigenständiges Leben führen, autark sein und wissen, wer sie wirklich ist.
Paulo Coelho macht deutlich, dass dies für eine Frau in den Anfängen des 20. Jahrhunderts nicht möglich war, ohne einen hohen Preis dafür zahlen zu müssen.
Mata Hari hat ihn auf tragische Weise mit ihrem Leben bezahlt und Paulo Coelho vermittelt uns dies in seiner typischen Manier. Mit seinem eindringlich emotionalen Stil, der mich immer wieder dazu bringt, mich in eine Art emotionale Trance zu begeben und auch nach dem Lesen noch eine gewisse Zeit in seinem Werk zu verweilen.
Er hat sich erlaubt, in "Die Spionin", fiktives Gedankengut mit wahren Begebenheiten zu vermischen und schafft es, Mata Hari nocheinmal wiederauferstehen zu lassen. Er lässt sie weise klingen, aber gleichzeitig auch naiv und unreif wirken wie ein Kind, was mich mitunter ihr gegenüber in ambivalenten Gefühlen zurückgelassen hat. Daher fiel es mir hier, frei nach Coelho, schwer, sie als erste Feministin und Kämpferin für ihre eigenen Werte und Bedürfnisse zu betrachten.
Trotzdem: Dieses Buch, mit seiner dramatischen Protagonistin, hat meine Seele berührt. Paulo Coelho ist ein lesenswertes Essay über eine faszinierende Frau gelungen, die in der heutigen Zeit besser aufgehoben wäre. Wie immer lässt er uns durch sein Werk nachdenklich unsere eigene Person betrachten. Lesen und staunen!